Читать книгу Monkey Mind - Ralph De La Rosa - Страница 18
Über Wut als Urgefühl und … Textverarbeitungsprogramme
ОглавлениеGENAU AB DEM MOMENT, ALS ICH MICH hinsetzte, um an diesem Buch zu arbeiten, ging alles schief. Ich öffnete meinen Laptop, klickte auf mein Textverarbeitungsprogramm und konnte plötzlich nicht mehr auf meinen Account zugreifen. Es folgten stundenlange Telefonate mit einer Armada an unfähigen Kundendienstmitarbeitern, wovon ich die meiste Zeit allerdings in der Warteschleife verbrachte. Meine Odyssee wurde von Kaffeehaus-Jazz und Verkaufsangeboten begleitet, immer wieder unterbrochen von Dialogen mit zu falscher Freundlichkeit ausgebildeten, nur kaum menschlich wirkenden Mitarbeitern.
Am liebsten hätte ich geschrien. Wissen die denn nicht, dass ich gerade mein erstes Buch anfangen will? Hatten sie etwa keine Ahnung von den Problemen, mit denen junge Autoren wie ich zu kämpfen haben? Wie konnten diese Menschen nicht sehen, dass ich einen langen Kampf gegen meinen inneren Schweinehund ausfechten musste, um überhaupt an diesen Punkt zu kommen und mich endlich vor eine leere Seite zu setzen? Ich hatte meine Schallplattensammlung alphabetisch und meinen Kleiderschrank nach Farben geordnet, um diesen einschüchternden Moment zu vermeiden. Und jetzt das.
Mein Herzschlag beschleunigte sich, die Schultern verspannten und die Fäuste ballten sich, meine Beine unter dem Tisch begannen zu zittern, und es fiel mir schwer, mich zusammenzureißen. Natürlich begann auch mein Geist, Karussell zu fahren. Ich hatte paranoide Gedanken und fragte mich, ob das vielleicht ein Zeichen sei. Soll das mit dem Buch einfach nicht sein? Vielleicht spielt mir das Universum einen Streich. Ist vielleicht der Merkur rückläufig? Am meisten Sorgen machte mir, dass ich nach all dem gar keine Lust mehr haben würde zu schreiben. Wechselnde Varianten von »Wieso ich?«, »Warum heute?«, »Wieso gebe ich denen eigentlich mein Geld?« schossen mir durch den Kopf. Ich muss leider gestehen, dass es mir immer schwerer fiel, mich anständig zu verhalten.
Klingt übertrieben dramatisch? Das war es. Später wurde mir klar, dass mein Körper und Geist sich so verhielten, als würde ich angegriffen. Alle körperlichen Anzeichen dafür waren vorhanden. Ein Energieschub schoss in Arme und Beine, der sich in geballten Fäusten und wippenden Füßen entlud. Diese automatische körperliche Reaktion ist dann hilfreich, wenn ich vor etwas weglaufen oder mich mit Fäusten oder einer Waffe verteidigen muss. Meine Gedanken waren ganz im Opferprogramm, Kampf oder Flucht – ausgelöst von meinem limbischen System. Weil es aber niemanden gab, gegen den ich kämpfen oder vor dem ich hätte fliehen müssen, wandten sich meine Gedanken der Frage zu, ob ich verflucht war oder ob die Sterne irgendwas damit zu tun haben könnten. Wahrscheinlich arbeitete da gerade meine Inselrinde, eine Region der Großhirnrinde, die unklaren Situationen Sinn zu geben versucht.18 Auf der körperlichen Ebene waren selbst Wut und Empörung ein Resultat der legendären Kampf- oder Fluchtreaktion, die sich über Jahrtausende hinweg entwickelt hat und unseren Körper in Gefahrsituationen mobilisiert.
Mein Problem lag in der Wahrnehmung. Es gab ja keine reale Bedrohung; das aber war meinem Gehirn in dem Moment egal. Es stimmt schon, dass meine Lebensgrundlage (und logisch weitergedacht damit auch mein Überleben) gefährdet war, aber die einzigen konkreten Bedrohungen, die während dieses Telefonats vorlagen, waren vergeudete Zeit, banale Ärgernisse und das unangenehme Gefühl, wie ein unwichtiger Kunde behandelt zu werden (und nicht als Person). Ich erlebte eine emotionale Reaktion, die nicht im Verhältnis zur eigentlichen Situation stand und die wahrscheinlich noch verschärft wurde durch die Tatsache, dass ich es als traumatisierter Mensch hasse, von anderen eingeschränkt zu werden. Vielleicht empfindest du lange Telefonate mit dem Kundenservice als nicht so sadistisch und beengend wie ich, aber ich garantiere dir, dass auch du eine eigene Wahrnehmung dieser Situation hast. Ohne dich persönlich zu kennen, bin ich sicher, dass du schon hyperdynamische Geisteszustände erlebt hast, in denen es für dich ums blanke Überleben ging, was aber in keinem Verhältnis zur tatsächlichen Realität stand, mit der du konfrontiert warst.
Ärger beim Autofahren ist da ein typisches Beispiel oder unsere Reaktion, wenn unser Partner oder unsere Partnerin etwas tut oder nicht tut, über das wir, verdammt noch mal, schon dreimal gesprochen haben. Ich bin mir sicher, dass dieser emotionale Zustand dazu führt, dass wir Sachen sagen und tun, von denen wir eigentlich genau wissen, dass sie unangebracht sind. Es ist etwa so, als würde dich ein Teil in dir kontrollieren, während ein anderer Teil gezwungen ist, hilflos zuzusehen.
Ich weiß, dass es auch dir passiert, weil es uns allen passiert. Egal, wie viel wir an uns gearbeitet haben, wie oft wir meditieren oder ob wir versuchen, »nur positive Gedanken« in unser Gehirn einzutätowieren, irgendwann erleben wir alle unseren inneren Wirbelsturm. Dafür gibt es einen Grund – und es ist nicht unsere Schuld.