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Ruhe im Karton

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Nach anfänglichen Schlafstörungen wurde die allabendliche Musik-Beschallung aus meinem Nachbarzimmer, von dem mich nur eine recht dünne Wand aus Gipskarton trennte, mit der Zeit zur lieben Gewohnheit. Zum Schluss konnte ich selbst bei dem lautesten Partylärm ein- und durchschlafen.

Bis es allerdings eines Nachts auch mir zu bunt wurde: Mitten in der Nacht wurde ich wach und stellte fest, dass vom Wohnheimflur her eine wirklich ohrenbetäubende Krachmusik in mein Zimmer drang. Als ich den Kopf schlaftrunken aus der Tür steckte und mich umsah, stellte ich fest, dass mein Nachbar seine mit voller Lautstärke spielende Musikanlage mitten auf den Flur gestellt hatte – vor seine und damit auch direkt neben meine eigene Zimmertür. Dazu drang aus der offenen Tür des Nebenzimmers lustiges Palaver an meine schlaftrunkenen Ohren.

Dieser nächtliche Lärm war mir dann irgendwie doch zu viel. Ich überlegte, was ich tun sollte. Statt lange und höchstwahrscheinlich ergebnislose Diskussionen mit den schon ziemlich angeheiterten Gästen zu führen, erschien es mir am einfachsten, direkt zum zentralen Sicherungskasten zu gehen und der Krachmusik „den Saft“ abzudrehen. Ein Gedanke, den ich umgehend in die Tat umsetzte: Im Schlafanzug stapfte ich tapfer und unbeirrbar an der lauten Musik und der offenen Nachbartür vorbei bis ans Ende des dunklen Flurs, öffnete den Sicherungskasten und legte den Schalter um. Sofort herrschte gespenstische Stille auf dem Flur, und ich vernahm nur noch das fröhliche Lachen der Partygäste.

Nach dieser gewalttätigen Aktion legte ich mich wieder ins Bett, starrte minutenlang an die dunkle Zimmerdecke und konnte bei der ungewohnten Stille nun erst recht nicht mehr einschlafen. Also quälte ich mich wohl oder übel wieder aus dem Bett und mischte mich unter die Feiernden im Nachbarzimmer – immer noch müde und immer noch mit meinem langweilig blau-weiß gestreiften Schlafanzug angetan.

Das Zimmer, in dem mein Nachbar hauste, war nicht sehr groß: Bett, Sofa, ein Tisch, ein kleiner Schrank und ein paar Stühle füllten die privat vermietete Studentenbude vollkommen aus. Überall saßen Partygäste herum – auf dem Bett, auf den Stühlen und sogar auf dem Fußboden. Es wurde gelacht, geraucht, geredet und getrunken. Die Stimmung war entspannt und ausgelassen. Mein fröhlicher und erstaunlich trinkfester Nachbar thronte gut gelaunt mit zwei heißen Bräuten im Arm auf dem Sofa und schien hoch erfreut über meinen unerwarteten Besuch zu sein. Schnell kamen wir ins Gespräch, und ich wunderte mich, dass keinen der anwesenden Gäste das Fehlen der lauten Partymusik zu stören schien.

Irgendwann traute ich mich zu fragen, was den eigentlich mit der Musik sein? Ob es denn keinem aufgefallen sei, dass sie so plötzlich ausgegangen sei. Ja, meinten einige Gäste, sie hätten sich schon gewundert, warum es mit einem Mal so leise gewesen sei!

Warum die Musikanlage denn nicht hier im Zimmer, sondern draußen auf dem Flur stehen würde, fragte ich weiter. „Oha!“, kam es zurück: Im Zimmer sei die Musik doch einfach viel zu laut gewesen. Da habe man die ganze Anlage einfach vor die Tür gestellt. Und überhaupt: So wie’s jetzt wäre – ganz ohne Musik, da wäre es doch eigentlich viel, viel schöner!

Dieser weisen Einsicht, Ergebnis einer absolut lückenlosen logischen Beweiskette, konnte ich nur aufs Höchste erfreut zustimmen. Irgendwann in dieser Nacht bin ich dann wohl doch noch zum Schlafen gekommen…

Wir haben alle mal klein angefangen

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