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Die spärlichen Überreste der vier Verse, die offenbar das erste Epigramm der Gruppe darstellen, lassen weder einen Stein noch einen Sprecher erkennen.


5 Ζη̣ν̣[οβίαϲ, Ζη̣ν̣[οδότηϲ, Ζη̣ν̣[οφίληϲ ed. min.

Der Indische Hydaspes […]

[…]

[…]

[…] I feine […]

V. 1

’Iνδόο ‘Yδάcπηϲ̣: Die Junktur findet sich fünfmal in Nonnos’ Dionysiaka, wo sie immer am Ende des Hexameters erscheint (17.254; 21.225; 22.3; 31.188; 39.45). Zu Poseidipps Zeit wird der Fluss (heute: Jhelam in Pakistan) v.a. mit der letzten Schlacht Alexanders des Großen und dessen Sieg über den indischen König Poros (326 v. Chr.) assoziiert (vgl. Hunter 2004, 97). Auf der Ebene des Textes dürfte Poseidipp mit dem Fluss den Herkunfts- bzw. Fundort des Steins meinen. Die Herkunft eines Edelsteins aus bzw. sein Transport in einem Fluss ist in den Lithika topisch: Die Steine dreier weiterer Epigramme (7, 10, 16) werden in Flüssen herangespült, und 15 betont explizit, dass sein Stein nicht aus einem Fluss stammt, greift also den Topos ex negativo auf (vgl. die Einl. zur Sektion, 22). Die Assoziation des Hydaspes mit Edelsteinen findet sich auch bei Seneca (Med. 725: Hydaspes gemmifer, „der Edelsteine mit sich führende Hydaspes“) und Statius (Theb. 8.237: gemmiferum … Hydaspen; für weitere Stellen in der lateinischen Literatur vgl. Hutchinson 2002, 3). Theophrast stellt in seinen Charakteren die |27|Verbindung zwischen Alexanders Feldzügen nach Osten und den dortigen Edelsteinen her, indem er den alazon berichten lässt, „wie viele steinbesetzte Kelche Alexander (sc. von dort) mitgebracht habe“ (ὅϲα λιθοκόλλητα ποτήρια ἐκόμιϲε 23.1–3, vgl. Bing 2004, 123).

V. 4

λ̣επ̣τ̣ὴ: Bei λεπτός bzw. seiner Variante λεπταλέος, die häufiger im Epos gebraucht wird (Schwyzer 1939, 484), handelt es sich um ein „Allerweltswort“ mit „notorischer Multivalenz“ (Asper 1997, 184). Es bezeichnet Körper und Körperteile als „dünn“, „Klänge“ als „harmonisch“, changiert im metaphorischen Sinne zwischen „spitzfindig“ und „klug“ und charakterisiert verschiedenste Gegenstände als „klein“ oder „fein“ (Asper 1997, 189). Welche Bedeutung das Adjektiv an der vorliegenden Stelle hat, ist nicht zu entscheiden, da sein Bezugswort nicht erhalten ist. Es könnte sich auf den Stein (auf λίθος oder auf den Namen einer bestimmten Art von Edelsteinen bzw. auf seine Gravur) beziehen, das einzige Objekt, von dem wir aufgrund der folgenden Gedichte, die bis einschließlich 15 fast sämtlich gravierte Objekte behandeln, relativ sicher ausgehen können, dass es in den verlorenen Teilen des Epigramms genannt wurde. Im mutmaßlichen Eröffnungsgedicht einer hellenistischen Gedichtsammlung lässt das Adjektiv an seine moderne Rezeption als ‚Zentralbegriff‘ der so genannten kallimacheischen Dichtungsprogrammatik denken (vgl. Schwinge 1986, 13 und 15; vgl. Bing 2005, 120 zur vorliegenden Stelle). Bei Kallimachos selbst ist jedoch kein terminologischer, geschweige denn programmatischer Gebrauch des Adjektivs festzustellen. Er verwendet das Wort nur an zwei Stellen als poetologische Metapher (Asper 1997, 189), zum einen in Apolls Anweisung im Aitienprolog, fr. 1.1.23f. Pfeiffer (ἀοιδέ, τὸ μὲν θύοϲ ὅττι πάχιϲτον/]ν Μοῦϲαν δ’ ὠγαθὲ λεπταλέην, „[…] Sänger, das Opfer möglichst fett, […] aber die Muse, mein Bester, dünn!“), zum anderen in der Apostrophe von Arats Phainomena in Epigramm 56 Asper (= 27 Pfeiffer: λεπταί ρήςιες, „ihr feinen Verse“, Asper 1997, 189). Die genaue ‚Bedeutung‘ der komplexen (Stil-)Metapher lässt sich für beide Stellen nicht festlegen. Erst nach Kallimachos wurde λεπτός zur „lexikalisierten“ und damit „programmfähigen“ Metapher (Asper 1997, 189). Ob λεπτός im vorliegenden Epigramm proprie oder als (möglicherweise poetologische) Metapher gebraucht ist, lässt sich aufgrund des verlorenen Kontexts nicht sagen. Mit einem ‚Zentralbegriff hellenistischer Dichtungstheorie‘ haben wir es aber hier ebenso wie bei Kallimachos nur aus der Sicht späterer (v.a. römischer und moderner) Rezeption zu tun. – Ζη̣ν̣[: Die drei schwach erkennbaren Buchstaben könnten eine Form von Ζήν (Ζηνός, Ζηνί, Ζῆνα), der bisweilen in der Ilias gebrauchten, aber vor allem bei den Tragikern geläufigen Alternative zur attischen Form Ζεύς (Διός usw.), darstellen. Da die Gedichte des Papyrus ausschließlich letztere Form verwenden (33.3; 34.3; 75.2; 79.3; 80.3; 85.3; nur ein Epigramm des Alten Poseidipp hat Ζηνός [115.10]), liegt eine zweite Möglichkeit mindestens genauso nahe: Die Silbe könnte den Anfang eines weiblichen Namens bilden, der wie in 4.6, 5.4, 6.4 und 7.5 die Frau bezeichnet, die mit einem Stein beschenkt wird. Wenn man annimmt, dass der Nominativ λεπτή den Stein charakterisiert (vgl. das vorangehende Lemma), wäre der Name der Besitzerin im Genitiv (ed. min.; vgl. 6.4 Νικονόης) oder auch im Dativ (vgl. 7.5 Νικονόηι) zu erwarten. Von den drei Namen Ζην[οβίας, Ζην[οδότης und Ζην[οφίλης, die die ed. min. exempli gratia vorschlägt, ist keiner für die hellenistische Zeit bezeugt (LGPN verzeichnet Ζηνοβία zweimal kaiserzeitlich [IIIa u. IV], Ζηνοδότη viermal kaiserzeitlich [Va], Ζηνοφίλη gar nicht; dazu ist Ζηνοβία für das kaiserzeitliche Ägypten zweimal belegt, vgl. Prosopographia Ptolemaica). Immerhin sind die maskulinen Formen vielfach für das ptolemäische Ägypten bezeugt.

Von dem ersten Gedicht der Lithika (und wahrscheinlich auch der Sammlung; vgl. Höschele 2010), das vermutlich aus vier Versen bestand, sind nur dreieinhalb Wörter (und einzelne Buchstaben) erhalten. Über seinen Inhalt lässt sich somit fast nichts sagen. Die erkennbaren Wörter |28|können vor dem Hintergrund der folgenden Gedichte (2–7 bzw. 2–15), die wiederkehrende inhaltliche Elemente und Topoi aufweisen, vorsichtig kontextualisiert und gedeutet werden. Ein Stein bzw. ein steinähnliches Objekt, wie es alle anderen Gedichte der Lithika nennen, sofern sie zu einem gewissen Teil erhalten sind, ist in den Fragmenten des ersten Epigramms nicht zu erkennen. Da die Steine der folgenden Gedichte meist durch Adjektive charakterisiert werden, könnte man eventuell eine derartige Funktion für λεπτή (V. 4) annehmen. Der Name des Flusses (V. 1) lässt sich in Verbindung damit bringen, dass vier der folgenden Gedichte die Frage thematisieren, ob der jeweilige Stein in einem Fluss herantransportiert wurde (vgl. das Lemma Ἰνδὸϲ Ὑδάϲπηϲ̣). Bei dem „indischen Hydaspes“ dürfte es sich also um den Fundort des Steins, der möglicherweise im Zentrum des Epigramms steht, handeln. Darüber hinaus könnte die Erwähnung desjenigen Ortes, bis zu dem Alexander vorgedrungen war, eine politische Dimension eröffnen: Sie bildet den Anfang einer Reihe von Anspielungen auf Alexander und Makedonien, die die Gedichtsammlung durchziehen und Poseidipp offenbar dazu dienen, die Ptolemäer als legitime Nachfolger Alexanders darzustellen (Stephens 2004b; vgl. Einl., S. 13f.). Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass die Evozierung Alexanders und der Grenzen seines Reiches in diesem ersten Gedicht der Lithika mit der Erwähnung des Ptolemaios und seines Herrschaftsgebiets im letzten Epigramm der Sektion korrespondiert (vgl. 20). Noch spekulativer als die Deutung der vollständig erhaltenen Wörter ’Iνδοϲ ‘Υδάςπηϲ̣ und λ̣επ̣τ̣ή ist diejenige der Buchstabenfolge ζη̣ν̣ (V. 4): Die Konjektur eines Frauennamens im Genitiv (vgl. das Lemma Ζη̣ν̣[) geht davon aus, dass das vorliegende Epigramm ebenso wie fünf der folgenden sechs Gedichte eine Frau, die mit einem Stein beschenkt wird, erwähnen könnte. Die vorgeschlagenen Namen, deren Ergänzung jedoch äußerst unsicher ist, würden ebenso wie der im folgenden Epigramm erwähnte Name eines Steinschneiders Κρονίου auf Zeus anspielen. Der Anfang der Sektion könnte daher nicht nur in politisch-geographischer, sondern auch in religiöser Hinsicht mit ihrem Ende korrespondieren: Während die ersten beiden Gedichte subtil Zeus zu evozieren scheinen, apostrophieren 19/20 Poseidon. Diese Überlegung fällt aufgrund der unsicheren Deutung von ζην allerdings ebenso in den Bereich der Spekulation wie Hunters Annahme (2004, 95), dass Poseidipp hier im Anschluss an Arat. 1.1 und Theokr. eid. 17.1 (Εκ Διος άρχώμεςθα) den Ursprung seiner Lithika oder sogar der gesamten Gedichtsammlung auf Zeus zurückführt.

Der Neue Poseidipp

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