Читать книгу Die Industrielle Revolution - Rainer Liedtke - Страница 20
2.6 The Workshop of the World
ОглавлениеDie frühe Industrialisierung machte Großbritannien zur mit großem Abstand bedeutendsten Wirtschaftsmacht des frühen und mittleren 19. Jahrhunderts. Erst seit den 1880er Jahren begannen später industrialisierte Nationen, darunter vor allem das Deutsche Reich und die Vereinigten Staaten von Amerika, diese uneingeschränkte Vormachtstellung anzugreifen. Zwischen 1820 und 1840 wurden in Großbritannien im Jahresdurchschnitt 18 Millionen Tonnen Kohle gefördert, in Deutschland, Frankreich, Belgien und Russland gemeinsam im gleichen Zeitraum lediglich etwa 2 Millionen Tonnen. Selbst in den späten 1860er Jahren kam aus britischen Bergwerken immer noch mehr als doppelt so viel Kohle – jährlich 68 Millionen Tonnen – als aus diesen vier Staaten zusammen. Auch die britische Eisenindustrie hatte einen enormen Entwicklungsvorsprung und produzierte bereits 1820 jährlich über 400.000 Tonnen Roheisen; so viel wie der Rest Europas gemeinsam. Sheffield und Umgebung waren nicht nur das Zentrum der britischen metallverarbeitenden Industrie. 1850 stammte 90 % der weltweiten Messerproduktion aus dieser Region. Im gleichen Jahr verarbeitete die britische Textilindustrie jährlich 267.000 Tonnen Rohbaumwolle; der Rest Europas gemeinsam gerade einmal 162.000 Tonnen. Nicht zu Unrecht wurde das Land in den mittleren Dekaden des 19. Jahrhunderts als workshop of the world bezeichnet. Um 1850 war Großbritannien nicht nur die führende, sondern die einzige Industrienation der Welt, wenn als Definition zugrunde gelegt wird, dass mehr als die Hälfte der gesamten Wirtschaftsleistung im sekundären Sektor erarbeitet wurde.
Durch die Industrialisierung erlebten auch Handel und Dienstleistungen einen außerordentlichen Aufschwung. Die Londoner City, das Finanzviertel der Hauptstadt, wurde das unumstrittene Zentrum des internationalen Kapitalverkehrs. Nicht nur die dort angesiedelten Banken, sondern auch Versicherungen, welche Industrieunternehmen und Gütertransporte gegen Risiken absicherten, florierten. Britische Seehäfen und ihr Hinterland prosperierten gewaltig im Transatlantik- und Welthandel und schufen hunderttausende von Arbeitsplätzen in ihren Docks, aber auch im Schiffsbau. Britische Industrielle und Finanziers investierten Teile Ihrer
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Vermögen zunehmend im Ausland und erwirtschafteten so beispielsweise im Jahr 1870 rund £50 Millionen Gewinn. Dies war wichtig, weil Auslandsinvestitionen halfen, das Defizit zwischen Importen und Exporten (Handelsbilanz) auszugleichen. Großbritannien importierte nämlich zu dieser Zeit mehr Rohstoffe und halbfertige Produkte, als es an im Land gefertigten Produkten wieder exportierte, da der britische Konsument äußerst kauffreudig war. Das Empire trug seinen Teil dazu bei. Aus dem südlichen Afrika gelangten Gold und Diamanten nach Großbritannien, aus Kanada Weizen und Kupfer. Große Mengen Zinn wurden aus Malaysia importiert, Kakao aus Ghana, Palmöl aus Nigeria, Wolle aus Australien und Neuseeland, um nur einige der wichtigsten Rohstoffe zu nennen.