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2.4 Kommunikationsverhalten: Kontakte zwischen Eltern und Kind

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Kommunikation zwischen Eltern und Kind bildet die Grundlage für das gesamte Bindungsgefüge und damit für die kindliche Entwicklung. Kommunikation ist nicht auf das Miteinandersprechen begrenzt, sondern bezieht alle visuellen, insbesondere mimischen, sowie taktilen und auditiven Austauschprozesse mit ein. Im Umgang mit dem Kind müssen sich die Eltern auch über ihre eigenen Grenzen bewusst sein, um dem Kind deutlich zu machen, was sie ablehnen und was nicht. Dabei ist es ab einem Alter von ca. 18 Monaten auch wichtig, auf eine persönliche Sprache zu achten und nicht zu sagen, was man tut. Je deutlicher die Eltern ihre Absichten zum Ausdruck bringen, desto mehr können die Kinder kooperieren. Eltern, die ihre persönlichen Bedürfnisse und Grenzen verleugnen, laufen Gefahr, sogenannte Helikopter-Eltern zu werden. Sie versuchen das Leben ihrer Kinder in ein Paradies zu verwandeln, ohne Schmerzen, Frustrationen oder Konflikte. Dabei sind auch diese negativen Erfahrungen für die Entwicklung der Kinder notwendig und bereiten sie auf die Unwägbarkeiten des Lebens und deren Bewältigung vor.

Ab einem Alter von ca. zwei Jahren beginnt das Kind sich als Individuum unabhängig von seiner Mutter wahrzunehmen und sein Selbstwertgefühl zu entwickeln. Damit geht einher, dass das Kind beginnt seine neugewonnene Unabhängigkeit mit dem Wort »Nein« auszudrücken. Einigen Eltern verlangt es sehr viel Geduld und Einsicht ab, diese Entwicklung des Kindes gutzuheißen. Andere, die allzu sehr um das Paradies bemüht sind, können dies besser ertragen, fördern ihr Kind dabei aber nicht in deren Entwicklung, wie man mit Konflikten umgeht. Wie so häufig ist der goldene Mittelweg richtig, der hier auf jeden Fall mit der Bewältigung von Konflikten einhergeht. Der Umgang mit Konflikten fördert das Kind in seiner kommunikativen Kompetenz und ermöglicht den Eltern ihre persönlichen Grenzen zu vermitteln.

Konflikte entstehen, wenn die Ziele von Eltern und Kind nicht übereinstimmen oder sogar gegensätzlich sind. Als Grundsatz sollte gelten: So viel Freiheit wie möglich und so viel Grenzen wie nötig. Die Seite der Freiheit ermöglicht die notwendige Autonomieentwicklung des Kindes und die Grenzsetzung wahrt die elterlichen Bedürfnisse bzw. umgekehrt.

Die altersangemessene Bewältigung von Konfliktsituationen gehört zu den frühkindlichen Entwicklungsaufgaben, d. h., das Kind lernt die ersten Konfliktlösestrategien kennen. Dabei müssen die Eltern viel Unterstützung leisten, da es dem Kind noch nicht gelingen kann, sich verbal präzise auszudrücken. Bei einem »Nein« des Kindes sollte die Frage vonseiten der Eltern direkt und einfach formuliert sein, wie z. B. »Was möchtest du?«, um den Wunsch des Kindes zu erfahren und ein »Nein« einordnen zu können. Wichtig ist, dass die Eltern bei dem Konflikt entspannt sind und nicht emotional überreagieren. Denn natürlich haben sie die Entscheidung über Konfliktsituationen bei dem Alter des Kindes noch in der Hand. Aber ein häufiges einfaches Übergehen der Hintergründe einer Konfliktsituation kann die Familiensituation auf Dauer problematisch werden lassen und ausweichende Verhaltensweisen fördern. Der Begriff des ausweichenden Verhaltens beinhaltet alle Verhaltensweisen, die dazu dienen, Problemen aus dem Weg zu gehen, ohne Lösungen anzustreben (Kostrzewa, 2010, S. 20). Kurzfristiges Ausweichen kann dazu dienen, Energie zu tanken, um mit neuer Kraft eine Problemlösung anzustreben. Langfristiges Ausweichen bedeutet die Augen vor den bestehenden Konflikten zu verschließen und diese zu verdrängen. Die Erscheinungsformen des ausweichenden Verhaltens sind gesellschaftlich weit verbreitet und werden als normale Verhaltensweisen akzeptiert. Sie werden als Reaktionen auf Konflikte, Probleme, Streit, Ärger usw. angesehen und fallen nicht weiter auf, so das Rauchen, Alkohol trinken, am Handy spielen, Fernsehen usw. Diese ausweichenden Verhaltensweisen werden von den ausführenden Personen stark gesteuert, tragen aber nicht zur Konfliktlösung bei, sondern stellen eine Art Scheinlösung dar, die bei häufiger Anwendung negative Folgen hat und als Beginn einer Suchtentwicklung in einem banalen Suchtentstehungsmodell verstanden wird.

Das Kind kann sich bei wiederholter Beobachtung die ausweichenden Konfliktverhaltensweisen seiner Eltern aneignen. Die regelmäßige Anwendung von diesen Kompensationsverhaltensweisen kann zur Unzufriedenheit aller Beteiligten führen. Die eigenen Wünsche und Interessen auszusprechen sowie die Bedürfnisse der anderen zu verstehen und zu berücksichtigen, muss durch überstandene Konfliktsituationen erst gelernt werden. Dieser Prozess beginnt früh und geht bis ins Erwachsenenalter, weshalb das Entwickeln von Konfliktlösestrategien in weiteren Kapiteln inhaltsspezifisch bzw. altersadäquat aufgegriffen wird. In den gesamten Kommunikationsprozess zwischen Eltern und Kind sind auch die vier Ebenen nach Schulz von Thun einzubeziehen. Wenn Eltern sich selbst und untereinander besser verstehen, können sie auch eine gelungenere Kommunikation mit ihrem Kind herstellen und so eine gelingende Eltern-Kind-Beziehung aufbauen. Außerdem können Eltern bei einem guten kommunikativen Grundverständnis selbst den Aufbau unangenehmer Gefühle vermeiden: bei sich, bei der_dem Partner_in und beim Kind. Denn allzu oft entstehen unangenehme Gefühle aufgrund von Missverständnissen, Konflikten und Streitigkeiten innerhalb der Familie. Eltern tragen durch ihre kommunikative Kompetenz dazu bei, dass das Kind sich diese ebenfalls aneignen kann.

Nach Schulz von Thun enthält jede Äußerung eines Menschen vier Botschaften gleichzeitig: eine Sachinformation, einen Appell, eine Selbstkundgabe und einen Beziehungshinweis. Auf der Sachebene sollten die Informationen klar und verständlich formuliert werden, damit es dem_der Zuhörer_in gelingen kann, die Inhalte zu verstehen. Sagt eine Mutter z. B. zu ihrem Kind: »Bitte ziehe dich warm an, wenn du rausgehst!«, meint sie auf der Sachebene »Es ist kalt draußen«. Auf der Appellebene meint sie »Zieh eine Jacke an!«, möchte also eine Handlungsanweisung geben, während sie auf der Ebene der Selbstkundgabe über sich preisgibt, dass sie sich Sorgen um die Gesundheit ihres Kindes macht. Und auf der Beziehungsebene macht sie deutlich, dass sie dem Kind nicht zutraut, die richtige Entscheidung bezüglich der Kleidungswahl zu treffen. Eltern erwidern gerade an dem Punkt der Beziehungsebene häufig, dass sie es dem Kind schon zutrauen, die richtige Entscheidung zu treffen, dass sie aber annehmen, dass das Kind es in der Eile vergessen könnte, die Jacke anzuziehen. Dieser Gedanke ist nachvollziehbar, ändert aber nichts daran, dass es bei dem Kind wahrscheinlich so ankommen wird, dass die Mutter es noch für inkompetent hält, was derartige Entscheidungen anbelangt. Selbstverständlich muss man auch noch bedenken, dass das Kälteempfinden der Mutter ggf. ein anderes ist als das des Kindes.

Meine eigenen Erinnerungen an die Kindheit unserer Tochter gehen in diese Richtung. Erst als unsere Tochter ihre Socken im Spielzeugbackofen im Kindergarten versteckte, war die Botschaft so eindeutig, dass sich mein mütterliches Verhalten änderte und ich die Form der kindlichen Bestrebungen zur Selbstregulation richtig einordnete. Während meine Füße immer leicht unterkühlt sind, sind die Füße meiner Tochter immer warm, weshalb sie auch heute noch gerne im Haus barfuß läuft. Diese Erfahrungen müssen Eltern oft erst machen, um das Bewusstsein für unterschiedliche Gefühlsregulationen zu gewinnen.

Dieses einfache Alltagsbeispiel zeigt die verschiedenen Aspekte, die bei der Kommunikation bedacht werden müssen. Innerhalb der Familie geschieht es häufig, dass auf der Beziehungsebene Missverständnisse entstehen, auch zwischen den Eltern.

Grundsätzlich ist darauf zu achten, dass unterschiedliche Ansichten nicht vor dem Kind ausgetragen werden. Differenzen zwischen den Eltern verunsichern das kleine Kind und bieten ihm keine gute Orientierung für das richtige Verhalten.

Im Erziehungsalltag treten selbstverständlich auch Situationen auf, in denen vonseiten der Eltern agiert wird. Deshalb ist es wichtig, bestimmte Regeln vorab abzusprechen, um in der Erziehungssituation sicher zu handeln. Denn kontroverse Diskussionen oder sogar Streitigkeiten, die vor dem Kind ausgetragen werden und die um das kindliche Verhalten gehen, können dazu führen, dass das Kind mit zunehmendem Alter die Situation versucht für sich auszunutzen, um die eigenen Ziele zu erreichen. Konfliktlösestrategien und ausweichende Verhaltensweisen werden häufig vom elterlichen Vorbild gelernt, weshalb die bewusste Elternschaft sich als Grundstein einer guten Erziehung im Sinne bester Prävention erweist.

Alkohol und Drogen in der Familie

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