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Anmerkungen zu Text und Übersetzung

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„Der Text der Fremdvölkersprüche innerhalb des Völkergedichtes ist recht gut erhalten.“1 Diese Feststellung gilt noch nach fast einem halben Jahrhundert, und sie trifft auch auf die Juda- und die Israelstrophe zu. Deshalb kann es bei wenigen Bemerkungen zum Text sein Bewenden haben.

4a Das Verb steht in der weqatal-Form, die futurische Bedeutung hat. Luther gibt das mit „ich will Feuer schicken“ wieder. Ganz korrekt müsste es heißen: „Ich werde Feuer schicken.“ Im Deutschen wird jedoch häufig das Präsens für das Futur gesetzt; dabei kann die Zeitstufe durch ein Adverb der Zeit benannt werden („ich komme morgen“), kann sich aber auch aus dem Kontext ergeben („fahrt ihr wieder in euer Ferienhaus?“ kann sich auf einen Urlaub beziehen, der noch viele Monate in der Zukunft liegt). Die meisten deutschen Amos-Übersetzungen folgen diesem Sprachgebrauch (Zürcher Bibel; Einheitsübersetzung; Bibel in gerechter Sprache; Rudolph, Amos 124 u. ö.; Jeremias, Amos 5 u. ö.). In den übrigen indoeuropäischen Sprachen muss hier natürlich das Futur stehen (Septuaginta: ἐξαποστελῶ [exapostelō]; Vulgata: mittam; KJV, NRSV: „I will send“).

5.8a Das Partizip יושׁב (jôšēb) kann kollektiv für den Bewohner eines bestimmten Gebietes stehen („die Bewohner des Landes“, Gen 50,11; Num 14,14; „die Bewohner von Jerusalem“, Jes 5,3 u.a.). Am 1,5.8 könnten entsprechend die Vernichtung der „Bewohnerschaft aus Biqat-Awen bzw. Aschdod“ androhen (Luther 1984: „die Einwohner aus Bikat-Awen bzw. Aschdod“, NRSV: „the inhabitants from …“). Das Partizip יושׁב (jôšēb) kann aber auch denjenigen bezeichnen, der auf einem Thron sitzt. Zwar ist ein absoluter Gebrauch ohne jede Näherbestimmung („der Thronende“), wie er in Am 1,5.8 vorliegen müsste, sonst nicht belegt; die Zusammenstellung mit anderen Nomina sagt immer eindeutig, wer da thront („der König von Aram, thronend in Damaskus“, 1 Kön 15,18; „König von Juda, sitzend auf dem Thron Davids“, Jer 22,2; aber auch Jhwh, „der Kerubenthroner“, 2 Kön 19,15 u. ö.). Allerdings lässt sich auch in Am 1,5.8 eine solche Zusammenstellung erkennen, und zwar in der Parallele des יושׁב (jôšēb) mit dem „Zepterträger“. Aus diesem Grund ziehe ich die Wiedergabe mit „Herrscher“ vor (BigS: „den Thronsitzer“, ZB 2007: „den, der dort thront“; Luther 2017 hat in V. 5 „den, der auf dem Thron sitzt“ und in V. 8 – wenig konsequent – „die Einwohner aus Aschdod“).

11a Das erste textliche Problem in V. 11 ist die Wiedergabe von V. 11bα. Subjekt des Verbs שׁחת (šiḥēt) ist Edom: „(es) hat zugrunde gerichtet”. Schwierig ist die Bedeutung des Objekts רחמיו (raḥamāw). Der Plural רחמים (raḥamîm) heißt „liebevolles Empfinden, Erbarmen“ (KBL) oder „Mitleid, Rührung, Erbarmen“ (Ges18). Doch wie soll man die Zusammenstellung שׁחת רחמיו (šiḥēt raḥamāw) verstehen? Man hilft sich in der Regel damit, dass man für שׁחת (šiḥēt) eine Sonderbedeutung annimmt (Luther 2017: „alles Erbarmen von sich getan“, NRSV: „cast off all pity“, Zürcher 2007: „sein Erbarmen unterdrückt“). Aber all das heißt שׁחת (šiḥēt) nicht, sondern „verderben, zugrunde richten, vernichten“ (KBL und Ges18). Eine Lösung könnte darin liegen, רחמים (raḥamîm) eine Sonderbedeutung zuzuschreiben, die im Aramäischen belegt ist. So fordern die Juden von Elephantine den Statthalter in Jerusalem in einer formelhaften Wendung auf: חזי בעלי טבתך ורחמיך (ḥzj bʿlj ṭbtk wrḥmjk) (AP 30,23f. par. 31,23 = TAD A.4.7 Z. 23f.). Dies heißt: „Look upon your well-wishers and friends“ (AP) oder „Regard your obligees and your friends“ (TAD) oder „Blicke auf deine Anhänger und Freunde“ (Weippert, Textbuch 483). Da im Parallelismus von Am 1,11bα dem רחמיו (raḥamāw) der zweiten Vershälfte das אחיו (ʾāḥiw, „seine Brüder“) der ersten Hälfte entspricht, kann man den Vers so übersetzen: „for he persued his brother by the sword / and utterly destroyed his allies/friends“2.

11b Auch der direkt anschließende Versteil 1,11bβ ist textlich unsicher. Das Problem besteht darin, dass das Subjekt des Satzes nicht klar ist. Es könnte immer noch Edom sein, wie es Septuaginta und Vulgata verstehen. Aber was sollte das heißen, dass Edom „seinen Zorn zerriss“? Will man nicht das Verb ändern, legt es sich nahe, den Zorn und die Wut als Subjekt aufzufassen. Da in Ijob 16,9 sogar dieselbe Zusammenstellung von „Zorn“ als Subjekt und „zerreißen“ als absolut gebrauchtes Verb vorkommt („Sein Zorn zerriss“), legt sich dieses Verständnis auch für unsere Stelle nahe.3

2,6a In 2,6bα ist es strittig, wie die Konstruktion מכר ב (mākar be) zu verstehen ist. Fraglich ist, ob das Geld, „um“ oder „für“ das Menschen verkauft werden, die Ursache für den Verkauf angibt oder den Preis. Zur Diskussion verweise ich auf die Auslegung des Verses.

7a Bei dem Partizip השׁאפים (haššōʾafîm) ist unsicher, ob es tatsächlich von der Wurzel שׁאף (šʾp) abzuleiten ist, wie die masoretische Punktierung nahelegt. Denn die Vokabel, die „schnappen, lechzen, nachstellen“ heißt, wird immer mit direktem Objekt konstruiert und nicht mit der Präposition ב (be), wie es hier der Fall ist. Möglicherweise ist an die Wurzel שׁוף (šûf) gedacht, die in Gen 3,15 und Ijob 9,17 vorkommt und da eine aggressive Aktion bezeichnet.4 Der Sinn des Satzes ist aber trotz dieser Unsicherheit – und der wohl auf eine sekundäre Ergänzung zurückzuführenden umständlichen Konstruktion – eindeutig. Da in Gen 3,15 שׁוף (šûf) den Kopf (ראשׁ, rōʾš) als Objekt hat, ist denkbar, dass das überschießende ראשׁ (rōʾš) in Am 2,7a auf einen Schreiber zurückgeht, der Gen 3,15 vor Augen hatte. Der ursprüngliche Satz hätte dann gelautet: „Sie treten den Geringen in den Staub der Erde.“

7b Reinhard Lehmann macht darauf aufmerksam, dass in 2,7b.9a.10a zusammengesetzte Nominalsätze vorliegen.5 Dies versucht die Übersetzung wiederzugeben.

13a Die einmal im Hifil und einmal im Qal gebrauchte Wurzel עוק (ʿûq) kommt in der Hebräischen Bibel nur hier vor. Die Bedeutung ist unsicher. Auch der Rekurs auf arabische Wurzeln bringt keine Gewissheit. Aufgrund des Kontextes muss es sich um einen Vorgang handeln, den man sich sowohl bei einem Erdbeben wie bei einem Erntewagen vorstellen kann. Ges18 schlägt „ächzen / wanken / aufreißen“ vor.

15a In V. 14b und V. 15b heißt es zweimal „er rettet sein Leben nicht“, unter Verwendung der Wurzel מלט pi (jemallēṭ) mit dem Objekt „sein Leben“ (oder auch nur reflexiv: „er rettet sich nicht“6). In V. 15aβ steht die Form ohne Objekt, was schlecht möglich ist. Entweder muss man auch hier „sein Leben“ hinzufügen, oder, wahrscheinlicher, die Konsonanten zum Nifal umpunktieren (jimmallēṭ): „er rettet sich nicht“.

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