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Die Zündschnur

Eine Woche nach dem Unfall saßen Christoph und Nancy am Samstagnachmittag zusammen auf der Couch. Unter der Woche hatten sie sich nicht gesehen, nur einmal kurz telefoniert, aber das war in letzter Zeit nichts Ungewöhnliches. Nancy machte einen angespannten Eindruck. Die Energie im Raum war schwer und unbehaglich.

„Es war eine harte Woche, ich fühle mich ziemlich erledigt“, sagte Nancy.

Ihr Gesicht wollte von körperlicher Überforderung und emotionaler Unzufriedenheit erzählen, doch wie üblich war sie sorgfältig geschminkt, so dass ihre Maske ein völlig anderes Bild von ihr zeigte. Schön, glatt, perfekt, aber auch irgendwie unecht.

„Man sieht es Dir an“, hätte Christoph beinahe geantwortet, er hatte aber keine Lust auf die ewig gleiche Diskussion.

„Sie will sich einfach nicht mit sich und ihren Problemen auseinandersetzen, denn das könnte ja dazu führen, dass sie etwas ändern müsste“, dachte er.

Christoph gab ihr die Visitenkarte von Nina Paulus. Er hatte in der Woche viel über Ninas Worte nachgedacht. Es hatte etwas in ihm ausgelöst, was er noch nicht einordnen konnte. Ihm war aber klar, dass eine andere Frau nicht das bevorzugte Gesprächsthema von Nancy war.

„Und? Hast Du sie mal gegoogelt?“, fragte sie.

„Ja, hab ich gemacht. Ihre Homepage wirkt nett. Sie hat auch einige Bücher geschrieben, vielleicht kaufe ich eins.“

„Ach so?! Nach einem von dieser Tussy verursachten Unfall kauft das Unfallopfer dann also auch noch ein Buch von der netten Lady?“

Nancy rang um ihre Fassung. Sie hatte schon seit einigen Tagen ein ungutes Gefühl, als wenn etwas auf sie zukommt, dass sie nicht kontrollieren kann. Und jetzt schien sich ihr Freund einer anderen Frau zuwenden zu wollen, aus welchen Gründen auch immer. Ihre Gefühlslage schwankte zwischen Eifersucht, Ärger über die ungewollte Stress-Situation und Resignation, weil sie keine Kraft zum Kämpfen mehr hatte. Die Arbeitswoche hatte die letzten Reserven gekostet.

„Ich hab dir doch schon gesagt, dass ich kein Interesse an dieser Frau habe.“

Kaum ausgesprochen fühlte er, dass er gelogen hatte. Das war ihm vorher nicht bewusst gewesen.

„Mist“, dachte er, „jetzt wird es kompliziert.“

Er konzentrierte sich wieder auf das Gespräch und merkte, wie eine diffuse Angst in ihm hochkroch, so wie ein Giftstoff nach einem Insektenstich langsam vom Blutkreislauf im ganzen Körper verteilt wird.

„Aber ich muss auch ehrlich sagen, dass dieses kurze Gespräch immer noch in mir nachhallt.“

Sie sprang auf, als wollte sie flüchten, ging aber nur kurz in die Küche, holte sich ein Glas Wasser und setzte sich wieder zu ihm.

„Tief durchatmen“, dachte sie, „noch ist nichts Entscheidendes passiert. Erst mal zuhören und ihn dabei genau beobachten“, versuchte sie sich selbst zu beruhigen.

Sie setzte eine andere Maske auf und zeigte nun ein kühles, selbstsicheres Lächeln.

„Also gut Chris, dann lass mal hören, was diese Frau und das kurze Gespräch in Dir ausgelöst haben.“

Christoph war überrascht. Er bemerkte ihr Lächeln, war aber nicht in der Lage es einzuordnen, sonst wäre er vielleicht vorsichtiger gewesen. So freute er sich, dass er endlich mit jemandem darüber reden konnte.

„Sie hat mich gefragt, ob ich eher an Zufälle oder an einen Sinn im Leben glaube. Ich habe geantwortet, dass ich nur an mich selbst glaube. Da lachte sie und sagte, dass ich nicht diesen Eindruck machen würde. Merkwürdig war, dass ich dabei spürte, dass sie Recht haben könnte.“

Nancy war etwas verwirrt.

„Warum sollte man sich mit solchen Fragen beschäftigen? Das Leben ist doch schon anstrengend genug“, dachte sie.

„Und dann?“, fragte ein neugieriger Anteil in ihr.

„Erstaunlicherweise sprach sie dann über Spiritualität. Du weißt ja, für mich ein Grusel-Thema, weil ich immer dachte, es geht dabei um Religion. Nach meinen Erfahrungen mit der katholischen Kirche will ich damit nie wieder etwas zu tun haben. Sie aber sagte, bei Spiritualität geht es im Grunde um die Frage nach einem Sinn für dieses Leben. Ist alles zufällig in unserem Leben, oder gibt es eine »sinnvolle« Ordnung?“

Christoph stand auf, ging ans Fenster und schaute hinaus auf die Straße. Nancys Wohnung lag im 5. Stock. Unten gingen die Menschen ihren üblichen Beschäftigungen nach.

„Ist nicht doch alles sinnlos? Brauchte es überhaupt einen Sinn? Konnte Einkaufen der Sinn sein? Oder Sicherheit? Oder Freiheit?“

Seine Gedanken kreisten schon einige Tage um diese Fragen, und er war nicht in der Lage, das alles einfach wegzudrücken.

„Ich weiß auch nicht warum, aber das alles hat etwas in mir ausgelöst.“

Er drehte sich zu ihr um.

„Und ich frage mich auch nach dem Sinn unserer Beziehung“, warf er ihr den Satz wie eine Handgranate vor die Füße.

Erschreckt sah sie auf den Boden, auf den Sprengsatz und auf die brennende Zündschnur.

Das Theater in mir

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