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Der Geisterfahrer

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Verglichen mit Kerstin waren vier autofahrende Studenten am Ende doch wesentlich schlauer, obwohl sie sich zunächst ganz fürchterlich dumm anstellten: Auch sie waren nach einer fröhlichen Zecherei angeheitert auf dem Heimweg, als plötzlich ein Polizeifahrzeug im Rückspiegel auftauchte.

„Mensch gib’ Gas: Das sind die Bullen!“, rief einer der Studenten, der hinten saß und durch die Heckscheibe sehen konnte, wie die „grüne Minna“ immer dichter an ihr Fahrzeug herankam. Der hinter dem Steuer sitzende Student ließ sich nicht lange bitten und machte sich daran, mit der Polizei um die Wette zu fahren. Prompt gingen hinter ihnen Blaulicht und Martinshorn an, und die wilde Hatz begann.

Unglaublich aber wahr, ungeachtet des nicht unerheblichen Alkoholpegels gelang es dem jugendlich-unbekümmerten Fahrer, durch einen äußerst riskanten und rasanten Fahrstil Boden gegen die Polizei gut zu machen. Von den Rücksitzen her kamen wilde Anfeuerungsrufe:

„Los, Manni, fahr zu!”, „Schneller, schneller, du schaffst es!”

Der Motor heulte, die Reifen quietschen, das Auto konnte die Spur kaum halten, und fast sah es so aus, als ob die Flucht gelingen würde. Der Abstand zu dem Polizeifahrzeug wurde immer größer und größer. Bald waren die „Bullen“ ganz außer Sichtweite.

Da passierte das Unerwartete: Ohne irgendeine Vorwarnung tauchte hinter einer scharfen Kurve eine große Baustelle auf. Zum Ausweichen war es viel zu spät. Trotz sofortiger Vollbremsung rauschte das Fluchtauto mit vollem Karacho in die Absperrung und blieb im losen Schotter der ihrer Teerdecke beraubten Straße stecken. Eine große Staubwolke vernebelte den studentischen Ausreißern die Sicht.

Ob’s volle Absicht war oder nur glückliche Fügung – ich war damals nicht mit von der Partie und kann es daher nicht mit letzter Bestimmtheit sagen: Alle drei Beifahrer saßen auf der Rücksitzbank, der Vordersitz neben dem Fahrer war deshalb unbesetzt. Geistesgegenwärtig rutschte unser unglücklicher Bruchpilot schnell über Mittelkonsole und Schalthebel auf den Beifahrersitz, im selben Moment als das Polizeiauto an der Unfallstelle scharf bremsend zum Stehen kam.

Die Beamten sprangen aus ihrem Fahrzeug. Einer zog zur Sicherheit seine Dienstwaffe und zielte damit auf die Heckscheibe des verunglückten Fluchtwagens, der andere stürzte nach vorn zur Fahrertür und riss sie auf. Dann machte er ein ziemlich belämmertes Gesicht: Der Fahrersitz war leer!

„Was ist hier los? Wo ist der Fahrer, bitte?“, schrie der Beamte die Fahrzeuginsassen voller Aufregung und Verblüffung an.

„Ja haben Sie ihn denn nicht gesehen, Herr Wachtmeister? Der ist abgehauen!“

„Was sagen Sie da? Was soll das heißen?“

„Der ist aus dem Auto gesprungen, als Sie gekommen sind und schnell über das Feld dort abgehauen. Sie müssen ihn doch noch gesehen haben: Nach dahinten ist er lang gelaufen!“

„Das glaube ich Ihnen nicht: Ich denke, Sie dort auf dem Beifahrersitz, Sie sind gefahren! Zeigen Sie mir bitte mal Ihre Papiere!“

„Nein, nein, Herr Wachtmeister: Ich bin nicht gefahren, wirklich nicht, da können Sie alle hier im Auto fragen!“

Währenddessen fingen die drei vom Alkohol ziemlich benebelten Studenten auf der Rücksitzbank an, lautstark im Chor zu singen:

„Wir wollen pusten, wir wollen pusten! Bitte, bitte Herr Wachtmeister, lassen Sie uns ins Röhrchen pusten…“

Was soll ich sagen, die Sache ging vor Gericht, aber alle vier Studenten hoben am Ende die Hand zum Schwur und wurden so allesamt von jeder Schuld freigesprochen. Und das, obwohl sie vor Gericht standhaft darüber geschwiegen haben, wer am Ende dieser ominöse flüchtige „Geisterfahrer“ gewesen sein sollte, der so schnell durch die Kurven gerast war, dass selbst die Polizei nicht mehr hinter ihm her kam.

Wir haben alle mal klein angefangen

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