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2.5 Eisenbahn

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Sowohl Kanäle als auch die turnpike roads erlebten seit den 1830er Jahren einen raschen Niedergang, was dem wichtigsten Transportmittel und sprichwörtlichem „Motor“ der Industrialisierung Großbritanniens für den Rest des 19. Jahrhunderts geschuldet war: der Eisenbahn. Von Menschen oder Pferden gezogene Schienenfahrzeuge waren schon seit den 1770er Jahren eingesetzt worden, hauptsächlich um Kohle zu transportieren. 1804 fand auch die Zusammenführung dieser Technologie mit der Dampfmaschine statt, als die erste Bergwerkslokomotive fuhr, zunächst noch ohne Schienen. Der Übergang von gusseisernen zu den wesentlich stabileren gewalzten Stahlschienen in den 1810er Jahren bahnte, gemeinsam mit Innovationen in der Dampfkesseltechnologie, den Weg für öffentlich betriebene Eisenbahnen. 1825 wurde die erste Strecke zwischen Stockton und Darlington im nordostenglischen Kohlerevier in Betrieb genommen, wobei dort ursprünglich ein Kanal hatte angelegt werden sollen. Die vom Bergwerksingenieur George Stephenson (1781 – 1848) und seinem Sohn Robert (1803 – 1859) gebaute Lokomotive zog experimentell auch einen Passagierwagen, während ansonsten nur Kohle transportiert wurde. Die Eisenbahn beeinflusste die britische Wirtschaft in zweifacher Hinsicht. Zum einen schuf sie eine extrem starke Nachfrage nach Eisen, da allein eine Meile Schienenstrang 300 Tonnen davon benötigte. Zur Mitte des 19. Jahrhunderts teilten sich über 500 verschiedene Eisenbahngesellschaften bereits ein Netz von 6.000 Meilen. Zum anderen brachte die Bahn die Regionen des Landes wesentlich enger zusammen, transportierte Rohstoffe schnell, zuverlässig und vergleichsweise preiswert über große Entfernungen und eröffnete Fabrikanten und Geschäftsleuten völlig neue Absatzmärkte für ihre Produkte. Nun war es beispielsweise auch möglich, verderbliche Güter wie Lebensmittel nicht nur dort zu produzieren, wo sie auch konsumiert wurden. Die Eisenbahn trug so entscheidend zum wirtschaftlichen Konzentrationsprozess und der Bildung zahlreicher überregional operierender Industriebetriebe bei.

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Exkurs

Der Einfluss der Eisenbahn beschränkte sich nicht nur auf die wirtschaftliche Sphäre. Das immer dichter werdende Streckennetz verlangte zum Beispiel auch nach einer Vereinheitlichung der Zeitmessung. Bis in die 1850er Jahre galten überall in Großbritannien jeweils individuelle, voneinander teilweise beträchtlich abweichende Ortszeiten, die sich meist an Kirchturm- oder Rathausuhren orientierten. Um Fahrpläne zwischen den vielen verschiedenen Gesellschaften koordinieren und Unfälle auf stark befahrenen Strecken verhindern zu können, führte 1840 zunächst die Great Western Railway Company für ihren Fahrplan eine einheitliche „London Time“ ein. Diese orientierte sich an der im Königlichen Observatorium von Greenwich gemessenen Zeit und wurde deshalb auch Greenwich Mean Time genannt. Die übrigen Eisenbahnbetreiber zogen in den nächsten Jahren nach. Per Telegraf gesendete Signale und die Uhren der Bahnhofsvorsteher koordinierten die Zeiten landesweit, allerdings bisweilen nur gegen erhebliche lokale Widerstände. Auf ihre Eigenständigkeit bedachte Städte montierten für einige Jahre gar zwei verschiedene Minutenzeiger an ihre Kirchturmuhren und verwendeten außerhalb des Eisenbahnwesens weiter ihre traditionelle Individualzeit. Es dauerte bis in die frühen 1860er Jahre, bis sich die gemeinsame Zeit überall im Land durchgesetzt hatte. Erst 1880 standardisierte die Regierung offiziell die Greenwich Mean Time, die vier Jahre später die Grundlage für die Einteilung der weltweiten Zeitzonen wurde.

Weit über das Zeitkonzept hinaus beeinflusste die Eisenbahn den Alltag der Menschen nachhaltig. Sie brachte nicht nur neue Geräusche und visuelle Eindrücke mit sich, sondern prägte die Landschaft durch Brücken und die Städte durch prächtige Bahnhofsgebäude, vielerorts der ganze Stolz der Bürger. Unter den Kinderspielzeugen dominierte die Eisenbahn, und die neue Technologie wurde in der Literatur, Poesie und nicht zuletzt in zahlreichen Gemälden repräsentiert. Dampfende Lokomotiven und dramatische Brückenüberfahrten schmückten die gute Stube vieler bürgerlicher Haushalte.

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Die Industrielle Revolution

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