Читать книгу Das große Praxisbuch Ernährungsmedizin - Prof. Dr. rer. nat. Martin Smollich - Страница 19

WIE SIEHT EINE HERZGESUNDE ERNÄHRUNG AUS?

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Die folgenden Punkte zur bestmöglichen Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen beruhen auf den wissenschaftlichen Empfehlungen der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (Piepoli et al., 2016).

Vermeiden Sie Übergewicht! Was ist überhaupt Übergewicht? Und ist das nicht das Gleiche wie Adipositas? Nun, Grundlage für die medizinische Schätzung des Körperfettanteils ist der sog. Body-Mass-Index (BMI, siehe Info >). Das heißt: Von Übergewicht spricht man bei BMI-Werten zwischen 25 und 29,9 kg/m², von Adipositas bei BMI-Werten ab 30 kg/m².

Früher dachte man: Übergewicht ist deshalb schlecht für das Herz, weil die zusätzlichen Kilos als schwere Last mitgeschleppt werden müssen und so das Herz belasten. Heute weiß man: Das Fettgewebe ist nicht einfach Gewicht, sondern es produziert aktiv ein Sammelsurium an Botenstoffen, die direkt die Blutgefäße und die Herzmuskulatur schädigen. Wenn Sie Übergewicht haben, sinkt Ihr Blutdruck pro Kilogramm verlorenem Gewicht um 1 bis 2 mmHg.

Die Vermeidung von Übergewicht ist die wichtigste Grundlage einer herzgesunden Ernährung. Die Empfehlungen für ein herzgesundes Körpergewicht liegen für Menschen unter 60 Jahren bei einem BMI von 20 bis 25 kg/m², für ältere Menschen geringfügig höher. Falls Sie Übergewicht haben, holen Sie sich auf jeden Fall professionelle Unterstützung für die langfristig erfolgreiche Gewichtsreduktion (siehe >).

Auch die Körperfettverteilung ist neben dem BMI wichtig. Dabei unterscheidet man in der Ernährungsmedizin zwischen dem »Apfel-Typ« und dem »Birnen-Typ« (siehe >): Beim Apfel-Typ befindet sich das Fett vor allem im Bauchbereich (sog. Bierbauch), beim Birnen-Typ als Unterhautfett im Po- und Oberschenkelbereich (sog. weibliche Fettverteilung).

Selbst bei identischem BMI führt eine Fettverteilung wie beim Apfel-Typ zu einem deutlich höheren Herzinfarkt-Risiko als beim Birnen-Typ. Ob Sie eher der Apfel- oder der Birnen-Typ sind, kann man nicht nur sehen, sondern auch messen. Liegt Ihr Bauchumfang als Frau über 88 cm bzw. als Mann über 102 cm, sollten Sie dringend eine besonders qualifizierte Ernährungstherapie machen (siehe >).


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Der BMI-Wert

Das Gewicht wird in der Ernährungsmedizin je nach Höhe des BMI-Wertes (in kg/m²) folgendermaßen eingeteilt:

BMI < 18,5: Untergewicht

BMI = 18,5–24,9 Normalgewicht

BMI = 25–29,9 Übergewicht

BMI = 30–34,9 Adipositas Grad I

BMI = 35–39,9 Adipositas Grad II

BMI > 40 Adipositas Grad III

Dabei wird das Körpergewicht ins Verhältnis zur Körpergröße gesetzt. Sie können Ihren eigenen BMI ganz leicht selbst berechnen. Teilen Sie dazu Ihr Körpergewicht (in Kilogramm) durch Ihre Körpergröße (in Metern) zum Quadrat. Soll heißen: Wenn Sie 80 kg wiegen und 1,70 m groß sind, teilen Sie also 80 durch 1,7 x 1,7. In diesem konkreten Fall wäre Ihr BMI-Wert also 27,7. Noch einfacher geht es mit BMI-Rechnern im Internet, z. B. von der Deutschen Adipositas Gesellschaft (Adresse, siehe >).

Achten Sie auf hervorragende Fettqualität, statt die Fettmenge zu reduzieren.

Noch immer denken viele Menschen, Fett wäre grundsätzlich ungesund. Das stimmt nicht. Es gibt keine chemische Substanz, die »Fett« heißt, sondern Fett ist ein Oberbegriff für ernährungsmedizinisch sehr unterschiedliche Substanzen (siehe >). Für die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist es wichtig, Fette und Öle zu wählen, die sich gesundheitlich günstig auswirken. Das ist viel besser als eine insgesamt fettreduzierte Ernährung. Ein gutes Beispiel dafür ist die an Olivenöl reiche mediterrane Ernährung (siehe >).

 Machen Sie Lebensmittel mit vielen ungesättigten Fettsäuren (siehe >) zu Ihren wichtigsten Fettquellen. Die besten Quellen für einfach ungesättigte Fettsäuren sind Olivenöl, Rapsöl und Nüsse, für mehrfach ungesättigte Fettsäuren fetter Seefisch (Wildlachs, Makrele, Hering), Leinöl und Hanföl. Eine ökologisch bessere Alternative zu Seefisch ist Algenöl.

 Begrenzen Sie Lebensmittel mit einem hohen Anteil an gesättigten Fettsäuren, denn sie wirken sich tendenziell ungünstig auf die Gesundheit aus. Hauptlieferanten gesättigter Fettsäuren sind tierische Lebensmittel (Fleisch/Wurst, Schmalz, Käse/Sahne). Die einzigen pflanzlichen Lebensmittel mit sehr hohem Gehalt an gesättigten Fettsäuren sind Kokosfett und Palmöl. Auch hochverarbeitete Fertiglebensmittel enthalten oft viele gesättigte Fettsäuren. Ersetzen Sie also diese Lebensmittel durch die auf > genannten Lebensmittel, die reich an ungesättigten Fettsäuren sind.

 Vermeiden Sie Lebensmittel mit Transfettsäuren. Transfettsäuren (TFA) finden Sie nicht nur in Milchprodukten und Rindfleisch, sondern vor allem in Chips und Crackern. Ob ein Lebensmittel TFA enthält, muss auf der Packung nicht angegeben werden. Ein indirekter Hinweis darauf in der Zutatenliste ist aber die Angabe »gehärtete Fette«. TFA erhöhen das Risiko für Atherosklerose (»Gefäßverkalkung«). Bei den TFA gilt ganz klar: je weniger, desto besser für Ihr Herz. Verzichten Sie möglichst vollständig auf Junkfood, essen Sie möglichst wenig industriell verarbeitetes Fleisch und ersetzen Sie tierische Fette durch hochwertige pflanzliche Öle wie Olivenöl, Rapsöl, Leinöl oder Walnussöl.

 Cholesterinarme Ernährung? Nicht unbedingt erforderlich. Anders als früher gedacht, wird der Cholesterinwert im Blut nur sehr wenig vom Cholesteringehalt unserer Nahrung beeinflusst. »Eier sind ungesund« – das kann man hinsichtlich ihres Herz-Kreislauf-Effekts nicht mehr sagen.


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Steinsalz oder Meersalz?

Klassisches »Steinsalz« aus unterirdischen Salzlagerstätten ist im Vergleich zu teurem Meersalz die bessere Wahl, da es anders als Meersalz sehr rein und nicht mit Mikroplastik aus dem Meerwasser verunreinigt ist.

Achten Sie darauf, mit Jod angereichertes Salz zu verwenden!

Würzen statt salzen!

Die Menge der Kochsalzzufuhr wirkt sich bei den meisten Menschen auf den Blutdruck aus – je mehr Kochsalz, desto höher der Blutdruck. Außerdem erhöht sich mit steigender Kochsalzzufuhr auch das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und Sterblichkeit insgesamt. Weltweit empfehlen Fachgesellschaften deshalb, den Kochsalz-Konsum auf 4 bis 6 g pro Tag zu begrenzen – das entspricht einem gestrichenen Teelöffel Salz. Die durchschnittliche Salzaufnahme in Deutschland liegt dagegen bei 8,4 g/Tag (Frauen) bzw. 10 g/Tag (Männer).

Die meisten denken beim Stichwort »Salz« sofort an das Salzen des Frühstückseis oder das Nachsalzen der Suppe. Fakt ist aber: 80 Prozent (!) unseres gesamten Kochsalzes nehmen wir durch den Verzehr von Fertiglebensmitteln auf. Mit den folgenden Maßnahmen können Sie Ihre Kochsalz-Zufuhr im Alltag erfolgreich senken:

 Vermeiden Sie hochverarbeitete Lebensmittel – kochen Sie möglichst oft selbst (siehe >)!

 Beachten Sie bei Fertiglebensmitteln den NutriScore® (Nährwertkennzeichnung)! Darin ist auch der Salzgehalt mit einberechnet.

 Falls Sie Mineralwasser trinken: Wechseln Sie auf natriumarmes Mineralwasser. Natriumarm bedeutet arm an Kochsalz. Derartige Mineralwässer sind mit dem Hinweis »Für die Zubereitung von Säuglingsnahrung geeignet« versehen.

 Verwenden Sie viel frische Kräuter (auch TK-Kräuter sind frisch)! Dadurch können Sie sehr gut auf Nachsalzen verzichten, ohne dass das Essen fad schmeckt.

 Reduzieren Sie Ihre Kochsalzverwendung nur langsam. Eine kurzfristige Salzreduktion werden Sie aufgrund des dann wahrgenommenen vermeintlichen Geschmacksverlustes nicht länger als ein paar Tage durchhalten. Stattdessen ist es besser, die Salzmenge beim Kochen und beim Nachsalzen ganz langsam über Monate zu reduzieren. Dadurch erholt sich die eigene natürliche Geschmackswahrnehmung.


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Blutdruck-Salz

Dies ist eine relativ neue Entwicklung. Während normales Kochsalz chemisch gesehen aus Natriumchlorid (NaCl) besteht, wird hier Kaliumchlorid (KCl) verwendet. Tatsächlich kann der Blutdruck durch den Wechsel von Natriumchlorid auf Kaliumchlorid geringfügig sinken. Ob sich das auch positiv auf das Risiko von Herzinfarkten und Schlaganfällen auswirkt, ist bislang wissenschaftlich nicht bewiesen.

Der blutdrucksenkende Effekt von Kaliumchlorid geht auf das enthaltene Kalium zurück – die beste Quelle für diesen Mineralstoff sind ohnehin Gemüse und Obst.

Die Kraft der Ballaststoffe nutzen

Ballaststoffe sind Nahrungsbestandteile, die in unserem Darm nicht aufgespalten und aufgenommen werden (siehe Info >). Dazu gehören Vollkorn, Gemüse, Obst oder Nüsse. Eine ballaststoffreiche Ernährung schützt nicht nur vor Darmkrebs, sondern auch vor Herz-Kreislauf-Krankheiten (siehe Info >). Ballaststoffe binden im Darm Gallensäuren und Cholesterin, wodurch der Cholesterinspiegel im Blut sinkt. Besonders wirksam sind die Ballaststoffe des Hafers, die neben den Blutfettwerten sogar den Blutdruck senken können. Ballaststoffreiche Lebensmittel sehen Sie auf >.

Da tierische Lebensmittel keine Ballaststoffe enthalten, sind pflanzliche Lebensmittel und Pilze die beste Grundlage einer herzgesunden Ernährung. Essen Sie Gemüse und Obst mit Schale, wählen Sie bei Brot und Nudeln die Vollkornvarianten, und machen Sie Hülsenfrüchte wie Linsen, Bohnen und Erbsen zu einem regelmäßigen Bestandteil Ihres Speiseplans. Ein niedriger Gemüse-Verzehr ist ungefähr für die Hälfte des Schlaganfallrisikos verantwortlich, das Sie selbst beeinflussen können. Hierbei gibt es sogar eine sogenannte lineare Dosis-Wirkung-Beziehung. Das heißt: Je mehr Gemüse Sie essen, desto stärker sinkt Ihr Schlaganfallrisiko.

Im Jahr 2020 wurde in einer Auswertung der EPIC-Studie von Forschern der Universität Oxford untersucht, wie stark der Schutzeffekt von Gemüse hinsichtlich des Schlaganfallrisikos ist. Dazu analysierten sie die Daten von über 400 000 Menschen. Das Ergebnis: Schon eine Portion von 200 g Gemüse pro Tag reduzierte das Schlaganfallrisiko um 13 Prozent, die zusätzliche Zufuhr von 10 g Ballaststoffen pro Tag sogar um 23 Prozent. Allein dadurch, dass Sie morgens ein Müsli mit Haferflocken und mittags eine Portion Gemüse essen, senken Sie Ihr Schlaganfallrisiko also um über ein Drittel! Ist das keine Motivation? Ihre Grundregel sollte ab sofort sein: Mindestens die Hälfte jeder Mahlzeit besteht aus Gemüse – der Gesundheitsvorteil ist enorm.

Obst eignet sich sehr gut als Alternative zu Süßigkeiten, wenn Sie der Süßhunger packt. Es stimmt zwar: Sie sollten mehr Gemüse als Obst essen. Aber lassen Sie sich keine Angst vor Obst machen, weil es Fruchtzucker (Fruktose) enthält. Erstens ist es immer noch besser, einen Apfel als einen Schokoriegel zu essen. Zweitens kommt der Fruchtzucker im Obst gemeinsam mit vielen anderen Inhaltsstoffen als gesundes Gesamtpaket daher – das gleicht die gesundheitlichen Nachteile der Fruktose mehr als aus.

Ungesalzene Nüsse (Walnüsse, Mandeln):

Sie sind ein idealer täglicher Snack, denn sie enthalten neben vielen Ballaststoffen auch viel Protein und sehr gute Fettsäuren. 2017 veröffentlichte ein Team des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) eine Analyse über alle Studien zum Zusammenhang von Nussverzehr und Herz-Kreislauf-Gesundheit, die zwischen 1966 und 2016 durchgeführt wurden. Dabei zeigten sie, dass der tägliche Nussverzehr mit besserer Herz-Kreislauf-Gesundheit, weniger Bluthochdruck und geringeren Cholesterinwerten im Blut verbunden ist. Deshalb empfiehlt u. a. auch die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC), pro Tag mindestens 30 g Nüsse zu essen.

Fetter Seefisch?

Unzählige Studien der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass Menschen, die regelmäßig Fisch essen, ein niedrigeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben als Menschen, die nie Fisch essen. Wenn Sie nun ab sofort Fischstäbchen und Fish & Chips vermehrt essen möchten, muss ich Sie leider enttäuschen: Eine 2018 an der Universität Teheran durchgeführte Auswertung von 14 Studien mit über 900 000 Teilnehmern kam nämlich zu dem Ergebnis, dass der positive Effekt des regelmäßigen Fischverzehrs wesentlich von der Zubereitungsart abhängt. Für die typisch »westlichen« Zubereitungsarten wie Panieren und Frittieren zeigte sich – wenig überraschend – kein Gesundheitsvorteil. Besser ist also das im Ofen gegarte Wildlachsfilet im Gemüsebett.


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Wie viel Alkohol?

Wenn man alle widersprüchlichen Effekte miteinander verrechnet, kommt man zu einem Grenzwert von ungefähr 100 g Alkohol pro Woche, ab dem nicht nur das Herz-Kreislauf-Risiko, sondern auch die Sterblichkeit insgesamt stark ansteigt. 100 g Alkohol pro Woche ist also die ernährungsmedizinische Obergrenze. Das entspricht (pro Woche):

 8 Gläsern Bier (à 0,3 l) oder

 5 Gläsern Weizenbier (à 0,5 l) oder

 7 kleinen Gläsern Wein (à 0,15 l)

Rotwein ist nicht gut für das Herz.

Sicherlich kennen Sie die Geschichte, dass mäßiger Alkoholkonsum gut für die Herzgesundheit sein soll. Das klingt zwar schön, ist aber nichts weiter als eine Legende.

Alkohol erhöht nicht nur das Krebsrisiko (siehe Info >), sondern auch das Risiko für koronare Herzkrankheit, Herzversagen, Herzrhythmusstörungen und Schlaganfall. Anfang 2021 zeigten Forscher des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) unter Leitung der Herzforscherin Prof. Renate Schnabel mit einer Analyse der Trinkgewohnheiten von über 100 000 Menschen, dass schon ein einziges alkoholisches Getränk pro Tag das Risiko für Vorhofflimmern um 16 Prozent erhöht. Vorhofflimmern ist in Deutschland die häufigste bedeutsame Herzrhythmusstörung, die zu Schlaganfällen und vorzeitigem Tod führen kann.

Doch weshalb hört man immer wieder, Studien hätten gezeigt, dass Alkohol gut wäre für das Herz? Es kommt darauf an, was genau sich die Wissenschaftler angesehen haben: Tatsächlich sinkt bei mäßigem Alkoholkonsum das Risiko für Herzinfarkte, aber gleichzeitig steigt das Risiko für Herzversagen, Schlaganfall und tödliche Blutgefäßrisse. Das heißt: Die Risikosenkung für einen Herzinfarkt wird durch eine Risikoerhöhung für einen Schlaganfall erkauft. Das ist ein ziemlich schlechter Deal. Finden Sie nicht auch?

Übrigens: Die Art des Alkohols spielt keine Rolle. Rotwein ist nicht »gesünder« als Weißwein oder Bier. Der beste Alkohol für Ihr Herz ist der, den Sie nicht trinken.

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