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V: 1,13–15 – Ammoniter

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1,13Mit der Ammoniterstrophe beginnt ein weiteres Paar von Langstrophen. Die Ammoniter, die östlich von Jordan und Totem Meer leben (in der heutigen jordanischen Hauptstadt Amman ist ihr Name erhalten), grenzen südlich an das ostjordanische Gilead an, dessen nördlicher Nachbar der Aramäerstaat von Damaskus ist. Das ihnen vorgeworfene Verbrechen richtet sich wie das der Damaskusstrophe gegen Gilead. Der Vorwurf umfasst zwei Aspekte: die Grausamkeit der Kriegsführung und das Ziel der territorialen Erweiterung. Dass die Ausdehnung des eigenen Herrschaftsgebiets ein vorrangiges Kriegsziel der meisten damaligen Kriege war, geht aus zahlreichen Texten des Alten Testaments wie auch der Nachbarn Israels und Judas, etwa der Mescha-Stele, hervor. Das macht es auch unmöglich, das in Am 1,13–15 angesprochene Ereignis historisch einzugrenzen. Das Aufschlitzen der Bäuche schwangerer Frauen, um Mutter und Kind zu töten, wird immer wieder genannt. In 2 Kön 8,12 wird es als Vorwurf gegen Hasael von Damaskus erhoben. Es wird hier als verwerfliches Kriegsverbrechen angeklagt.

Gleichwohl hat selbst dieser Zug einer in unseren Augen barbarischen Kriegsführung einen ambivalenten Charakter. Denn in einem sogenannten Heldenlied wird ein ungenannter assyrischer Herrscher, wahrscheinlich Tiglatpileser I. (1114–1067 v. Chr.), dafür gerühmt, dass er solche Grausamkeiten begeht: „Er zerfetzte das Innere der Schwangeren, durchbohrte die Schwachen. Ihren Mächtigen schnitt er die Hälse ab.“ “He slits the wombs of pregnant women; he blinds the infants; / He cuts the throats of their strong ones.”46 Wie bei den Vorwürfen gegen Aramäer und Philister kommt es darauf an, aus welchem Blickwinkel man das Geschehen betrachtet. Kriegsgräuel erscheinen sowohl als Klage der Unterlegenen als auch als Selbstruhm der Sieger.

Wird die Härte der Kriegsführung wie hier aus der Perspektive der Opfer heraus kritisiert, tritt ein Effekt ein, den wir schon bei der Damaskusstrophe beobachten konnten. Dort wurde den Aramäern vorgeworfen, dass „sie Gilead mit eisernen Dreschschlitten gedroschen“ hätten (V. 3). Wenn solches „Dreschen“ als Vorwurf gegen ein anderes Volk erhoben wird, trifft dies dann nicht auch Israel selbst (vgl. (Jes 41,15; Mi 4,13)? Dasselbe gilt auch für den Vorwurf, Schwangeren den Bauch aufzuschlitzen. Wenn der israelitische König Menahem nach einer Notiz in 2 Kön 15,16 im Kampf um den Thron die Frauen der eroberten Stadt Tifsach aufschlitzen ließ, handelt er genauso verwerflich wie eines der Nachbarvölker.

1,14Ziel der Strafhandlung ist die ammonitische Hauptstadt Rabba, das heutige Amman. Was die vorangehenden Strophen mit dem wiederkehrenden Motiv des Feuers gegen Stadtmauer und Paläste und den jeweiligen Erweiterungen schon deutlich machten, wird hier ausgesprochen: Es geht um angekündigte kriegerische Handlungen gegen die bedrohte Größe. Wie durchgängig wird auch hier nicht gesagt, wer den zerstörenden Krieg führen wird. Eigentliches Subjekt ist natürlich Jhwh, der das Feuer an die Mauer legt. Aber wer in seinem Auftrag Krieg führt, bleibt offen. Rhetorisch aktiviert eine solche Leerstelle die Phantasie derer, die einen solchen Text hören oder lesen. Sind Werkzeug Jhwhs die Israeliten, die Rache nehmen an ihren Nachbarn? Oder ist es eine der Großmächte der Zeit, die Assyrer oder Babylonier, die Israels Nachbarvölker auf ihren Eroberungszügen heimsuchen werden? Der Text lässt die Antwort offen.

1,15Noch eindeutiger als in den vorangehenden Strophen wird gesagt, dass die Katastrophe für die Ammoniter primär deren herrschende Schicht trifft. V. 15 nennt „ihren König“ und „seine שׂרים (śārîm)“, was Luther mit „Fürsten“ wiedergab, was aber eher „Beamte“47 oder „Würdenträger“ meint. Der König als Spitze und seine Beamten als engstes Machtgremium bilden die Führungselite damaliger westasiatischer Staaten. So erscheint es bei Salomo, wo „der König“ und „die Beamten, die er hatte“, aufgezählt werden (1 Kön 4,1–2), so verhält es sich in den Jeremiaerzählungen (vgl. etwa die Konstellation in Jer 36,21, wo Jeremias Schriftrolle „dem König und allen Beamten, die beim König standen“, vorgelesen wird), so wird es aber auch bei Israels Nachbarvölkern vorausgesetzt (vgl. im Blick auf Elam die Zusammenstellung „König und Beamte“, Jer 49,38).

Natürlich besagt die Ankündigung, dass „ihr König zusammen mit seinen Würdenträgern in die Verbannung geht“ nicht, dass das Volk der Ammoniter vom „Lärm am Tag des Krieges“, vom „Brausen am Tag des Sturms“ nicht betroffen wäre. Die Aussagen vom „Dreschen mit eisernen Dreschschlitten“ und vom Aufschlitzen der Schwangeren zeigen zur Genüge, dass damalige Kriege so wenig wie heutige ernsthaft zwischen Kombattanten und Zivilisten unterscheiden. Die Völker, ob als Soldaten oder Zivilisten, müssen immer unter den Folgen der Kriege leiden, die die Herrschenden zu verantworten haben. Dennoch ist es für die Völkersprüche und das gesamte folgende Amosbuch wesentlich, dass die Verantwortlichen klar benannt und auch als Erste zur Verantwortung gezogen werden.

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