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IV. Strukturelles Machtungleichgewicht

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Die obigen Faktoren führen – insb. in ihrer Gesamtschau – dazu, dass sich der einzelne Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber typischerweise in einer strukturell unterlegenen Position befindet.[7] Das gilt zunächst bei Vertragsbegründung. Schon weil der Arbeitnehmer, jedenfalls meist, wirtschaftlich darauf angewiesen ist, diese bzw. zumindest irgendeine Arbeitsstelle innezuhaben, begegnen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer meist nicht auf „Augenhöhe“; oft ist zudem der Arbeitgeber juristisch besser vorgebildet und/oder die Arbeitsmarktsituation dergestalt, dass er die Wahl zwischen mehreren Bewerbern hat. Folge ist, dass er den Bewerber in Bezug auf die Arbeitsbedingungen oftmals vor die Wahl zwischen „friss oder stirb“ stellen kann. Damit aber fehlt es an einem – zumindest annähernden – Verhandlungsgleichgewicht als einer grundlegenden Voraussetzung einer Vertragsfreiheit, die sich nicht in einer formellen Betrachtungsweise erschöpft, sondern auf dem Prinzip echter Privatautonomie i.S.e. selbstbestimmten Entscheidung über Ob und Inhalt eines Vertrages beruht.

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Auch im weiteren Verlauf des Arbeitsverhältnisses ändert sich an dieser strukturellen Unterlegenheit des Arbeitnehmers in der Regel nichts. Während er aus Sicht des Arbeitgebers (meist) nur ein austauschbares „Rädchen im Getriebe“ ist, bleibt das Arbeitsverhältnis als Einkunftsquelle für den Arbeitnehmer essenziell. Typischerweise nimmt die Flexibilität des Arbeitnehmers (und damit seine faktische Möglichkeit, den Arbeitsplatz zu wechseln) im Laufe seines Berufslebens eher ab als zu. Wer bspw. ein Eigenheim erworben hat, wird meist nicht nur emotional an den Ort gebunden sein, sondern auch langfristig verschuldet – existiert dann kein anderer, geeigneter Arbeitgeber in pendelbarer Entfernung, ist der Arbeitnehmer faktisch an seinen jetzigen gebunden. Hinzu kommt, dass ältere Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz verlieren, oft Schwierigkeiten haben, überhaupt wieder Arbeit zu finden. Zusammengefasst kommt es auf dem Feld des Arbeitsrechts zu einem Versagen des im allgemeinen Zivilrecht gewöhnlich funktionierenden Markt- und Vertragsmechanismus.[8] Auch wenn das nicht ausnahmslos gilt, weil es (vereinzelt) Arbeitnehmer gibt, die aufgrund ihrer besonderen Fähigkeiten (z.B. Fußballstar, Einserjurist) oder spezieller Marktgegebenheiten (z.B. Fachkräftemangel) eine vergleichsweise starke Verhandlungsmacht gegenüber dem Arbeitgeber haben, erfordert diese Erkenntnis – jedenfalls in einem Sozialstaat – spezielle Schutzmechanismen zugunsten des Arbeitnehmers.

§ 1 Einleitung › C. Systematik des Arbeitsrechts

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