Читать книгу Das Theater in mir - Ralf Michael Pape - Страница 14
ОглавлениеUnwahrheiten
Nach der Joggingrunde war Holger froh, wieder an seinem Auto zu sein. Es hatte kein schlechtes Gewissen, dass er seinen Lauf-Kumpel nach dem kleinen Unfall mit dieser Frau allein gelassen hatte.
„Vielleicht wäre sie sogar was für ihn“, grinste er verschmitzt in sich hinein.
Er nahm sein Handy und schrieb eine Nachricht an Tanja. „Ich hätte kurzfristig ein bisschen Zeit, wie sieht es bei Dir aus?“
Es dauerte nur wenige Sekunden, bis die Antwort kam. „Komm vorbei, ich freu mich.“
Zu seiner Frau Daniela hatte er am Morgen gesagt, dass er den Tag mit Christoph verbringen würde. Nun hatte dieser kleine Unfall eine wunderbare Gelegenheit geschaffen, sich mit Tanja zu treffen. Sie hatten sich letztes Jahr in einem Club kennengelernt und ein paar wunderbare Stunden miteinander verbracht. Beide wollten nicht mehr als dieses eine Mal, nicht mehr als diesen »Kick«, diese Bestätigung, dieses berauschende Gefühl, gewollt und begehrt zu werden.
Schon beim ersten Drink hatte er ihr gesagt, dass er verheiratet ist und zwei Kinder hat, aber dann hatten sie beim Abschied doch die Handynummern ausgetauscht.
„Klasse, dann bis gleich“, schrieb er zurück.
Er genoss es, dass bei Tanja nicht viele Worte nötig waren und startete voller Vorfreude sein Auto. Nach ein paar Metern auf der Fahrt Richtung Innenstadt klingelte sein Handy, es war seine Frau Daniela.
„Sie weiß, dass wir jetzt mit dem Joggen fertig sein müssen, da muss ich rangehen“, dachte er.
„Hallo Schatz, ich bin auf dem Weg in den Biergarten, um mit Christoph noch was zu trinken. Was gibt es?“
„Ich möchte auch mal wieder etwas Anderes sehen als das Haus und die Kinder. Lass uns doch heute Abend mit Nancy und Christoph essen gehen. Die Kinder kann ich bei einer Nachbarin unterbringen.“
„Christoph hat erzählt, dass es Nancy wieder nicht so gut geht, aber ich frag ihn gleich. Er fährt in seinem eigenen Auto“.
„Gut, sag bitte Bescheid, wenn ihr gesprochen habt. Bis später!“
Er stellte sein Handy auf lautlos, legte es in die Halterung seines Autos und dachte nicht im Traum daran, auf Danielas Vorschlag einzugehen.
„Das werde ich dann im Eifer des Gefechtes wohl vergessen haben“, war seine bewährte Strategie.
Gut gelaunt bemerkte er dieses Kribbeln zwischen seinen Beinen, das immer intensiver wurde. So etwas fühlte er bei Daniela schon lange nicht mehr. Wenn sie miteinander schliefen, was nur noch selten vorkam, dann war es für ihn eher eine Pflichtübung, damit sie nicht auf den Gedanken kam, er hätte vielleicht eine andere. In letzter Zeit hatte er sogar öfter Schwierigkeiten, zum Orgasmus zu kommen, wenn er mit Daniela zusammen war. Dann schloss er seine Augen und stellte sich vor, er würde mit einer anderen Frau schlafen. Besonders gut fühlte er sich nicht dabei, aber es tat seinen »Dienst«, und er konnte »abliefern«.
In der Innenstadt einen Parkplatz zu finden, war eine echte Herausforderung. Er durfte auf keinen Fall eine Parkknolle riskieren, weil die Post zu Hause womöglich von Daniela geöffnet wurde.
Holger hatte Glück und konnte direkt vor dem Haus parken.
„Hey Süße“, sagte er und nahm sie in die Arme.
Sie küssten sich leidenschaftlich, und er ließ die Eingangstür mit einem Fuß ins Schloss fallen. Es dauerte nicht lange und sie lagen auf dem französischen Bett.
Er war nackt und sie hatte rote Spitzenunterwäsche an, denn sie liebte es, wenn er ihr den BH und das Höschen erst auszog, wenn er so geil war, dass er so schnell wie möglich in sie eindringen wollte.
Als es vorbei war lag sie in seinen Armen und versuchte alles, um nicht zu weinen, aber er merkte, dass etwas nicht stimmte.
„Alles gut Tanja, oder war ich zu stürmisch und habe Dir wehgetan?“
Ein paar Tränen kullerten aus ihren Augen und zerstörten den letzten Rest ihres Makeups, das sie vor einer guten Stunde extra aufgelegt hatte.
„Weißt Du, Holger, es ist mir klar, dass wir keinerlei gegenseitige Verpflichtungen haben, aber eine Freundin hat Dich letzte Woche im »Live« mit einer anderen Frau gesehen. Ich hab mich dann gefragt, ob es beim Rumknutschen bleibt, oder wie weit du gehst“.
„Ach Du Scheiße“, dachte Holger und fühlte sich ertappt.
Aber er spürte auch Wut und Widerstand in sich aufsteigen.
„Was soll das denn jetzt werden, Tanja? Ich dachte, wir sind uns völlig einig, dass wir uns nur hin und wieder gegenseitig guttun“.
Während er sprach, sprang er auf und begann sich anzuziehen. Sein Blick wurde hart, und in diesem Moment war er bereit, alles für seine Unabhängigkeit zu tun, auch wenn er Tanja nie wiedersehen würde.
„Vielleicht wird es sowieso Zeit, sich von ihr zu trennen“, sagte eine Stimme in ihm.
Tanja nahm all ihre Kraft zusammen und ging wortlos ins Badezimmer.
„Nein, ich werde mich ihm gegenüber nicht schwach zeigen“, nahm sie sich fest vor.
Ihr Gesicht hatte sich in eine starre, undurchschaubare Maske verwandelt.
Als sie wieder in den Flur kam, war Holger fertig zum Gehen.
Innerlich war sie so wütend über sein Verhalten, seine Lügengeschichten und sein bescheuertes Macho-Gehabe, aber sie hatte auch große Angst, ihn zu verlieren.
„Lass uns später in Ruhe darüber reden“, schlug sie vor, um die Situation zu entschärfen.
„Ich muss jetzt hier raus und Dampf ablassen. Es ist zum Kotzen, dass Du mir nachspionierst.“
Tanja spannte ihre Muskeln an und versuchte, die Fassung zu bewahren.
„Du kannst natürlich tun und lassen was Du für richtig hältst, aber ich möchte einfach wissen, ob ich mich auf Dich verlassen kann, wenn es um Krankheiten und so was geht“, log sie ihm ins Gesicht.
In Wahrheit konnte sie es nicht ertragen, wenn er neben seiner Ehefrau noch weitere Frauen vögelte, aber dies auszusprechen hätte alles zwischen ihnen zerstört.
„Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen. Wenn ich mit den Jungs rausgehe, dann will ich manchmal ein wenig flirten und mir Bestätigung holen, aber mehr ist da nicht, ganz ehrlich.“
Sie glaubte ihm kein Wort.
Eine kurze, kühle Umarmung beendete ihr Treffen, das so leidenschaftlich begonnen hatte.
Die Tür fiel ins Schloss. Tanja ließ sich auf den Boden sinken und weinte lautlos, so wie als Kind, wenn sie etwas angestellt hatte und Papa sie mit Missachtung strafte.
Sie war wütend auf sich, weil sie sich selbst in diese Lage gebracht hatte, aber noch wütender war sie auf ihre eigenen Unwahrheiten, die bitterer schmeckten als die Schwedenkräuter, die ihr als kleines Mädchen bei Erkältungen eingeflößt wurden.
„Wenn ich doch nur anders wäre, besser wäre, dann könnte ich ganz bestimmt mit einem Mann eine richtige Beziehung führen“, machten sich ihre Gedanken wieder einmal selbstständig.
Es tat wieder weh, furchtbar weh, so wie damals.