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IV: 1,11–12 – Edom

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1,11War in der Philister- und Tyrusstrophe Edom als Empfänger exilierter oder in die Sklaverei verkaufter Bevölkerungsteile schon in den Blick gekommen, so wird ihm nun eine eigene Strophe gewidmet. Sie ist in Kurzform gehalten. Jedoch ist der mit על (ʿal) und Partizip eingeleitete Vorwurf um eine zweite Zeile ergänzt (wie sonst nur noch in der Judastrophe).

Wie in der Tyrusstrophe wird bei Edom an ein Bruderverhältnis gegenüber Israel erinnert. Allerdings ist der Vorwurf gesteigert. Bei Tyrus geht es nur um die Nichtbeachtung eines Vertragsverhältnisses. Bei Edom dagegen liegt aktives Vorgehen vor: Verfolgung mit dem Schwert, Zorn und Wut ohne Ende.

Die gesteigerte Schärfe des Vorwurfs gegen Edom ist auf zwei Ursachen zurückzuführen. Die erste liegt in der historischen Erfahrung. Bereits aus der Königszeit sind militärische Auseinandersetzungen zwischen Juda und Edom bekannt (2 Kön 8,20–22; 14,7.10). Viel breiter gestreut aber sind Texte mit Hinweisen darauf, dass sich die Edomiter im Zusammenhang der neubabylonischen Eroberung und Zerstörung von Juda und Jerusalem unsolidarisch verhalten, Land angeeignet und Geflohene ausgeliefert haben (Ez 25,12; 35,5.10; Joel 4,19; Ob 10–14; Ps 137,7). Der Wortlaut von Am 1,11–12 freilich lässt keinen Rückschluss darauf zu, welche historische Situation gemeint ist.

Zum Zweiten ist die Schärfe des Vorwurfs gegen Edom darauf zurückzuführen, dass das Bruderverhältnis Israels zu Edom ein anderes ist als das mit Tyrus. Bei Tyrus geht es nur um eine diplomatische Beziehung. Dagegen gelten Edom und Israel über ihre Stammväter Esau und Jakob als Zwillingsbrüder (so in der Erzählung von Gen 25–36). Immer wieder erinnern spätere Texte an diese Bruderbeziehung (Num 20,14; Dtn 2,4; 23,8; Ob 10.12; Mal 1,2–3). Es ist wohl die Verbindung der Erinnerung an ein enges Zwillingsbruderverhältnis mit der Erfahrung historischer Feindschaft, aus der der besondere Hass vieler alttestamentlicher Edomtexte zu erklären ist (vgl. neben den genannten noch Jes 34; 63,1–6; Jer 49,7–22; Klgl 4,21). Er geht so weit, dass in nachalttestamentlichen Texten Edom für den Feind schlechthin und – verhüllend – für Rom stehen kann. So weit ist es freilich in Am 1,11–12 noch nicht. Edom ist eines der genannten Nachbarvölker, auch wenn sein Vergehen durch die Erinnerung an das Bruder- und Vertragsverhältnis (vgl. dazu oben die Bemerkung zum Text von V. 11) besonderes Gewicht erhält.

1,12In der Androhung von V. 12 steht an erster Stelle Teman, gegen das Jhwh Feuer schickt, dessen Ziel die Paläste Bozras sind. Auch wenn Teman eigentlich eine Teilgröße von Edom ist (Gen 36,11.15.34.42; Ez 25,13; 1 Chr 1,36.45.53), wird es hier pars pro toto für Edom als Ganzes gebraucht (vgl. Jer 49,7; Ob 9). Ähnlich verhält es sich mit Bozra. Es ist eine unter mehreren Städten in Edom (Gen 36,33 = 1 Chr 1,44), die aber, wenn sie im ausschließlichen Parallelismus von Edom par. Bozra gebraucht (Jes 34,6; 63,1; Jer 49,22) oder als einzige Stadt Edoms genannt (Jer 49,13) wird, als dessen Hauptstadt gilt. Festzuhalten ist, dass auch in dieser wie in allen Strophen mit den Palästen die Wohnstätten der Herrschenden Ziel des göttlichen Eingreifens sind.

Amos

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