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7 Auftrag zu Ermitteln

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Peter hatte nur wenig geschlafen und fühlte sich wie in Trance, als er an diesem Sonntagmorgen zum Verlagsgebäude fuhr. Es fiel ihm schwer, zu realisieren, dass sein bester Freund Robert tatsächlich nicht mehr lebte.

Robert und er waren ein fast unzertrennliches Duo gewesen. Sie hatten alles geteilt: die Schule, ihre Studienzeit in München und bis vor drei Jahren auch die Einstellung praktizierender Junggesellen gegenüber hübschen Mädchen. Sie konnten einfach nicht „Nein“ sagen.

Der Dritte im Bunde war ihr Freund Frank, den sie im Rahmen ihres Studentenjobs bei der NZ kennengelernt hatten und der ihnen in den Boxclub gefolgt war.

Nachdem die drei ihr Examen abgelegt hatten, beendete Frank erwartungsgemäß seinen Job bei der Zeitung und kümmerte sich um seine ärztliche Karriere.

Dass Robert und Peter entgegen ihrer ursprünglichen Lebensplanung bei der NZ hängen geblieben waren, hatte auch damit zu tun, dass sie ihre journalistische Tätigkeit und die lockere Atmosphäre in der Redaktion zu schätzen gelernt hatten. Aber vor allem waren es äußere Umstände, die sie von ihrem eigentlich angestrebten Beruf abhielten.

Bei Robert lag es an dem Zerwürfnis mit seinem Bruder, das einer gemeinsamen Tätigkeit in der väterlichen Firma im Wege stand.

Bei Peter, der auf Lehramt studiert hatte und eigentlich Studienrat werden wollte, war es purer Frust über den Lehrerberuf. Wahrscheinlich nicht zuletzt deshalb, weil ihn die Freiheiten des Journalismus für einen Beruf nach Stundenplan verdorben hatten. Auf jeden Fall hatte er bereits nach einem kurzen Gastspiel als Referendar an einem bayrischen Gymnasium von dem nach seiner Ansicht „erzkonservativen und spießigen bayrischen Schulbetrieb“ so die Nase voll, dass er mit fliegenden Fahnen zur NZ zurückgekehrt war.

Dann geschah etwas, das die Struktur der jungen Zeitung bis in ihre Grundfesten erschütterte. Jimmy, der populäre Gesellschaftsreporter der NZ, der für die vielbeachtete Klatschspalte zuständig war, wurde schwer krank. Jimmy war ein charmanter Bursche, der die Rolle des Gesellschaftsreporters perfekt ausfüllte und dem sich in München alle Türen öffneten. Vor allem die der Damenwelt. Und eine dieser Türen führte Jimmy in sein Verhängnis. Er infizierte sich mit AIDS und trotz Ausschöpfung aller damals bestehenden Therapiemöglichkeiten ging es mit ihm rapide bergab. Robert und Peter, die mit Jimmy befreundet waren und viel zusammen mit ihm unternommen hatten, besuchten ihn regelmäßig im Krankenhaus. Zum Schluss war der einst so attraktive und kraftstrotzende Mann zu einem Skelett abgemagert und so schwach, dass er nicht einmal mehr ohne fremde Hilfe aus seiner Schnabeltasse trinken konnte.

Als Robert und Peter den sterbenden Jimmy einen Tag vor seinem Tod das letzte Mal besuchten, war dies nach ihrer einhelligen Ansicht das traumatischste Erlebnis ihres bisherigen Lebens.

Zwei Tage nach Jimmys Beerdigung bot Husoll Robert die vakante Stelle des Gesellschaftsreporters an. Robert sah gut aus, war charmant, parkettsicher und konnte unterhaltsam formulieren. Außerdem hatte er Jimmy oft begleitet und war in der Szene kein Unbekannter mehr. Für Robert war es der Traumjob schlechthin und er nahm ohne zu zögern an. Tatsächlich gelang es Robert in kurzer Zeit, nicht nur an Jimmys Popularität anzuknüpfen, sondern der Klatschspalte der NZ noch mehr Beachtung zu verschaffen und zu der unangefochtenen Nummer eins unter Münchens Gesellschaftsreportern zu werden.

Allerdings fehlte Robert ein Fotograf, der ihn auf seinen Streifzügen durch die Schickeria begleitete und der ein Gespür dafür hatte, wann er auf den Auslöser drücken musste.

In dieser Situation erinnerte sich Robert daran, dass sein Boxtrainer Ulli Petzold hauptberuflich für eine Detektei arbeitete und nach eigenem Bekunden vorwiegend mit Observationen beschäftigt war. Also konnte er mit einer Kamera umgehen. Robert erzählte Ulli von seiner Idee, als Fotograf für ihn und die NZ zu arbeiten und lud ihn ein, probeweise einmal zu einem Event der Schickeria mitzukommen und Bilder zu machen. Der Testlauf wurde ein voller Erfolg. Ulli schoss hervorragende Bilder und die Arbeit gefiel ihm.

Zwei Tage später wurde Ulli von Husoll als neuer Bildreporter der NZ eingestellt und ihm zugesagt, dass er seine Nebentätigkeit als Boxtrainer unverändert ausüben konnte.


Als Peter an diesem Sonntagvormittag im Redaktionsgebäude Ullis Fotostudio betrat, blickte ihn der Freund trübsinnig an.

„Was für eine unglaubliche Scheisse!“, sagte Ulli.

„Ja“, bestätigte Peter, „ich bin gespannt, was der Alte dazu sagt.“


Zeitungsleser erwarten von ihrem Blatt am Mon­tag die gleiche Aktualität wie an den anderen Tagen. Deshalb wird in Verlagshäusern auch am Sonntag gearbeitet.

Die Nachricht von Roberts Tod hatte sich in der Redaktion wie ein Lauffeuer verbreitet. Die Gesichter der Kollegen, an denen Peter und Ulli mit einem kurzen Gruß vorbeigingen, waren wie versteinert.

Es war zwei Minuten vor elf, als sie das Büro des Chefredakteurs betraten.

Husoll wirkte angespannt. „Machen Sie die Tür zu und setzen Sie sich!"

Dann mussten die beiden Freunde in allen Einzelheiten schildern, wie der verhängnisvolle Abend verlaufen war. Husoll wollte alles ganz genau wissen und stellte immer wieder Zwischenfragen.

Ulli zeigte Husoll erst die Gästeliste und dann die Fotos, die er an diesem Abend geschossen hatte. Eines der Bilder zeigte Robert mit Beaulieu. Der bekanntermaßen schwule Gastgeber hatte den Arm um Robert gelegt und aus seinem Blick sprach mehr als bloße Sympathie.

Der Chefredakteur hatte seine Brille aufgesetzt und betrachtete die Aufnahme. „Robert wirkte offensichtlich nicht nur auf Frauen”, meinte er versonnen.

Auf dem nächsten Bild tauchte ein blondgelockter Jüngling mit verdrossener Miene neben Beaulieu auf. „Beaulieus Lover“, erklärte Ulli, „er war mächtig eifersüchtig auf Robert.”

Weitere Bilder zeigten Robert mit Münchner Prominenz. Einige hatten sich bei ihm eingehakt oder versuchten durch andere Gesten der Vertrautheit eine vermeintliche Nähe zu dem populären Reporter zu demonstrieren. Roberts verkrampftes Lächeln verriet, dass er zumindest an diesem Abend nicht viel für solche Anbiederungen übrig hatte.

Bilder von der Bar zeigten Robert mit seinem Campari. Da alle anderen Champagner tranken, war sein Glas nicht zu übersehen.

Dann folgten Fotos ohne Robert, die Ulli bei seiner Runde durch den Saal geschossen hatte. Sie zeigten das großzügige Ambiente von Beaulieus Anwesen und viel Prominenz. Doch keines der Bilder konnte auch nur den geringsten Hinweis auf das spätere verhängnisvolle Geschehen liefern. Alle Gäste machten einen entspannten und fröhlichen Eindruck.

Mit einer Ausnahme. Auf einem Foto sah man Alfons Wurm, den Chef des gleichnamigen Partyservice, im Gespräch mit dem Staatssekretär Gerweiler. Wurm machte einen gestressten Eindruck. Das allerdings war nicht verwunderlich, denn Wurm richtete das Fest für Beaulieu aus und musste an diesem Abend höchsten Ansprüchen genügen. Gerweiler dagegen schien das Fest unbeschwert zu genießen. Er lächelte so souverän in die Kamera, als posiere er für ein Wahlplakat.

Peter wirkte entmutigt. „Ich bin sicher, dass jemand Robert etwas ins Glas getan hat“, meinte er, „aber den Bildern nach zu urteilen hätte es jeder sein können.“

„Trotzdem geben wir nicht auf“, entschied Husoll und sah seine beiden Mitarbeiter entschlossen an. „Wir sind es Robert schuldig, dass wir herausfinden, warum er sterben musste.“

„Und wie?“, fragte Ulli.

„Indem wir jeder möglichen Spur nachgehen“, erklärte Husoll. Sein Blick richtete sich auf Ulli. „Roberts Wagen wird heute Morgen kriminaltechnisch untersucht?“

„Ja“, bestätigte Ulli, „das Ergebnis liegt gegen Mittag im Präsidium vor.“

„Gut.“ Husoll nickte zufrieden, „dann fahren sie dahin und besorgen das Ergebnis. Ich möchte wissen, ob jemand Roberts Wagen manipuliert hat.“

Dann ging sein Blick zu Peter. „Sie fahren zu Beaulieu. Sehen Sie nach Roberts blauem Kaschmirmantel und ob Sie irgendwelche Hinweise auf Drogen finden.“ Er überlegte kurz. „Aber vorher gehen sie noch zu Bärbel und informieren sich über diesen Beaulieu. Je mehr wir über ihn wissen, umso besser.“

Peter Prock: Bavaria

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