Читать книгу Dornröschen war ein schönes Kind - Petra Nouns - Страница 12
Оглавление« MENSCH, MANDY, DU SIEHST ECHT fertig aus. » Naomi umarmt die Freundin. « Ich kenn das. Auch wenn man sich nicht sonderlich mit ihnen verstanden hat, es ist schlimm, wenn sie auf einmal nicht mehr sind. »
« Ich wußte nicht, wie das ist. Bei uns ist noch niemand gestorben. Ich meine, niemanden, den ich richtig kannte. » Mandy muß schluchzen.
« Ist dein Opa tot? » Ramses stellt sich neben Mandy. « Mein Kaninchen auch. » Er nimmt Mandys Hand.
« Du Armer, das tut mir leid. » Mandy streicht über seine langen blonden, seit sieben Jahren sorgfältig verfilzten Locken.
« Wir haben es buddhistisch begraben. Wird dein Opa auch buddhistisch begraben?«
« Nein, ich denke nicht. » Mandy putzt sich die Nase. « Aber buddhistisch ist am besten. Ihr müßt ihn unbedingt buddhistisch begraben! Dann kommt er nämlich noch einmal auf die Welt, als Blume oder als Krokodil oder als guter Mensch!
Oder er kommt – wenn er ganz viel Glück hat – direkt ins Paradies! »
« Und was ist mit der Hölle? » fragt Mandy mißtrauisch.
« Gibt’s nicht auf buddhistisch, hat Gudrun gesagt. Gut, nicht? »
« Okay, wir werden darüber nachdenken. Vielleicht läßt sich da ja noch was machen. Danke für den Tip, Ramses. »
« Wird Mandys Opa auch bei uns im Garten vergraben? » Rufus steht nun in der Tür. An seinem Hosenbein hält sich Raffael fest.
« Nein, er wird auf dem Friedhof begraben. Und jetzt ab in die Falle! » Naomi kann durchgreifen wie ein Feldmarschall.
« Was ist ein Friedhof? »
« Mandy, hau dich am besten auf mein Bett. Bau doch schon mal einen Kleinen – ist alles im Kästchen auf dem Regal. Ich muß erst mal die Zwerge ins Bett kriegen. » « Was ist ein Friedhof? » brüllt Rufus jetzt.
« Still! Ramses, geh mit Rufus in euer Zimmer, und erklär ihm, was ein Friedhof ist, ich bringe Raffael in die Heia. Und Ruhe! Wehe ihr weckt mir Mogli und Kaspar auf! » « Wo ist Gudrun? » fragt Mandy.
« Im wohin-mit-meiner-Wut-Seminar. Fortgeschrittenenkurs. »
Ramses und Rufus streiten sich so lange über die Bedeutung von Friedhöfen, bis die beiden Jüngsten – es sind Zwillinge – wach werden. Dann schlafen sie ein. Naomi holt die Zwillinge und legt sie auf ihr Bett und gibt ihnen ihre Fläschchen in die Babyhändchen. Der Joint ist inzwischen fertig. Mandy hat wie immer auch eine Flasche Sekt dabei. Die Zwillinge zucken noch einmal erschreckt, als der Korken knallt, dann kehrt Ruhe ein.
Stille, nur unterbrochen durch die kleinen, friedlichen Schmatzgeräusche der nuckelnden Säuglinge, das Knistern des herunterbrennenden Rauchwerks, wenn der Qualm eingesogen wird, und das lange, ruhige Ausatmen des dicken, süßen Dunstes. Die Zeiten, als sie noch hektisch husten mußten, wenn der Qualm die jungfräulichen Härchen ihrer Bronchien berührte, sind lange schon vorbei. Naomi nimmt den letzten Zug und löscht den Joint. Sie lehnt sich zurück und beginnt leise zu singen.
Love lifts us up where we belong
Where the eagles cry
On the mountain high
Mandy hat den Song nie so sanft und nie so schön gehört. Die Zwillinge schlafen jetzt tief.
« Vielleicht wird’s jetzt leichter mit meinem Alten. Er war richtig weich heute abend. Hat zwei Stunden bei meinen Großeltern im Haus gesessen und nachgedacht. »
« Dein Alter ? Nachgedacht? »
« Unglaublich, aber wahr. Der Tod kann offenbar selbst ihn dazu bringen, über die wichtigen Dinge des Lebens nachzudenken. Er hat eine Schicht sausenlassen und einen Nachmittag lang sowohl den Umsatz als auch den Zustand seines Autos vergessen. »
« Bestimmt gibt’s doch jetzt was zu erben bei euch. » « Mensch, Naomi, das ist es! Von wegen wichtige Dinge des Lebens! Klar! Über die Kohle hat er nachgedacht — worüber denn sonst? Da hätte ich auch früher drauf kommen können! »
« Du meinst, er verplant schon das Erbe? Seid ihr jetzt reich? »
« Reich? Ich habe keine Ahnung, was reich ist. Ist mir auch scheißegal. Das einzige, was mich interessiert, ist die Laune zu Hause. Und das auch nur so lange, bis ich auf dem Einstein bin. Aber weißt du was? » Mandy nimmt einen kräftigen Schluck aus der Flasche und gibt sie weiter an Naomi. « Wenn es wirklich was zu erben gibt – und es gibt bestimmt ein bißchen oder vielleicht ein bißchen mehr –, dann wird mein Alter chronisch gut drauf sein. Und das kann meine Chancen, daß er seine blöde Unterschrift unter den Antrag setzt, nur verbessern. Prost! »
« Wow! Prost! »
« Was würde wohl mein Opa sagen, wenn er uns jetzt reden hören würde? » Noch einmal brechen Tränen durch. « Ach Naomi, ist das Leben wirklich so scheiße? Meinst, du, wir werden auch mal so enden? Daß keiner sich wirklich grämt, weil man weg ist? »
« Wir machen das anders, Süße! Du weißt doch: Wir machen das, was wir wirklich wollen. Und deshalb bleiben wir cool. Wir lieben die Leute, mit denen wir was machen, und deshalb lieben sie auch uns. Und wir kriegen nur die Kinder, die wir lieben können. Oder gar keine. Es ist ganz einfach. » Traurig streichelt Naomi die Glatzköpfchen von Mogli und Kaspar und fängt noch einmal an zu singen.
Love lifts us up where we belong
Where the eagles cry
On the mountain high