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Das stark zerstörte Epigramm beschreibt ein Kunstwerk des Steinschneiders Kronios. Bei dem erwähnten Trinkhorn handelt es sich möglicherweise, wie bei der Trinkschale des folgenden Epigramms, um das Intaglio-Motiv des beschriebenen Steins. Einen Sprecher lassen die Fragmente dieser vier Verse nicht erkennen.


6 ]η̣ vel ]κ̣ P ποικίλον ἐ]κ̣κεῖτ̣[α]ι̣ κέραϲ̣ [εὖ γλυφὲν ἐξ ἀμεθύϲτου vel θαυμαϲί]η̣ κεῖτ̣[α]ι̣ κέραϲ̣ [ὧδ’ ὑπέχουϲ’ ἀμέθυϲτοϲ e.g. Austin 2001a/b (contra Kuttner 2005) 7 χειρὸϲ ὑ]π̣ὸ Austin 2001a, ed. min. βὰϲ ἀ̣[πὸ ϲυμποϲίου Austin 2001a, ed. min. 8 ἄξιον οἰ]ν̣ο- Austin 2001a, ed. min. ὁ πα̣[îϲ ed. min. 9 λᾶαϲ ἐκοι]λάνθη … Ἰνδο̣[γενήϲ ed. min.

|29|[…] liegt ein Horn […]

[…] von Kronios […]

[…] Wein einschenken […]

[…] von Grund auf […]

V. 1

].κεîτ̣[α]ι̣ κεραϲ̣[: Der Anfang des Gedichts ist irreparabel zerstört. Bei dem ersten erkennbaren Wort dürfte es sich um das Prädikat des Satzes handeln: Die lesbaren Buchstaben lassen sich leicht zu dem Simplex κείται ergänzen, das die Position oder den Ort eines Gegenstandes angibt (‚liegt‘, ‚befindet sich‘). Nicht auszuschließen ist allerdings, dass sie Teil des Kompositums ἓκκειται (‚steht hervor‘, ‚ragt heraus‘) sind. Die Entscheidung hängt von der Bedeutung und syntaktischen Funktion ab, die man für das darauffolgende κέρας (‚Trinkhorn‘) annimmt, das einer Form von κεράννυμι vorzuziehen ist. Hierfür spricht zum einen die Parallele zum folgenden Epigramm, das ebenfalls ein Trinkgefäß (φιάλη, ‚Trinkschale‘) nennt, zum anderen, dass οινοχοείςθαι (V. 3) und βυςςόθεν (V. 4) in κέρας einen inhaltlichen Bezugspunkt hätten und dass eine direkte Aufeinanderfolge zweier Verbformen vermieden wäre. κέρας, eigentlich generell ‚Horn‘, bezeichnet in verengter Bedeutung synonym zu ρυτόν ein ‚Trinkhorn‘ (vgl. έκ του κέρατος αΰ μοι δος πιείν, Hermipp. 43; LSJ A.III.3), das meist in einer Protome, einem Tierkopf, endete und zum Einschenken von Trankopfern verwendet wurde. Die zentrale Frage bei der Deutung des Wortes an der vorliegenden Stelle ist, wie es sich zu dem Steinkunstwerk verhält, das aus den Resten des Epigramms erschlossen werden kann. Prinzipiell scheint es zwei Möglichkeiten des Verhältnisses von Trinkhorn und Stein zu geben: Entweder (1) sind sie identisch, d.h. bei dem Trinkhorn handelt es sich um einen dreidimensionalen steinernen Gebrauchsgegenstand, der von Kronios gearbeitet wurde, oder (2) es handelt sich bei dem Trinkhorn um die von Kronios gefertigte Gravur eines Steins, dessen Form uns nicht bekannt ist (beide Möglichkeiten sind archäologisch gut bezeugt: für Trinkgefäße aus Edelstein vgl. Plin. nat. 36.59; Bühler 1973, cat. 8 in 1–9; Pfrommer 1993, n. 480; Gasparri 1994, 75, fig.102; für Edelsteine mit eingravierten Trinkgefäßen, die nur aus Rom und erst ab dem ersten Jh. bekannt sind, vgl. AGD III, n. 547 [ρυτόν] u. IV, n. 1350, 1351, 1352 [Krüge], 1355 [Krater]; vgl. ed. pr. 111). Anhand der spärlichen Fragmente ist diese Frage nicht zu entscheiden. Plausibler erscheint aber die zweite Interpretationsvariante, da die Steinobjekte der Epigramme 1–15, soweit der Überlieferungszustand des jeweiligen Gedichts diese Aussage zulässt, sämtlich graviert sind (vgl. die Einl. zur Sektion, S. 21). Es ist zwar nicht auszuschließen, dass auch Variante 1 eine Gravur beinhaltet; möglicherweise trägt das Trinkhorn eine Gravur. Ein starkes Argument für Variante 2 bietet aber das folgende Epigramm, dessen „Trinkschale“ trotz des schlechten Zustandes des Gedichts recht sicher als Gravurmotiv identifiziert werden kann (vgl. den Komm. zu 3.1: ἐν ὧ‹ι› φι̣α̣λ[). Von einer analogen Beschreibung eines Intaglios, das ein Trinkgefäß abbildet, gehen auch Austins Vorschläge zur Rekonstruktion des ersten Verses aus: In seiner ersten Ergänzung (2001a: ποικίλον ἐ]κ̣κεῖτ̣[α]ι̣ κέραϲ̣ [εὖ γλυφὲν ἐξ ἀμεθύϲτου, „ein buntes Trinkhorn sticht hervor, das schön aus dem Amethyst geschnitten worden ist“) ist κέραϲ Subjekt und ἔκκειται offenbar metaphorisch gebraucht (vgl. Philostr. Imag. 2.1: ἀλλ’ οὐ βούλεται γεγράφθαι δοκεῖν ἡ θεόϲ, ἔκκειται δὲ οἵα λαβέϲθαι, „aber die Göttin will nicht gemalt erscheinen, sondern sie steht heraus, als ob sie ergriffen werden könnte“); ein wörtliches Verständnis (vgl. LSJ A.II.2) würde gegenüber der Annahme, dass die meisten der von Poseidipp beschriebenen gravierten Steine Intaglios sind (vgl. die Einl. zur Sektion, S. 21) implizieren, dass es sich hier um eine Kamee handelt. Durch γλυφέν integriert der vorgestellte Ergänzungsvorschlag nicht nur eine Form des Themawortes der Lithika (vgl. die Einl. zur Sektion, S. 20f.), sondern bietet auch eine sinnvolle Anschlussmöglichkeit für ὑ]π̣ὸ Κρονίου im |30|nächsten Vers („der von Kronios ‹geschnitten worden ist›.“). Daher ist diese Ergänzung Austins zweitem Rekonstruktionsvorschlag (2001b: θαυμαϲί]η̣ κεῖτ̣[α]ι̣ κέραϲ̣ [ὧδ’ ὑπέχουϲ’ ἀμέθυϲτοϲ, „es liegt (da) ein wunderbarer Amethyst, der auf diese Weise ein Trinkhorn darbietet“), der κέρας als Objekt des konjizierten Partizips verwendet, vorzuziehen. Die Konjektur von άμεθύςτου bzw. άμέθυςτος in diesem symposiastischen Epigramm begründet die ed. pr. v.a. mit dem indischen Ursprung des Steins, der am Ende des Epigramms angedeutet wird (vgl. das Lemma Ίνδ.[). Sie erscheint zudem vor dem Hintergrund der literarischen Assoziationen des Steins mit dem Themenbereich des ‚Trinkens‘ attraktiv, die auf zwei konträren etymologischen Erklärungen des Steinnamens άμέθυςτος bzw. seiner älteren, bis zum 4. Jh. ausschließlich gebrauchten Form άμέθυςος (z.B. Theophr. lap. 30–31; vgl. Sens 2011, 304) beruhen: Die eine versteht die erste Silbe des Wortes als Alpha privativum und άμέθυςτος entsprechend als „nüchternen Stein“ (Sens 2011, 304). Die hiervon ausgehende, offenbar weit verbreitete Ansicht, der Amethyst schütze vor Trunkenheit (vgl. Plut. mor. 15B; 647B; Cyranides 6.3; Nonn. Dion. 12.380) kritisiert Plinius als „eitles Geschwätz der Magier“ (37.124: Magorum vanitas; zu Plinius’ hellenistischen Quellen vgl. Hopfner 1926, 747–769). Die andere Erklärung deutet den Anfangsbuchstaben als Alpha intensivum: Der Amethyst sei nach seiner Farbe, die einer Mischung von Wein (μέθυ) und Wasser nahekommt, benannt (Plut. 647B; vgl. Plinius’ neutrales Referat dieser Ansicht, nat. 37.121). Die weinähnliche Farbe von Amethyst hebt bereits Theophrast hervor (lap. 31: τὸ δ᾿ ἀμέθυϲον οἰνωπὸν τῇ χρόᾳ, „der Amethyst ist weinrot in seiner Farbe“; zum Amethyst allgemein vgl. Blümner 1884, 251f., Caley-Richards 1956, 121f.). Mit der zuerst genannten Etymologie des Steinnamens spielen auch zwei hellenistische Epigramme, die vom Amethyst im symposiastischen Kontext sprechen: ein Distichon des „noch hellenistischen“ Jüngeren Platon49 (AP 9.748) und das vermutlich von Poseidipps Zeitgenossen Asklepiades von Samos verfasste Epigramm AP 9.752.50

V. 2

ὐ]π̣ò Κρονίου: Kronios ist der Steinschneider, der auch in 7.3 als Urheber eines Steinkunstwerks genannt wird. Als zeitlichen Bezugspunkt für Kronios nennt Plinius (nat. 37.8) den Steinschneider Pyrgoteles, den er ins 4. Jh. v. Chr. datiert: Post eum Apollonides et Cronius in gloria fuere („Nach ihm [d.h. Pyrgoteles] waren Apollonides und Kronios berühmt“; vgl. ed. pr. 111). Kronios dürfte also Poseidipps Zeitgenosse gewesen sein. Zur Angabe seiner Urheberschaft ist die Junktur ύπο Κρονίου hinreichend. Da in 7.3f. aber die „Hand“ des Kronios hervorgehoben wird, erscheint es plausibel, die Lücke am Versanfang durch Austins χειρòc (2001a, „von der Hand des Kronios“) zu füllen. Die Hand als Werkzeug des Künstler bzw. sogar |31|metonymisch als Künstlerin selbst dient in ekphrastischer Literatur dazu, die Kunstfertigkeit des Künstlers zu betonen (Sens 2011, 303 zu AP 9.752.1, s.o.; für den Papyrus vgl. auch die emphatische Hervorhebung der Hand 14.2: χρυϲῶι ποικιλθεῖϲα, διαυγέοϲ ἐξ ἀμεθύϲτου γλυπτή, ϲοὶ κεῖται, Κύπρι, φίλον κτέανον χεῖρά τε καὶ κατὰ νοῦν ἔγλυφ’ ὁ χειροτέχνηϲ sowie 67.2: τῆϲ Θεοδωρείηϲ χειρὸϲ ὅϲοϲ κάματοϲ). – βαϲα̣: – Die Buchstabenfolge ist bislang nicht zufriedenstellend gedeutet oder ergänzt worden.

V. 3

οἰ]ν̣οχοεîϲθαι: Der Infinitiv benennt wohl die Funktion des ‚Trinkhorns‘ („Wein einschenken“); darüber, wie er sich syntaktisch in den Zusammenhang fügt, kann nur spekuliert werden. – οπ.[: Die Ergänzung der folgenden beiden Buchstaben zu ὁ παῖϲ („der Diener“, ed. min.) ist aufgrund von 18.3: οἰνο]χόωι ϲὺν παιδὶ („zusammen mit dem Weinschenk“) sinnvoll, aber keineswegs zwingend.

V. 4

]λανθη βυϲϲόθε̣ν̣: Das erhaltene Adverb beschreibt Vorgänge, bei denen etwas ‚aus der Tiefe‘ oder ‚vom Grund her‘ befördert wird. Der Bezugspunkt von βυςςόθεν ist an seiner einzigen vorhellenistischen Belegstelle der Meeresgrund (Soph. Ant. 590), bei Poseidipps Zeitgenossen ebenfalls einmal der Meeresboden (Anyte, AP 7.215.2), aber auch ein Flussbett (Kallim. Del. 127), die Erde (Kallim. iamb. fr. 202 Pfeiffer = 163.59 Asper) und der Grund der Seele (Eratosth. fr. 36.4 Powell). Hier könnte sich βυςςόθεν auf die ‚Vertiefungen‘ des Steinkunstwerks beziehen: entweder auf den Boden des steinernen Gefäßes oder auf die konkaven Formen des gravierten Trinkhorns. Denkbar ist vielleicht, dass das Adverb ein Verb näher bestimmt, das die Aushöhlung bzw. Gravierung des Steins bezeichnet; vgl. z.B. den Vorschlag der Erstherausgeber λᾶαϲ ἐκοι]λάνθη (‚der Stein wurde ausgehöhlt‘), die sich auf den Gebrauch von κοιλαίνειν i. S. v. γλύφειν im zweiten nachchristlichen Jh. bei Iulius Pollux (1.13, vgl. auch 5.149) stützen (ed. pr. 111). – ’Iνδ.[: Die überlieferten Buchstaben deuten darauf hin, dass der Schluss des Epigramms die Herkunft des bearbeiteten Steins offenbart, der anscheinend aus Indien stammt (zum Topos der Herkunftsangabe in den Lithika vgl. die Einl. zur Sektion, S. 22; zum indischen Ursprung vgl. 1.1: ’Ίνδος ‘Υδάςπηϲ̣). Daher erscheint es sinnvoll, die erhaltenen Buchstaben entweder zu einer Form von Ίνδός oder zu einem Kompositum, dessen erster Bestandteil Ίνδο- ist, z.B. Ίνδογενής (‚aus Indien stammend‘), das sich auf das am Anfang des Verses konjizierte λάας (ed. pr., vgl. das Lemma ]λανθη βυϲϲόθε̣ν̣) bezieht, zu ergänzen. Der mutmaßliche Hinweis auf die Herkunft des Steins aus Indien stellt ein weiteres Argument für die Annahme dar, dass dieser ein Amethyst ist (vgl. ed. pr. 111). Denn Plinius weist Indien als bedeutendstes Ursprungsgebiet von Amethyst aus, bevor er andere Fundorte angibt (nat. 120f.). Dass diese Hervorhebung nicht allein die Menge von auffindbarem Amethyst betrifft, sondern auch die Qualität der Steine, zeigt neben der Abwertung der in der Liste zuletzt angeführten Gebiete (sordidissimae autem vilissimaeque in Thaso et Cypro, „die schmutzigsten und wertlosesten aber auf Thasos und Zypern“, 121) v.a. das Bestreben der „Färberwerkstätten“, das „phönizische Purpur“ der indischen Amethyste nachzuahmen (122).

Der Neue Poseidipp

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