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Warum Sie hochverarbeitete Lebensmittel meiden sollten

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Möglicherweise haben Sie schon einmal von »hochverarbeiteten Lebensmitteln« gehört. Doch was steckt dahinter – und warum sollten Sie diese Lebensmittel meiden, wann immer es geht?

In der Ernährungswissenschaft unterscheidet man verschiedene Lebensmittelgruppen, z. B. »Milchprodukte« oder »Getreideprodukte«. Allerdings ist diese Einteilung ernährungsmedizinisch wenig sinnvoll: Ein Fruchtjoghurt mit Schokoladenperlen, künstlichen Farbstoffen, Aromen und Konservierungsmitteln ist ebenso ein »Milchprodukt« wie ein zusatzstofffreier Bio-Naturjoghurt, doch die Gesundheitseffekte beider Produkte sind extrem unterschiedlich. Das Gleiche gilt z. B. auch für Fleischwaren (Rindersteak vs. Chicken Nuggets) oder Frühstückscerealien (Vollkorngetreide vs. Schoko-Cornflakes).

Verarbeitungsgrad der Lebensmittel

Viel entscheidender für die gesundheitlichen Wirkungen als die Zugehörigkeit zu einer Lebensmittelgruppe ist vermutlich der Verarbeitungsgrad der Lebensmittel. Zur Einteilung dient die sog. NOVA-Klassifikation (Monteiro et al., 2019):

Gruppe 1: unverarbeitete Lebensmittel (z. B. Wasser, Rohkost, Eier, Milch, Nüsse, Samen, Algen) und minimal verarbeitete Lebensmittel (Verarbeitung durch Kochen, Einfrieren, Zerkleinern, Trocknen)

Gruppe 2: verarbeitete Zutaten (werden nicht pur verzehrt, z. B. Pflanzenöle, Butter, Mehl, Zucker, Salz)

Gruppe 3: verarbeitete Lebensmittel (gemeinsame Verarbeitung aus den Gruppen 1 und 2, z. B. frisches Brot, Fischkonserven)

Gruppe 4: hochverarbeitete Lebensmittel (chemisch veränderte Inhaltsstoffe und Verwendung von Zusatzstoffen wie künstliche Aromen, Süßstoffe, Farb- und Konservierungsmittel, z. B. Softdrinks, Chips, Fertigprodukte)

Hochverarbeitete Lebensmittel erkennen

Dazu müssen Sie kein Lebensmittelchemiker sein: Typische Signalwörter in der Zutatenliste sind Aromen, Farbstoffe, Konservierungsmittel, Stabilisatoren und Geschmacksverstärker. Wenn die Zutatenliste Ihres Joghurts also ähnlich unverständlich ist wie die Ihrer Tagescreme, dann können Sie ziemlich sicher sein, ein hochverarbeitetes Lebensmittel vor sich zu haben.

In der ursprünglichen, artgerechten Ernährung des Menschen kommen hochverarbeitete Lebensmittel nicht vor. Dort auf der Welt, wo die meisten Hundertjährigen leben, ist das auch heute noch so. In der westlichen Ernährung dagegen machen hochverarbeitete Lebensmittel mehr als die Hälfte der gesamten Energiezufuhr aus.


Je mehr Zusatzstoffe ein Lebensmittel enthält, desto vorsichtiger sollten Sie sein.

Folgen von hochverarbeiteten Lebensmitteln

Wenn Sie jetzt vermuten, dass mit dem Verzehr von hochverarbeiteten Lebensmitteln das Risiko für Übergewicht steigt, dann stimmt das – es kommt aber noch viel schlimmer. In der größten bisher veröffentlichten Analyse zu hochverarbeiteten Lebensmitteln wertete das Team um Tetyana Rocks von der Deakin University (Victoria, Australien) 43 Einzelstudien mit 891 000 Teilnehmern aus. Das Anfang 2021 veröffentlichte Ergebnis ist dramatisch: Erwartungsgemäß steigt mit dem Verzehr hochverarbeiteter Lebensmittel das Risiko für Übergewicht, Adipositas und metabolisches Syndrom an, doch außerdem kommt es zu einem drastischen Risikoanstieg für Depressionen, Herz-Kreislauf-Krankheiten, Reizdarm-Syndrom, Gebrechlichkeit im Alter, Krebs und vorzeitigen Tod.

Vermutlich liegt der Grund für die ungünstigen Effekte weniger in den synthetischen Zusatzstoffen, als vielmehr darin, was diese hochverarbeiteten Lebensmittel nicht enthalten: Ballaststoffe, Proteine und sekundäre Pflanzenstoffe. Durch die fehlenden Ballaststoffe haben unsere »guten« Darmbakterien keine Nahrung mehr, sodass sich schädliche Darmbakterien ausbreiten, entzündliche Prozesse zunehmen und die Darmschleimhaut geschädigt wird (siehe Info >). Durch das fehlende Protein gibt es kein Sättigungsgefühl, weshalb wir viel zu viel Kalorien und Zucker zu uns nehmen (siehe > f.). Und durch die fehlenden sekundären Pflanzenstoffe fehlt uns deren gesundheitsförderliche Wirkung (siehe >). Zudem gibt es Hinweise darauf, dass Zusatzstoffe wie Carboxymethylcellulose die Darmschleimhaut nachhaltig schädigen können.

Die ernährungsmedizinische Empfehlung ist also eindeutig: Vermeiden Sie hochverarbeitete Lebensmittel, wo immer es geht. Kochen Sie selbst mit frischen Zutaten (auch TK-Gemüse ist frisch!). Als Faustregel für den Supermarkt gilt: Kaufen Sie keine Lebensmittel, deren Zutaten Sie nicht selbst zu Hause haben. Damit fliegen Lebensmittel mit Carboxymethylcellulose, Saccharin oder Titandioxid automatisch raus …

Das große Praxisbuch Ernährungsmedizin

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