Читать книгу Sachversicherungsrecht: Der Regress nach Anspruchsgrundlagen - Philipp Feuchter - Страница 13
3. § 86 Abs. 1 S. 2 VVG
ОглавлениеRegressieren kann der Versicherer aber nur, wenn er dem Versicherungsnehmer den Schaden komplett reguliert hat, bzw. beim Versicherungsnehmer nach der Regulierung kein weiterer Schaden verbleibt (vgl. § 86 Abs. 1 S. 2 VVG – sog. Quotenvorrecht oder Differenztheorie).14
Hiernach kann der Versicherungsnehmer zunächst versuchen – bevor der Versicherer regressieren kann –, sich bis zu seinem kompletten Neuwertersatz beim Verursacher schadlos zu halten. Nur ein sodann etwaig noch bestehender Anspruch kann danach noch auf den Versicherer übergehen.15
Folglich bleibt der Versicherungsnehmer im Falle des Eingreifens des Quotenvorrechts weiterhin Inhaber der Forderung.16
Ob sodann der Schuldner selbst – oder dessen Haftpflichtgesellschaft aufgrund vertraglicher Vereinbarungen – noch in der Lage ist, den Regressierenden zu befriedigen, ist das Risiko des Versicherers.17
Diese Regelung soll verhindern, dass sich der Versicherer zulasten seines Kunden rehabilitieren kann und wurde ursprünglich in der Kfz-Versicherung entwickelt.
Problematisch wird § 86 Abs. 1 S. 2 VVG daher nur, wenn der Versicherer – bspw. aufgrund vereinbarten Selbstbehalts, wegen Unterversicherung etc. – den Versicherungsnehmer nicht vollends entschädigt.
Die dann entstehenden Auswirkungen der Differenztheorie – bzw. des Quotenvorrechts – beschrieb der BGH wie folgt:18
„Reicht die – gem. § 254 BGB geminderte – Schadensersatzforderung nicht aus, um den Versicherer und den Geschädigten zu befrieden, so hat der Geschädigte (VN) das sog. Quotenvorrecht. Nach der Differenztheorie, die sich in der Rechtsanwendung durchgesetzt hat und auch vom BGH in ständiger Rechtsprechung angewandt wird, bleibt der VN in Höhe des Unterschiedes zwischen seinem Schaden und der erhaltenen Versicherungssumme der Gläubiger der Ersatzforderung. Beträgt der Schaden DM 100.000,00, die Versicherungssumme nur DM 50.000,00, so kann der Versicherer keinen Rückgriff nehmen. Der Anspruch auf Zahlung von DM 50.000,00 steht dem Geschädigten zu. Erst wenn die Schadensersatzforderung und die Versicherungsleistung zusammen höher als der Schaden sind, ist Raum für einen Forderungsübergang gem. § 67 VVG, durch den verhindert werden soll, dass der Geschädigte mehr als den Schaden ersetzt erhält.“
Diese Auffassung des BGH führt zu erheblichen Unstimmigkeiten und stößt daher nach wie vor auf vehemente Kritik.19
Zusammengefasst bringt Günther dies wie folgt zum Ausdruck:20
„Entgegen der Auffassung des BGH entspricht das sog. Quotenvorrecht keineswegs dem ‚Wesen des Schadenversicherungsvertrages’, insbesondere die Ergebnisse sind ‚gänzlich unbefriedigend’,21 weil das Quotenvorrecht auch und gerade dann dem VN zugebilligt wird, wenn die Leistung des Versicherers hinter dem normierten Versicherungsschaden (also den in den jeweiligen Versicherungsbedingungen normierten Versicherungsschaden, incl. etwaiger Abzüge wegen Selbstbehalt, Unterversicherung pp.) zurückbleibt
Die Umsetzung des Quotenvorrechts führt dazu, dass im Ergebnis der VN trotz eines etwaigen Mitverschuldens, trotz einer Unterversicherung, trotz einer Selbstbeteiligung usw. immer in voller Höhe seine Ansprüche geltend machen kann. Ein vereinbarter Selbstbehalt oder eine Unterversicherung laufen leer. Dieser VN wird dem VN wirtschaftlich gleichgestellt, den kein Mitverschuldensvorwurf trifft oder der unter Zahlung einer höheren Prämie eine höhere Versicherungssumme bzw. eine niedrige Selbstbeteiligung wählt.22“