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1.2 Umgang mit Alkohol

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Nahezu täglich werden wir in unserer westeuropäischen Gesellschaft mit dem Alkohol konfrontiert. In vielen sozialen und kulturellen Anlässen ist der Alkoholkonsum so integriert, dass ein abstinentes Verhalten als abweichend erlebt wird und einer besonderen Begründung bedarf. Neben dem Genuss wird der Alkohol auch häufig zum Stressabbau konsumiert und das in allen Bevölkerungsschichten und nicht nur im Jugendalter, sondern gerade auch im höheren Erwachsenenalter. So stellte das Robert Koch-Institut im Jahr 2017 fest, dass insbesondere die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen regelmäßig zu viel trinkt. Der riskante Alkoholkonsum liegt in dieser Gruppe bei einem Anteil von 19,2 %, während bei den über 65-Jährigen 15 % riskant konsumieren und bei der Gruppe der 33- bis 44-Jährigen 12,3 % regelmäßig zu viel trinken. Diese Zahlen zeigen die Akzeptanz von Alkohol bis ins höhere Alter, trotz der bekannten gesundheitlichen Folgen. Kinder und Jugendliche wachsen also in einer Gesellschaft heran, die den Alkoholkonsum vorlebt. Auch die Alkoholwerbung spricht insbesondere junge Menschen an und »gibt sich betont jugendlich« (Seitz, 2018, S. 111). Nach dem Motto »jung, schön und frei« investierte die Alkoholindustrie allein im Jahr 2015 544 Millionen Euro (ebd., S. 106) und verwendete dabei jugendorientierte Musik, lebhafte Handlungen und effektvolle Farben. Die Gesundheitsrisiken und Gefahren werden dabei komplett ausgeblendet, obwohl zahlreiche Studien darauf hinweisen. Mediziner_innen belegen, dass über 200 Krankheiten durch einen riskanten Alkoholkonsum ausgelöst werden können: von Herz-Kreislauf-Problemen über psychischen Erkrankungen bis zu verschiedenen Arten von Krebs. Allein für Deutschland zeigt die Global Burden-of-Disease-Studie rund 47.000 Todesfälle im Zusammenhang mit Alkohol. Darüber hinaus ist ein Viertel aller Gewaltdelikte von alkoholisierten Täter_innen im Jahr 2018 begangen worden, während 13 % aller Unfälle mit tödlichem Ausgang aufgrund von übermäßigem Alkoholkonsum erfolgten. Entsprechend der Angaben der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) liegt die »risikoarme Schwellendosis« für Männer bei 24 Gramm Alkohol pro Tag, das ist ca. ein halber Liter Bier bzw. ein Viertel Liter Wein. Für Frauen gilt die Hälfte, da der Alkohol aufgrund des niedrigen Wasseranteils im Körper der Frau schneller eine höhere Konzentration erreicht und gleichzeitig das für den Alkoholabbau erforderliche Enzym in geringerer Menge produziert wird, d. h. der Alkohol länger im Körper bleibt (ebd., S. 53). Die DHS ergänzt die Angaben für einen risikoarmen Konsum noch mit dem Hinweis, dass man wöchentlich wenigstens zwei alkoholfreie Tage einlegen sollte.

Aufgrund jahrelanger Arbeit im Bereich der Alkoholprävention ist meine persönliche Empfehlung folgende: Versuche es als »Dunkel- und Wochenendtrinker«! Das bedeutet genussvoller Konsum am Abend und möglichst nur am Wochenende, idealerweise auch nicht jedes Wochenende, sondern am ehesten bei Feierlichkeiten oder besonderen Anlässen. Natürlich gibt es auch mal Ausnahmen wie z. B. im Urlaub. Wobei es wichtig ist, den Unterschied zwischen Genuss und Trunkenheit zu erkennen und zwischendurch auch Wasser zu trinken. Dazu mehr in Kapitel 4 »Weniger Alkohol – mehr Genuss«. Dort wird es dann auch um Jugendliche gehen, denn die Empfehlung hier ist für Erwachsene gedacht ( Kap. 4).

Einen bewussten Umgang mit Alkohol zu pflegen, bleibt jedem bislang selbst überlassen. Gleichwohl gibt es eine Reihe weiterer Empfehlungen im Sinne der ›Punktnüchternheit‹. Das bedeutet, in folgenden Situationen sollte man ganz auf Alkohol verzichten:

auf der Arbeit,

im Straßenverkehr,

beim Bedienen von Maschinen,

beim Sport/beim Schwimmen,

bei Krankheit bzw. bei Einnahme von Medikamenten,

bei Konfliktgesprächen in der Partner- bzw. Freundschaft,

während der Schwangerschaft.

Es ist immer wieder überraschend, dass werdende Mütter überhaupt noch Alkohol trinken, obwohl die Risiken für das ungeborene Kind seit Jahrzehnten bekannt sind. Die Gefahr, dass ein Embryo gravierende Entwicklungsstörungen davonträgt, ist sehr hoch und zeigt sich im verzögerten Wachstum, kleinem Kopf, geringerem Geburtsgewicht, verringerten motorischen und geistigen Entwicklungen, Herzfehlern oder später auftretenden Verhaltensstörungen wie auch Epilepsie. Das fötale Alkoholsyndrom (FAS) wird auch als pränataler Minderwuchs bezeichnet und kann sich vom ersten Moment der Befruchtung anfangen auszubilden. D. h. Frauen, die gerne schwanger werden möchten, sollten ab dem Zeitpunkt der aktiven Entscheidung für eine Schwangerschaft auf den Alkohol verzichten. Dabei sollten Frauen, die gewohnt sind, regelmäßig viel zu trinken, versuchen einen ausschleichenden Prozess des Alkoholverzichts zu wählen und sich etwas Zeit lassen, bevor sie mit dem Schwanger-Werden starten.

Bruce Lipton ruft zu einer »bewussten Elternschaft« auf, die sogar schon vor der Befruchtung beginnt. Elternsein ist also von Beginn an mit einer hohen Verantwortung verbunden, bei der die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eine große Unterstützung bieten können. Inwieweit die deutsche Politik hier ihren Beitrag leistet, bleibt fraglich. Denn betrachtet man die Vorgabe nach dem von der WHO gesetzten Ziel zur Senkung des Alkoholkonsums um 10 % bis 2025, zeigt es sich als unwahrscheinlich, dass Deutschland das Ziel erreicht. Dabei ist längst bekannt, was die Politik tun könnte. Nach der WHO gelten Steuererhöhungen, Werbeverbote und restriktive Verkaufshürden als wirksame Maßnahmen. Aber mit Forderungen nach strengeren Regeln macht man sich nicht beliebt und die Wirtschaftsinteressen der Alkoholindustrie stehen dem auch entgegen, die ja mit entsprechender Lobby politischen Einfluss nimmt. Nach einer Analyse des Fachmagazins Lancet werden die Vorgaben der WHO beispielsweise von den osteuropäischen Ländern besser umgesetzt. Sie konnten den Alkoholkonsum so deutlich reduzieren. Anders in Deutschland! Nach dem Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung im Jahr 2019 trinkt jeder sechste Erwachsene zu viel, weshalb der Satz des Suchtforschers Heino Stöver »Wir als Gesellschaft haben eine Alkoholstörung« treffend formuliert ist.

Alkohol und Drogen in der Familie

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