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Eine wirklich schwere Geburt
ОглавлениеDie meisten von euch wissen wahrscheinlich schon, dass die Geburt von Alessio alles andere als einfach ablief. Wir haben ja damals diese Dokumentation gemacht, weil wir unsere Fans an der Schwangerschaft teilhaben lassen wollten. Vielleicht erinnert ihr euch, dass wir die Doku dann bei der Geburt abbrechen mussten, weil – und es fällt mir heute noch enorm schwer, das zu sagen –, weil wir nicht wussten, ob unser Sohn es überleben würde. Ich glaube, auch wegen dieser Komplikationen ist die Bindung zwischen Alessio und mir so groß und so intensiv. Sicher, jeder Vater fühlt sich mit seinem Sohn verbunden. Aber für mich persönlich haben diese schweren Stunden damals im Krankenhaus noch einmal mehr dafür gesorgt, dass Alessio seit mehr als zwei Jahren das mit Abstand Wichtigste in meinem Leben ist. Ich möchte deswegen auch dieses Buch nutzen, um euch diese besonderen Augenblicke näherzubringen. Ich habe lange überlegt, ob ich überhaupt über die Geburt und die folgenden Tage schreibe. Einige von euch werden dazu sicher wieder unnötige Kommentare machen. Aber es ist mir einfach wichtig, euch zu erzählen, wie krass diese intensiven Momente für mich waren, damit ihr versteht, warum Alessio für mich so wichtig ist.
Über die gesamte Schwangerschaft haben wir uns eigentlich kaum echte Sorgen um die Gesundheit des Babys gemacht. Vor allem habe ich mich einfach nur gefreut. Sarah war sicher das ein oder andere Mal besorgt, wenn er mal einen Tag nicht getreten hat oder so. Aber ich denke, das ist normal bei werdenden Müttern. Sie spüren das Baby ja viel direkter im eigenen Bauch. Als Mann sieht man ja nur ab und zu das Bild beim Ultraschall oder fühlt einen Fuß durch die Bauchdecke. Vielleicht war ich deshalb auch so sorglos und habe mir nicht viele Gedanken gemacht. Unsere damalige Frauenärztin hat auch nie etwas gesagt, was uns Sorgen bereitet hat. Und genau das nehme ich ihr bis heute noch ein wenig übel. Sie hätte nämlich vielleicht etwas sagen sollen. Sie hätte vielleicht etwas sehen müssen. Alessio hatte einen schlimmen Herzfehler. Okay, um fair zu bleiben, den Herzfehler hat man damals im Ultraschall so gut wie gar nicht erkennen können. Bis zur Geburt war es auch überhaupt nicht klar, dass unser Sohn überhaupt diese Probleme hat. Trotzdem gab es eine Ärztin, die etwas gesehen hat – aber es war eben nicht unsere normale Frauenärztin, sondern ausgerechnet die Ärztin, die uns für unsere Doku zur Schwangerschaft begleitet hat. Sie sagte bei einem Dreh, dass bei Alessio irgendetwas fehlen würde. Aber sie sei sich nicht sicher, und unsere normale Frauenärztin solle doch noch mal gucken. Bis heute sind wir uns nicht sicher, ob wir damals mehr hätten nachfragen sollen. Aber unsere private Frauenärztin sagte nichts weiter dazu, und deswegen machten wir uns auch keine Sorgen. Warum auch? Man vertraut ja seinen Ärzten, und es fühlte sich ja auch nichts falsch an. Leute, wenn ich so daran zurückdenke, wird mir wieder ganz mulmig. Was wäre denn gewesen, wenn bei der Geburt und den OPs was schiefgegangen wäre? Sarah und ich hätten uns vielleicht auf ewig Vorwürfe gemacht. Ich bin so unendlich froh, dass alles gut gegangen ist.
Die Geburt selber lief eigentlich noch relativ normal ab. Sarah war sehr stark und atmete und presste, bis unser Sohn dann endlich auf der Welt war. Doch der erlösende Schrei, auf den wir beide so sehnlichst gewartet hatten, kam nicht. Alessio atmete einfach nicht. Könnt ihr euch vorstellen, wie das für mich war? Nach neun Monaten kommt endlich dein Sohn auf die Welt, und dann atmet er nicht. Die Ärzte haben ihn sofort in einen Raum gebracht, der für solche Notfälle ausgestattet war. Als wir das Krankenhaus einige Zeit vorher besuchten, wurde uns dieser Raum schon einmal gezeigt. Die Hebamme sagte damals: »Das ist der Raum, in den Sie hoffentlich nie mehr reingehen müssen.« Und jetzt war ich in diesem Raum, und ich habe mich in meinem Leben nie schlechter gefühlt. Alessio hatte also doch einen Herzfehler. Diesen schlimmen Herzfehler. Es sah nicht gut aus. Es fühlte sich für mich an wie dunkle Wolken, die ständig über einem schweben. Man weiß nicht, was passieren wird. Man ist hilflos und kann nichts machen. Man ist traurig, wütend und verzweifelt zugleich. Sogar jetzt, wenn ich diese Zeilen schreibe, fühle ich mich wieder richtig schlecht, nur weil ich daran denke. Ihr könnt euch vielleicht vorstellen, wie es mir da in der Situation damals gegangen ist.
Alessio wurde in diesem schrecklichen Raum an Kabel und Maschinen angeschlossen, die mir unglaubliche Angst machten. Man sieht immer im Fernsehen diese schönen Geburten, wo das Baby dann schreit, und es wird der Mama auf den Arm gelegt, und alle lächeln und sind glücklich. Aber ich stand nur regungslos da und starrte auf das kleine Menschlein, das ohne diese ganzen Kabel nicht leben konnte. Sarah war damals noch zu schwach. Sie musste sich von der Geburt erholen und liegen bleiben. Das war extrem hart für sie und auch für mich, denn ich musste sie allein lassen, um bei Alessio sein zu können. Ich hatte ihr versprochen, sie nie allein zu lassen, aber jetzt musste es sein. Sarah sah das auch so und rief mir noch zu, ich soll zu unserem Sohn gehen. Ich musste in diesem Moment also für die beiden stark sein. Aber ich war es eigentlich gar nicht. Ich war schwach, hatte Angst und fühlte mich hilflos. Als die Ärzte an Alessio herumzogen und -drückten, versuchte ich instinktiv, ihn zu schützen, und sagte, sie sollen nicht so grob sein. Aber die Ärzte drängten mich zurück. Zu Recht. Jede Sekunde zählte. Mir blieb nichts anderes übrig, als den Ärzten zu vertrauen und für meinen Sohn zu beten.
Der Herzfehler, den Alessio hatte, gehört einerseits zu denen, die die wenigsten Komplikationen im Nachhinein hervorrufen. Andererseits ist aber auch die Art der Operation, die nötig ist, die komplizierteste und gefährlichste. Aber uns blieb keine Wahl. Er musste operiert werden. Nun stellt euch vor, da sitzt ein junger Mann Anfang zwanzig, völlig allein und voller Sorge um seinen Sohn, der nicht einmal ein paar Stunden alt ist. Ob dieser Mann sonst im Fernsehen ist, ob er singt oder Blödsinn macht, ist in dem Moment völlig egal. Er ist einfach nur ein großer Junge, der riesige Angst um sein Kind hat. Und dann kommt ein Arzt und hält ihm ein Stück Papier unter die Nase, in dem steht, dass sein Kind bei der anstehenden Operation sterben könnte. Und dieser junge Mann soll unterschreiben, dass er das verstanden hat und sich der Risiken bewusst ist. Ich weiß, dass die Ärzte sich damit absichern müssen. Aber wie krass ist bitte so eine Forderung in diesem Moment? Ich glaube, ich habe nie im Leben so gezittert bei meiner eigenen Unterschrift. Mein Kind hätte sterben können, und ich habe unterschrieben, dass ich das weiß. Unglaublich. Ich hoffe von ganzem Herzen, dass niemals einer von euch in diese Situation kommt.
Als Alessio das erste Mal operiert wurde, blieben wir wie in Trance zurück. Wir saßen beide völlig geschockt und hilflos da und taten nichts als beten. Ich glaube, es ist egal, ob man an sich religiös ist oder nicht. Wenn dein eigenes neugeborenes Kind eine Not-OP durchmachen muss, dann betest du. Weil es das Einzige ist, was dir noch bleibt, um nicht völlig durchzudrehen. Erst am nächsten Tag durften wir wieder zu Alessio. Es war ein furchtbarer Anblick. Man sah ihn kaum noch durch all die Schläuche, an denen er hing. Die Ärzte sagten uns, dass die eigentliche Operation, mit der der Herzfehler behoben werden sollte, erst noch bevorsteht. So hatten wir kaum eine Woche Zeit mit unserem Sohn, dann nahm man ihn uns auch schon wieder weg. In diesen Tagen verbrachten wir jede freie Minute bei ihm. Es war die schwerste Woche meines Lebens, das könnt ihr mir glauben.
Wie ihr ja wisst, hat Alessio die Operationen am Ende gut überstanden und gilt heute als völlig gesund am Herzen. Er musste nach den OPs noch eine ganze Weile im Krankenhaus bleiben, und es gab noch ein paar kritische Momente zu überstehen. Zuerst lag er in einem künstlichen Koma, dann gab es immer wieder andere Probleme. Ich kann mich noch erinnern, dass wir einmal einen Anruf bekamen, bei dem uns gesagt wurde, dass es gerade nicht gut aussieht. Wenn man so etwas gesagt kriegt, wirft einen das von einem Moment auf den anderen völlig aus der Bahn. Was mich jedoch richtig fertiggemacht hat, war ein ganz bestimmter Morgen. Wir kamen wie jeden Tag ins Krankenhaus, um bei Alessio auf der Intensivstation zu sein. In der Hand hatte ich drei Kuscheltiere – eins für Alessio und zwei für die beiden anderen Kinder, die auch bei ihm im Zimmer lagen. Alle drei waren wegen Herzfehlern operiert worden. Wir und die Eltern der anderen beiden kannten uns zwar nicht, aber wenn man so etwas erlebt, schweißt einen das irgendwie zusammen. Jedenfalls brachten wir immer auch Geschenke für die anderen Kinder mit. An diesem einen Morgen kamen wir aber ins Zimmer und sahen nur Alessio. Die beiden anderen Bettchen waren leer. Wir fragten eine Schwester, wo denn die anderen beiden Babys seien. Sie sagte, dass beide in der letzten Nacht gestorben waren. Uns blieb die Luft weg. Wir wussten ja, in welcher gefährlichen Situation die Kinder in diesem Zimmer waren, aber bislang war ja im Grunde alles gut gegangen. Doch jetzt nicht mehr. Diese beiden kleinen Babys waren jetzt einfach nicht mehr da. Wir waren zwar unendlich dankbar, dass Alessio nach wie vor in seinem Bett lag und lebte, aber gleichzeitig waren wir auch unendlich traurig. Noch heute denke ich an die anderen beiden Babys und ihre Eltern. Man hat mir gesagt, ich könnte ja ein paar tröstende Worte für sie in dieses Buch schreiben. Aber es gibt nichts, was sie trösten könnte, also lasse ich es besser.
Erst nach einigen Wochen besserte sich Alessios Zustand. Für uns beide war das eine unfassbar lange und schwere Zeit. Es war einfach nicht auszuhalten, nicht zu wissen, was passieren wird. Noch schlimmer aber war es, einfach nichts tun zu können. Wenn man Vater oder Mutter wird, dann schwört man sich immer, dass man immer für das Baby da sein und es beschützen will. Aber wenn einem so etwas wie uns passiert, dann geht das einfach nicht. Du kannst nichts machen. Gar nichts. Egal wie stark, reich oder entschlossen du bist. Alles wird total unbedeutend. Alles, woran du noch denkst, ist, ob es deinem Kind gut geht. Doch genau das liegt nicht in deiner Hand. Manchmal denke ich mir, das alles ist vielleicht nur deshalb geschehen, um uns daran zu erinnern, was wirklich wichtig ist.
Für mich als Papa gab es in dieser Zeit aber auch einen hoffnungsvollen Moment, der sich in mein Herz eingebrannt hat. Als Alessio im Koma lag, war alles, was ich tun konnte, seine Hand an meinem Finger zu halten. »Hey, mein Kleiner, Papa ist da. Wir packen das schon gemeinsam«, flüsterte ich ihm, aber irgendwie auch ein bisschen mir selbst zu. Über Alessio hing ein Monitor mit einer durchgehenden rosafarbenen Linie. Die Ärzte meinten, wenn die Linie ausschlägt, dann würde Alessio selbstständig atmen. Ich bin sicher, er spürte an diesem einen Tag, dass ich da war und ihm Kraft gab. Jedenfalls schlug die Linie aus. Kleine rosafarbene Zacken waren deutlich zu erkennen. Als mein Sohn endlich seinen ersten selbstständigen Atemzug machte, hielt ich seine Hand, und mein Atem setzte für den Bruchteil einer Sekunde aus. In diesem Moment entstand eine Verbindung zwischen uns, die ich euch nicht erklären kann. Es klingt vielleicht etwas albern, aber es war ein Gefühl, das sich wie Magie anfühlte. Als wäre da ein Band entstanden, das nicht von dieser Welt ist. Diese Verbindung besteht noch heute zwischen uns, und sie bedeutet mir so unendlich viel. Gleichzeitig habe ich aber auch gemerkt, wie unfassbar stark mein Sohn ist. Welchen Überlebenswillen er an diesem Tag hatte. Er hat nicht aufgegeben. Er hat gekämpft. Und er kämpfte auch noch weiter, denn die schlimmen Stunden waren noch lange nicht vorbei. Doch er erholte sich erstaunlich schnell, und nach sechs langen Wochen im Krankenhaus waren wir endlich mit unserem Sohn zu Hause.
Heute sehe ich meinen Sohn total fröhlich herumtoben und bin mehr als dankbar dafür, dass es so ist. Ich möchte nicht daran denken, was aus mir geworden wäre, wenn Alessios Bettchen im Krankenhaus damals über Nacht leer gewesen wäre. Ich bin einfach nur so unendlich glücklich, dass es ihm so gut geht. Manchmal wenn wir Fußball spielen oder herumalbern, vergesse ich sogar, dass es diesen Herzfehler überhaupt gegeben hat. Für Alessio spielt das sowieso keine Rolle. Er wird sich daran ja nie erinnern können. Alles, was er sieht, ist die auffällige Narbe auf seiner Brust, doch auch die wird irgendwann verblassen. Ich habe mir überlegt, dass ich mir ein Tattoo stechen lasse mit so einer Narbe an genau derselben Stelle. Dann sieht Alessio, dass der Papa auch so etwas hat, und dann fühlt es sich für ihn vielleicht nicht mehr so außergewöhnlich an. Für mich wäre so ein Tattoo eine Erinnerung an die schwere Zeit damals und auch daran, dass man für Gesundheit dankbarer sein sollte als für alles andere. Alessio wird seine Narbe ein Leben lang tragen. Dann kann ich doch eine tätowierte Narbe auch ein Leben lang tragen, oder?