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Rekonstruktionsvorschlag

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ἄνθραξ] αὐγάζων ὅδ’ ἐν ὧι φιάλ[ην ὁ λιθουργὸϲ

ἔγλυφε]ν ἁρπάζει βλέμματοϲ ὑγρὰ φ[άη

χάλκα]νθ’ εἰϲ τριέλικτα φυήν· ϲὺ δὲ καί[ν’ ἀγαπῶϲα

εὔφρω[ν ἐν δαίτηι, πότνια, τ[όνδε] δέ[χου.

Dieser glänzende Rubin hier, in den der Bildhauer eine Trinkschale

geschnitten hat, zieht die sehnsüchtig blickenden Augen

auf die goldenen Blumen, dreifach gewunden in ihrer Gestalt. Du aber, da du Neues magst,

nimm gnädig beim Festmahl, Herrin, diesen hier an.

Wenngleich kein Vers des Epigramms vollständig erhalten ist, kann seine Struktur besser rekonstruiert werden als die des vorangehenden Gedichts, mit dem es offenbar ein Paar bildet. Der Kontext des Symposiums, der auch für 2 anzunehmen ist, wird hier durch die Erwähnung einer „Trinkschale“ (φιάλη) und eines „Festmahls“ (δαίτη) evoziert. Die Trinkschale bildet offenbar das Äquivalent zu dem „Trinkhorn“ des zweiten Epigramms und kann im Gegensatz zu jenem eindeutig als Gravurmotiv eines Steins identifiziert werden. Wie im Falle des vorhergehenden |36|Epigramms ist der Stein, von dem die Rede ist, auch hier nicht erhalten. Es ist denkbar, dass es sich um einen Rubin handelt, der dem für 2 vermuteten weinfarbenen Amethyst ähnelt.

Der Aufbau des Epigramms ist zweigeteilt: Der erste Teil (V. 1–3a) besteht in der Beschreibung des Steins, die seine Betrachtung impliziert und sich im sukzessiven ‚Heranzoomen‘ des Kunstobjekts vollzieht: Zunächst deutet der Sprecher auf einen Stein hin, dessen Glänzen er hervorhebt. Da er an dieser Stelle noch keinen Adressaten seiner Deixis nennt, ist der Rezipient des Gedichts implizit aufgefordert, die Rolle des imaginierten Betrachters einzunehmen. Dessen Aufmerksamkeit lenkt der Sprecher als nächstes auf das Gravurmotiv und wohl schließlich auf etwas „dreifach Gewundenes“, vielleicht, wie die Erstherausgeber annehmen, eine Blumenverzierung am Rand der gravierten Trinkschale.

Der zweite Teil des Epigramms (V. 3b–4) besteht in der Apostrophe einer „Herrin“ (πότνια), der offenbar die vom Stein angezogenen Augen gehören. Der symposiastische Kontext, in den der Schluss des Epigramms die Steinbeschreibung stellt, wird bereits im ersten Teil durch das Geschenk der „Trinkschale“ angedeutet (vgl. 2, Interpr.). Denkbar ist, dass das Epigramm die Betrachtung und Schenkung des Steins beim Symposion nicht nur beschreibt, sondern auch als Teil des Geschenks begleiten sollte. Es scheint sich als Kunstwerk zu inszenieren, das den Stein in gleicher Weise darstellt wie dieser die Phiale (und diese ihre Randverzierung), und könnte anhand der implizierten Parallelität von Epigramm und Stein die Fähigkeit der Dichtung zur Leserlenkung analog zur dargestellten rezeptionssteuernden Wirkung des Steins hervorheben; zur prinzipiellen Möglichkeit der poetologischen Deutung der erste Gedichtgruppe der Lithika vgl. die Einl. zur Sektion, S. 25).

Der Neue Poseidipp

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