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Rekonstruktionsvorschlag

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……ἐ]κκεῖτ[α]ι κέραϲ [εὖ γλυφὲν ἐξ ἀμεθύϲτου

χειρὸϲ ὑ]πὸ Κρονίου βαϲα[

… οἰ]νοχοεῖϲθαι οπ. [

λᾶαϲ ἐκοι]λάνθη βυϲϲόθεν Ἰνδο[γενήϲ

|32|[…] es steht ein Horn hervor, gut geschnitten aus einem Amethyst

von der Hand des Kronios […]

[…] Wein einschenken […]

der indische Stein wurde von Grund auf ausgehöhlt.

Das zweite Gedicht der Lithika ist fast ebenso schlecht erhalten wie das vorangehende. Sein Inhalt kann nicht sicher rekonstruiert werden. Anhaltspunkte für die Deutung der erhaltenen Wörter gibt die charakteristische Motivik der Epigramme 1–15 (vgl. die Einl. zur Sektion, S. 22), auf die Poseidipp vielleicht auch für dieses Gedicht zurückgreift, und insbesondere Epigramm 3, mit dem das vorliegende ein Paar zu bilden scheint. Gemeinsam ist beiden ein symposiastischer Kontext, der hier durch κεραϲ̣ und οἰ]ν̣οχοεîϲθαι impliziert wird. Wahrscheinlich steht mit dem „Trinkhorn“ parallel zur „Trinkschale“, die in 3 beschrieben wird, ein Trinkgefäß im Zentrum des 2. Epigramms. Unklar ist, ob man sich das Trinkhorn als Gebrauchsgegenstand oder als Intagliomotiv vorzustellen hat. Sogar eine dritte Variante (‚Intaglio in Form eines Trinkhorns mit unbekanntem Gravurmotiv‘), die an der Vorstellung eines steinernen Trinkhorns festhält, aber den starken Argumenten für eine Gravur Rechnung trägt, kann nicht ausgeschlossen werden.

Die plausible, aber keineswegs gesicherte Annahme, dass es sich um die Gravur eines Amethysts handelt (Austin 2001a), wird neben dem mutmaßlichen Hinweis auf den indischen Ursprung des Steins v.a. durch ein vermutlich zeitgenössisches symposiastisches Steinepigramm (AP 9.752; Asklepiades?) gestützt, das die personifizierte ‚Trunkenheit‘ als Gravurmotiv eines Amethysts thematisiert:

Εἰμὶ Μέθη τὸ γλύμμα ϲοφῆϲ χερόϲ, ἐν δ’ ἀμεθύϲτῳ

γέγλυμμαι· τέχνηϲ δ’ ἡ λίθοϲ ἀλλοτρίη.

ἀλλὰ Κλεοπάτρηϲ ἱερὸν κτέαρ· ἐν γὰρ ἀνάϲϲηϲ

χειρὶ θεὸν νήφειν καὶ μεθύουϲαν ἔδει. (9.752 = HE 1014–1017)

Ich bin die Trunkenheit, die Gravur einer geschickten Hand; in einen Amethyst bin ich

geschnitten worden: Der Kunst jedoch ist der Stein abgeneigt.

Aber ich bin Kleopatras heiliger Besitz; denn an der Herrscherin

Hand musste die Göttin auch betrunken nüchtern sein.

Ähnlich wie dieses könnte das vorliegende Epigramm das Potential des Amethysts als eines „paradoxen Mediums“ zur Darstellung symposiastischer Inhalte (Sens 2011, 300) nutzen und mit der Spannung zwischen seiner charakteristisch weinähnlichen Farbe und seiner traditionellen, auf Volksetymologie beruhenden Deutung als Schutz vor Trunkenheit (‚A-methyst‘) spielen. Ob das Epigramm wie AP 9.752 eine Besitzerin des gravierten Steins nennt oder sogar wie 3 die Schenkung des Steins an eine Frau imaginiert, geht aus dem Erhaltenen nicht hervor. Denkbar wäre dies nicht nur, weil die besser erhaltenen Gedichte der Lithika bis einschließlich 7 dieses inhaltliche Element erkennen lassen, sondern auch, weil Trinkgefäße typische erotische Geschenke im Rahmen des Symposiums waren und Poseidipp – wie in 3 – auf diese Praxis durch die Darstellung eines Intaglios mit Trinkgefäß-Abbildung rekurrieren könnte. Das Epigramm schließt durch seinen symposiastischen Inhalt nicht nur an das folgende, sondern möglicherweise durch die Behandlung eines Steins indischer Herkunft auch an Epigramm 1 an. Gleich im zweiten Gedicht der Sammlung wird also deutlich, dass wir es mit einer durchdachten Zusammenstellung von Epigrammen zu tun haben.

Der Neue Poseidipp

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