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C. Systematik des Arbeitsrechts

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Während der gesamten historischen Entwicklung seit Entstehung des modernen Arbeitsrechts ab ca. Ende des 19. Jahrhunderts[9] wurde dieses Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers auf zwei ganz unterschiedlichen, sich meist ergänzenden, in Teilen aber auch konfligierenden Wegen zu befriedigen gesucht: Der staatlichen Arbeitnehmerschutzgesetzgebung einerseits, dem Selbstschutz durch Kollektivierung der Arbeitnehmer andererseits. Das materielle Arbeitsrecht ist also, mit anderen Worten, zweispurig aufgeteilt. Hinzu tritt das Verfahrensrecht:

(1) Das Individualarbeitsrecht entspringt der staatlichen (Arbeitnehmerschutz-) Gesetzgebung. Es umfasst das Arbeitsvertragsrecht und -schutzrecht. Das Arbeitsvertragsrecht ist die Summe der (staatlichen) Normen, die sich mit dem Verhältnis zwischen einzelnem Arbeitnehmer und einzelnem Arbeitgeber beschäftigen. Es regelt v.a. Zustandekommen, Inhalt und Beendigung des Arbeitsverhältnisses und gehört zum Pflichtfachexamensstoff. Das – kaum examensrelevante – Arbeitsschutzrecht statuiert öffentlich-rechtliche Pflichten für die Ausgestaltung von Betrieben, Arbeitsplätzen usw., um Gesundheit und Leben der Arbeitnehmer zu schützen. Das Individualarbeitsrecht ist konzeptionell heteronomes, den Arbeitsvertragspartnern und ihren kollektiven Interessenvertretern vorgegebenes Recht, mittels dessen der Staat den Rahmen vorgibt, innerhalb dessen sich die „player“ vor Ort bewegen können. Es entstand ursprünglich als Reaktion auf die sozialen Missstände im Gefolge der Industrialisierung und wurde – sieht man von der Phase des Dritten Reichs ab – im Laufe der letzten 130 Jahre sukzessive – meist zum Vorteil der Arbeitnehmer – ausgebaut.[10]

(2) Das weitgehend nicht examensrelevante Kollektivarbeitsrecht beschäftigt sich mit den Rechtsbeziehungen zwischen dem Arbeitgeber und den kollektiven Interessenvertretern der Arbeitnehmer. Es umfasst das Koalitions-, Tarif- und Arbeitskampfrecht, in dessen Zentrum der von einer Gewerkschaft mit einem Arbeitgeber/-verband abgeschlossene Tarifvertrag (geregelt im TVG, näher Rn. 96 ff.) steht und für dessen Durchsetzung ggf. ein Arbeitskampf geführt werden kann. Daneben tritt das Mitbestimmungsrecht, das entweder über ein eigenständiges Gremium (i.d.R. den sog. Betriebsrat, geregelt im BetrVG) oder über eine Entsendung von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat (z.B. MitbestG) erfolgt. Das Kollektive Arbeitsrecht hat seit Mitte des 19. Jahrhunderts eine wechselhafte Geschichte erfahren. Nach ursprünglicher – sogar strafrechtlicher (!) – Bekämpfung der Gewerkschaftsbewegung, erlebte die Tarifvertrags- und Betriebsräteidee Anfang des 20. Jahrhunderts einen Aufschwung, der Durchbruch erfolgte am Ende des 1. Weltkriegs. Wiederum unterbrochen durch die dunklen Jahre 1933 bis 1945 ist das Kollektive Arbeitsrecht seither nicht mehr aus der Arbeitswelt wegzudenken.

(3) Schließlich ist das v.a. im ArbGG geregelte Verfahrensrecht zu nennen, das die Organisation, Zuständigkeit und Verfahrensabläufe der Arbeitsgerichte als spezielle, von der allgemeinen Zivilgerichtsbarkeit unabhängige Gerichtsbarkeit zum Gegenstand hat. Die 1926 geschaffene Arbeitsgerichtsbarkeit wurde – nach Auflösung im Dritten Reich – nach dem Zweiten Weltkrieg in heutiger Form geschaffen.

Hinweis:

Das Arbeitsrecht wird durch das öffentlich-rechtliche Sozial(versicherungs)recht „flankiert“ und ergänzt. Wo der Schutz des Arbeitsrechts endet (weil bestimmte Lasten dem Arbeitgeber nicht aufgebürdet werden), greifen oft sozialrechtliche Mechanismen ein. Beispiele sind das Insolvenzgeld bei Insolvenz des Arbeitgebers (§§ 165 ff. SGB III) und die staatliche Förderung der Kindererziehung („Elterngeld“, §§ 2 ff. BEEG). Auch wenn der arbeitsrechtliche Fall daher in der Praxis nur mit sozialrechtlichen Grundlagenkenntnissen beraten werden kann, handelt es sich doch um eine eigenständige Rechtsmaterie, die deshalb im Folgenden weitgehend außer Betracht bleibt.

§ 1 Einleitung › D. Rechtsquellen des Arbeitsrechts

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