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Evolution der Schildkröte, Evolution des Hasen

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UNSER WISSEN ÜBER DIE EVOLUTION unserer Spezies hilft uns auch, solche unverhältnismäßigen Reaktionen besser zu verstehen. Denken wir an die immense Kluft zwischen unserer biologischen und sozialen Entwicklung. Die biologische Evolution ist ein unglaublich langsamer, schrittweiser Prozess. Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse lassen darauf schließen, dass es zwischen fünf und acht Millionen Jahre gedauert hat, bis wir uns von den Affen (mit denen wir gemeinsame Vorfahren haben, von denen wir aber nicht direkt abstammen; Anm. des Verlags) zu den unglaublich komplexen Wesen entwickelt haben, die wir heute sind. Fünf bis acht Millionen Jahre. Ein Grund dafür ist, dass es Generationen dauert, bis ein Gen als Reaktion auf das Umfeld des Organismus mutiert. Es dauerte beispielsweise etwa 364.000 Jahre, bis sich Augen wie unsere sich von lichtempfindlichen Flecken zu den einer Kamera ähnlichen Organen entwickelten, die sie heute sind.19

Die soziale Evolution des Menschen ist eine ganz andere Geschichte. Die menschliche Spezies gibt es bereits seit 100.000 bis 200.000 Jahren (also ungefähr halb so lang wie die Entwicklung der Augen). Unsere frühesten Gemeinschaften wurden gegründet von Nomaden, Jägern und Sammlern, bis sich vor etwa 12.000 Jahren die Landwirtschaft entwickelte. Rechnen wir nach: Es dauerte allein 188.000 Jahre, um herauszufinden, wie man Getreide anbaut und Vieh züchtet. Machen wir jetzt einen Zeitsprung von 11.800 Jahren, vom Beginn der Landwirtschaft bis zur industriellen Revolution. Damals haben wir plötzlich die Fähigkeit entwickelt, Produkte in kürzerer Zeit zu produzieren und zu transportieren. Auf dem Zeitstrahl der technischen Evolution dauerte dies kaum länger als ein Wimpernschlag und die menschliche Spezies vernetzte sich weltweit. Unser soziales Umfeld begann, sich unglaublich rasch weiterzuentwickeln. Weniger als 200 Jahre nach der industriellen Revolution verfügen wir über Mobiltelefone, also etwa ab dem Moment, als BARACK OBAMA seinen Sitz im Weißen Haus eingenommen und KATY PERRYS I kissed a girl den ersten Platz der Charts erobert hat. Von da an veränderten sich unsere Interaktionen und die Herangehensweise an das Leben wiederum drastisch.

Die soziale Evolution hat sich so sehr beschleunigt, dass radikale Neuorientierungen wie diese innerhalb weniger Jahre stattfinden. Auf der anderen Seite ist unsere Biologie dazu verdammt, im Schildkrötentempo zu kriechen, etwa so, als ob du Instagram auf einem Klapphandy installieren wolltest. Unsere veraltete Hardware passt nicht gut zu unserer sozialen Software und zu ihren ständig wachsenden, komplexen Entwicklungen. Das Gehirn, das Nervensystem und die Sinne sind darauf eingestellt, mit weit existenzielleren und gefährlicheren Situationen umzugehen als den Lebensumständen vieler Menschen in hochentwickelten Ländern. Das gilt besonders für diejenigen unter uns, die sich aufgrund ihrer hellen Hautfarbe, ihrer dominierenden Geschlechtermerkmale, ihres kräftigen Körpers, ihrer heterosexuellen Orientierung und ausreichend finanzieller Ressourcen im Vorteil befinden.

Vor diesem Hintergrund ist es hoffentlich nicht mehr so schockierend für dich, dass ich (»Oh Gott! Ein Meditationslehrer!«) mich im Kampf-oder-Flucht-Modus befand, als ich in meiner geschützten Wohnung saß und telefonierte. Immer wieder müssen wir erleben, wie unser Nervensystem viel härter arbeitet, als es eigentlich müsste, und uns dadurch in unangenehme Situationen bringt. Es liegt ganz einfach an den Umständen, in die wir hineingeboren wurden; und deren Auswirkungen gehen über unseren persönlichen Rahmen hinaus. Unsere veraltete und ruhelose biologische Hardware spielt eine wesentliche Rolle bei Kriegserklärungen, Umweltverschmutzung, Gier und Gewalt. Wir spüren instinktiv, dass wir in einer Welt leben, in der es um »fressen oder gefressen werden«, »nur die Harten kommen in den Garten« und »das Überleben des Stärkeren« geht.

Diese Mentalität ist überholt, sie ist ein Produkt einer Biologie, die für das Überleben in vergangenen Zeiten gemacht war. Heute löst sie großes Chaos bei uns aus. Auch wenn wir nicht tatsächlich in einer »Jeder-gegen-jeden«-Gesellschaft leben, lassen uns unsere übersteigerten Verteidigungsstrukturen doch glauben, dass es so sei. Diese Vorstellung hat in der Entwicklung von auf Armut und Unterdrückung basierenden Systemen eine große Rolle gespielt, durch die Menschen ausgegrenzt und zu oft in tatsächlich lebensbedrohliche Situationen gestürzt werden. Es wird zwar noch etwas dauern, aber es ist durchaus möglich, dass wir einmal unsere Evolution selbst steuern und diese unpassende Biologie neu ausrichten können. Und auch wenn eine solche Entwicklungsarbeit auf individueller und persönlicher Ebene geleistet werden muss, glaube ich fest daran, dass es auch auf globaler Ebene gelingen kann. Die Ansätze sehen wir heute schon.

Wir Mensch gewordenen Tiere sind immer noch Teil der Natur, und alles in der Natur hat seinen Platz und seine Bestimmung (natürlich gibt es auch Ausnahmen für diese Regel). Wenn die Blätter eines Baumes sterben und auf den Boden fallen, kompostieren sie und werden zu Nährstoffen für die Erde. Winde verteilen den Samen verschiedener Pflanzen an Orte, wo sie eine größere Chance haben, Wurzeln zu bilden. Wenn Raubtiere jagen, regulieren sie unbewusst die Population ihrer Beute, was die Ressourcen im Kreislauf der Natur im Gleichgewicht hält. So ziemlich jeder Aspekt eines jeden Organismus in der Natur hat sich so entwickelt, dass alles systematisch ineinandergreift. Unser Gehirn und unsere Gedanken sind da nicht anders. Unsere primitive biologische Hardware passt definitiv nicht zu unserer aktuellen Situation, aber trotzdem glaube ich, dass alles einen Grund und einen Zweck hat. Doch solange wir damit beschäftigt sind, uns selbst zu verteufeln, oder sicher sind, dass es »nun einfach mal so ist«, ohne einen anderen Blickwinkel einzunehmen, werden wir das nicht wahrnehmen können.

Das Selbst als ein Ökosystem zu verstehen unterstützt die Wachstumsmentalität. In Bezug auf den Monkey Mind stellen sich nun die Fragen: Welches Ziel könnte er haben? Was versucht er, uns zu sagen? Im Laufe dieses Buches werden wir diesen Fragen in drei unterschiedlichen Zusammenhängen nachgehen und dabei drei Varianten der gleichen Antwort finden: Der Monkey Mind fordert dich auf, dein Leben nicht oberflächlich zu leben, sondern in die Tiefe zu gehen. Der Monkey Mind zeigt dir, wie sich ein Leben im Autopilot-Modus anfühlt, und möchte wissen, ob du damit wirklich zufrieden bist. An diesem Punkt unserer Reise durch dieses Buch bittet dich dein Monkey Mind, dich mit deinen wandernden Gedanken zu beschäftigen, deine Aufmerksamkeit zu trainieren und eine wachsamere Beziehung mit deiner Erfahrung einzugehen.

Er bittet dich auch, oder besser, er fleht dich geradezu an, zu meditieren. WILLIAM JAMES, einer der Begründer der modernen Psychologie, schrieb: »Die Fähigkeit, die umherwandernde Aufmerksamkeit immer wieder bewusst einzufangen, ist die Wurzel von Urteilsvermögen, von Charakter und Willen … eine Erziehung, die diese Fähigkeit verbessert, wäre die bestmögliche Erziehung.«20

Was WILLIAM JAMES damals noch nicht wusste, war, dass er bereits die grundlegende Anleitung für die Achtsamkeitsmeditation beschrieb. Und die Fähigkeit zu Urteilsvermögen, Charakter und Willen stehen tatsächlich in Zusammenhang damit, Verantwortung dafür zu übernehmen, in welcher Beziehung wir zu den Dingen stehen. Es geht darum, Verantwortung für unsere eigene Entwicklung zu übernehmen.

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