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4.5 Translation quality assessment (HouseHouse)
ОглавлениеAufbauend auf CATFORDS grammatischen Strukturen hat Juliane HOUSEHouse zunächst 1977 ein sehr detailliertes Modell zur wissenschaftlich begründeten Übersetzungskritik vorgelegt. Dieses Modell wurde nach zwanzig Jahren noch einmal erläutert und in bestimmten Teilen ergänzt, wobei auch kritische Anregungen aufgenommen wurden (HOUSE 1997). Ziel dieses Ansatzes ist es, ein Instrumentarium zu entwickeln, mit dem Texte und Übersetzungen in allen linguistischen Einzelheiten miteinander verglichen und somit deren Äquivalenzstatus bestimmt werden kann. Daraus könnten sich dann auch Möglichkeiten der Operationalisierung von „Übersetzungsregeln“ im Sinne einer deskriptiven Darstellung übersetzerisch adäquater Reaktion auf Ausgangstextstrukturen ergeben. Zu diesem Zweck wurde das Modell auch an einem KorpusKorpus verschiedener Textsorten erprobt.
Ziel des Übersetzens ist „the replacement of a text in the source language by a semantically and pragmatically equivalent text in the target language“ (HOUSE 1997:31), wie auch CATFORD das sah (s. Kap. 4.4).
HOUSEHouse beruft sich ausdrücklich auf M.A.K. HALLIDAYS systemisch-funktionale Theorie, auf die Diskursanalyse sowie auf Einsichten der Prager linguistischen Schule (HOUSE 1997:29).
Die Idee von HALLIDAYHalliday (1987) kann man so zusammenfassen (vgl. PRUNČPrunč 2007:179f): In den 1960er Jahren hatte HALLIDAY seine Systemic Functional Grammar (SFG) entwickelt, die ein sehr komplexes analytisches und terminologisches Inventar für die Beschreibung von Texten als verbale Interaktion anbot. Mit Hilfe von Sprache interpretiere der Mensch die Welt für sich selbst und (re)präsentiere seine Welt gegenüber den Anderen. Die wichtigsten Parameter, durch die Sinn und Bedeutung eines Gesprächs bestimmt werden, sind: field of discourse (was geschieht, worüber wird gesprochen), tenor of discourse (welche Beziehung wird zwischen den Kommunizierenden signalisiert) und mode of discourse (in welchem Medium, welcher Form, mit welchem Code wird kommuniziert). – Diesen Parametern werden sprachliche Metafunktionen zugeordnet, durch welche die Diskurssemantik eines Textes bestimmt wird: die ideationale Metafunktion (Bezüge zum Feld), die interpersonale Metafunktion (Bezüge zu den Partnern), die textuelle Metafunktion (Textkonstitution). Diese drei Registervariablen werden durch konkrete lexiko-grammatische Strukturen realisiert: die ideationale Metafunktion durch verschiedene Formen der Transitivität, die interpersonale Metafunktion durch Modalität, und die textuelle Metafunktion durch die Informationsstruktur, die aus dem thematischen Aufbau und der Kohäsion des Textes ablesbar ist. Eine grammatische Metaphorisierung als Ausdrucksvariante wird zum Beispiel auch gesehen in der Nominalisierung von Aussagen, welche dieselben unpersönlicher werden lassen. HOUSE hat mit Hilfe der SFG ein Modell der Qualitätsbeschreibung von Übersetzungen entworfen.
Ausgangspunkt ist die geforderte „Äquivalenz“ zwischen AT und ZT: „translation is constituted by a ‚double-binding’ relationship both to its source and to the communicative conditions of the receiving linguaculture, and it is the concept of equivalence which catches this relationship“ (HOUSE 1997:29). Zentrale Grundbegriffe sind die „overt translation“ und die „covert translation“:
In overt translation, the function of the translation is to enable its readers access to the function of the original in its original linguacultural setting through another language. This means, that there can be no simple functional equivalence, rather a type of „second level“ function must be posited, which allows the translation receptor a view of the original through a foreign langue while clearly operating in a different discourse world. By contrast, the function of a covert translation is to imitate the original's function in a different discourse frame (…). One of the means of achieving this functional equivalence is through the employment of a cultural filter, with which shifts and changes along various pragmatic parameters (…) are conducted. Note that this crucial distinction into overt and covert translation is a cline, not an „either-or“ dichotomy.
Diese Unterscheidung läuft darauf hinaus, dass Texte mit einem gewissen Status in der Ausgangskultur, wie z.B. historisch gebundene politische Reden, zeitbezogene Kalendergeschichten, das Original einer Predigt usw., wegen ihrer ausgangskulturellen Bedeutung in der Übersetzung so genau wie möglich nachgezeichnet werden müssten und dann natürlich verfremdend wirken (overt translation). Demgegenüber können Übersetzungen von Texten, die in beiden Bereichen den Status eines Originals genießen, wie z.B. ein wissenschaftlicher Text, ein populärwissenschaftlicher Zeitungsartikel oder eine Tourismusbroschüre, so übersetzt werden, dass man ihnen das Übersetztsein nicht ansieht (covert translation). Der kulturelle Filter erlaubt dabei Textveränderungen, die trotz gleicher Textfunktion aufgrund der zielkulturellen und sprachlichen Unterschiede geboten sind. Wenn dagegen in einer solchen Übersetzung Veränderungen eingebracht werden, die nicht mehr mit dem „cultural filter“ begründet werden können, dann wird diese zu einer „Version“, einer Bearbeitung.
Um nun eine Übersetzung in ihrem Äquivalenzgrad genau messen zu können, wird ein wissenschaftliches Instrumentarium entwickelt. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen „functions of language“ und „function of text“. Dazu werden zwei Kategorien gebildet (HOUSE 1997:39):
A. Dimensions of Language User | B. Dimensions of Language Use |
1. Geographical origin2. Social class3. Time | 1. Medium: simple/complex2. Participation: simple/complex3. Social role relationship4. Social attitude5. Province |
Mit Textfunktion ist der Gebrauch des Textes in einem bestimmten Situationskontext gemeint (HOUSEHouse 1997:36). Um diesen zu bestimmen, muss das „textuelle Profil“ erstellt werden, welches aus einer systemischen linguistisch-pragmatischen Analyse der Sprachfunktionen des Textes in seinem Situationskontext resultiert.
Nach diesen Kategorien werden Ausgangs- und Übersetzungstext beschrieben, sodass der Grad der Übereinstimmung feststellbar wird. Die Funktion eines Textes kann dann als Summe von dessen Sprachmaterial im Sinn der genannten Dimensionen aufgefasst werden, und die Übersetzungskritik stellt den Übereinstimmungsgrad in den Korrelationen mit dem AS-Textprofil fest. Um die deskriptive Kraft des Modells aufzuzeigen, wird jeder Aspekt in der Analyse mit Symbolen wie [+/–human], [+/–abstract] usw. dargestellt. Auch Stilebenen und soziale Sprecherrollen werden berücksichtigt, denn all dies spiegelt sich auf der Textebene.
Zu einem Text aus der Handelskorrespondenz, nämlich dem Rundschreiben eines Firmenvorstands an die Aktionäre, was eine „covert translation“ bedingt, wird das Modell durchgespielt, wobei die Sätze durchnummeriert sind. Aus Platzgründen kann dies hier nicht vollständig wiedergegeben werden (HOUSEHouse 1997:49ff), doch soll ein kleiner Einblick die Vorgehensweise aufzeigen:
Analysis of ST and Statement of Function
Dimensions of language user:
(1) Geographical origin: non-marked, Standard American English
(2) Social Class: non-marked, Educated Middle Class
(3) Time: non-marked, contemporary American English
Dimensions of langue use:
(1) Medium: simple: written to be read, as realized by the following linguistic means:
syntactic means:
a. absence of elliptical clauses, contractions, contact parentheses and comment parentheses, and many kinds of spoken language signals such as well, you see, you know, etc.
b. placing of expanded subordinate clauses of purpose before the main clause: this is a focussing device typical of the written mode (…),
c. presence of expanded postnominal modification resulting in the separation of the head of the subject noun phrase and the corresponding finite verb (…).
lexical means:
a. absence of qualifying modal adverbials, interjections, and other subjectivity markers typical of the spoken mode.
textual means:
a. The text is predominantly emic. There are a few pronominal references to the addresser and the addressees (…),
b. lack of relations resulting in a lack of redundancy,
c. frequent use of passivization as a typically „written“ means of complex syntactic linkages for text-constitutive purposes (…).
(2) Participation: complex: monologue with addressees being directly addressed and given instructions. (..)
syntactic means:
a. presence of second person personal and possessive pronouns for direct address (…),
b. presence of requests put to the addressees through the use of the verb required in the passive, modal auxiliaries of obligation, and the mandative subjunctive new in a that-clause;
c. absence of interrogative sentences. (…)
(3) Social Role Relationship:
Asymmetrical role relation: addresser has de facto economic authority over the addressees.
Position role of addresser: president of an international financing company, of which the addressees are shareholders. (…)
syntactic means:
a. use of second person singular personal pronouns you and passive pronoun your in a specific way, i.e., for addressing corporate members not „persons“ as such (…),
b. use of the fist person plural personal pronoun we to refer to the addresser or the company or the Board of Directors (…),
c. frequency of impersonal constructions using impersonal it and existential there as well as passives: the use of these devices is indicative of a desire on the part of the addresser to be cautious and „hedgy“ and to avoid specifying a causer or *agent. (…),
d. preponderance of [-human] subject noun phrases adding to the impersonal character of the text,
e. use of subjunctive in a that-clause (…). This is marked choice in English.
textual means:
a. deliberate attempt to underplay the role of I.O.S. (the company) through putting I.O.S. in non-focussed position in prepositional phrases,
b. deliberate overall organization of the text such that the addressees are first being presented with the change as a fait accompli and its many positive sides, and that they are only later being given the reason for the change.
(4) Social Attitude
Consistent with the impersonal, distant relationship as outlined above, (…) it is a formal one:
syntactic means:
a. frequency of complex noun phrases showing both multiple personification, post modification, and continuous modification which add to the text’s abstractness and impersonality. (…),
b. deletion of conjunction if plus subject-auxiliary inversion (…),
c. completeness of clauses, absence of contractions (…),
d. frequency of impersonal constructions using it, there, and passives; preponderance of [-human] subject noun phrases, use of subjunctive in a that-clause (…).
lexical means:
a. presence of words and phrases marked [+formal] due to their restricted use in impersonal situations: declared, payable on and after, expedite yours (…),
b. absence of interjections, qualifying modal adverbials and other subjectivity markers.
textual means:
a. frequent use of passivization as a means of complex syntactic linkage specifically for preserving theme-rheme sequence,
(5) Province
Commercial financial circular letter issued by the president of an international financing company to the company’s shareholders. In this letter, the shareholders are being informed about changes in the set-up of the company. (…)
lexical means:
a. use of precise technical terminology, i.e. special commercio-financial lexical items and collocations, e.g. pro-rata, dividend, holding company …
b. presence of phrases which precisely define the information given or explicitly state conceivable alternatives: on and after December 20, to all shareholders of record …
c. absence of foregrounding words …
textual means:
presence of strong textual cohesion due to the employment of several mechanisms of theme-dynamics and clausal linkage:
theme-dynamics:
a. repetition of lexical items (…),
b. frequency of anaphoric referencing by means of pro-forms for nouns phrases, adverbials, predicates, clauses or sentences …
c. organization of thematic movement in sequences of theme-rheme to insure given-new ordering.
clausal linkage
achieved through logical connectors – of course, since, that is, as a result of, therefore.
Statement of Function
The function of the text consisting of the two components – ideational and interpersonal – may be summed up in the following way: the addresser’s intention is (a) to inform the addressees of a collection of facts as precisely and efficiently as possible and to request action; (b) to establish a positive rapport with the addressees, to convince and reassure them of the appropriateness and advantages of certain moves by the company (…).
This summary statement of the text’s function has been described by an examination of the ways in which the dimensions are marked in this text, and the manner in which they contribute to the two functional components. (…)
Die Übersetzung wird nun wiederum Punkt für Punkt mit dem Ausgangstext verglichen und es kann festgestellt werden, dass sie in vielen Punkten von diesem abweicht, sodass ihre Äquivalenz nicht zureichend ist.
Dieses System hat wissenschaftlichen Anspruch, doch in der konkreten Durchführung zeigen sich sehr viele Wiederholungen, weil natürlich die einzelnen Textaspekte immer auf ihre Weise und mehrfach zur Bedeutung des Ganzen beitragen. Für ein praktisches Übersetzen in der realen Welt wäre dieses Modell wohl kaum verwendbar. Und HOUSEHouse gibt auch selbst zu, dass die Durchführung vor allem auch der Überprüfung der Hypothese über die Möglichkeit solcher empirischer Forschung an einem KorpusKorpus dienen sollte (1997:111).