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3.2 Vorbildverhalten am Beispiel Tabakkonsum

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Nichtrauchende Eltern sehen sich hier klar im Vorteil, können sie doch authentisch vermitteln, dass das Rauchen ungesund ist, weshalb sie es selbst nicht tun bzw. damit aufgehört haben. Aber es kann auch rauchenden Eltern gelingen, den Kindern glaubwürdig zu vermitteln, dass es besser ist, nicht mit dem Rauchen anzufangen, nämlich dann, wenn sie sich selbstkritisch zeigen – was im Folgenden genauer betrachtet werden soll. Doch zuvor ist es notwendig, die Erkenntnisse diesbezüglich zu beleuchten, um einen Gesamteindruck von der Situation zu gewinnen.

Die Datenlage für den Tabakkonsum von Grundschulkindern ist sehr gering und bezieht sich vorwiegend auf Ergebnisse, die sich auf das bundesweit bekannte Präventionsprogramm Klasse 2000 beziehen. Dieses Programm versucht mittels interaktiver Methoden die Lebenskompetenz von Grundschulkindern zu fördern und sie zu einem gesunden Lebensstil zu erziehen. Die Lebenskompetenz wird in der Suchtvorbeugung als Ausgangspunkt der Konsumkompetenz (Kostrzewa, 2019, S. 282) gesehen. Die WHO definiert Lebenskompetenz als diejenigen Fähigkeiten, die einen angemessenen Umgang sowohl mit unseren Mitmenschen als auch mit Problemen und Stresssituationen im alltäglichen Leben ermöglichen: Wie schon in den vorherigen Kapiteln beschrieben, nehmen Eltern durch ihr eigenes Verhalten früh Einfluss auf die Entwicklung von sozialen Kompetenzen bei ihren Kindern. Durch die Förderung der kindlichen Ressourcen kann die Lebenskompetenz gestärkt werden. Darauf aufbauend kann mit zunehmendem Alter der Kinder die Gesundheitskompetenz ausgebildet werden. Diese richtet sich auf die Verbesserung gesundheitsrelevanter Lebensbedingungen durch entsprechendes Wissen und Entscheidungsfähigkeit unter Berücksichtigung der Selbstregulation, um ein gesundes Leben zu führen. Das bedeutet, dass Eltern an ihre Kinder relevantes Gesundheitswissen weitergeben sollten, damit diese bezüglich ihres Konsumverhaltens im Sinne ihrer Gesundheit richtig handeln können.

Diese Erläuterungen der Zusammenhänge von Lebens-, Gesundheits- und Konsumkompetenz machen die Komplexität der Aufgabe einer gesundheitsbewussten Erziehung gut deutlich. Das Programm Klasse 2000 richtet sich nicht nur an die Kinder, sondern unterstützt auch Eltern bei dieser Aufgabe. Anhand einer Studie des IFT-Nord zeigen sich auch noch drei Jahre nach Beendigung des Klasse-2000-Programms positive Effekte bei den Kindern auf das Rauchverhalten. Demnach lag die Lebenszeitprävalenz der Interventionsgruppe um 7,5 % signifikant niedriger als in der Kontrollgruppe (Isensee, Maruska, Hanewinkel, 2015, S. 132). Drei Jahre nach Beendigung der Grundschule befinden sich die Kinder im Alter von ca. 13 Jahren, ein Alter, in dem das Rauchverhalten beginnt zuzunehmen. Nach der Drogenaffinitätsstudie Studie der BZgA von 2019 haben 17 % der Kinder und Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren schon einmal geraucht, während in einem Alter von 12 bis 17 Jahren bereits 7,2 % regelmäßig konsumieren. Auch das LBS-Kinderbarometer (2001) belegt, dass der Anteil der Raucher_innen mit zunehmendem Alter steigt: Hatten in der vierten Klasse 4 % der Kinder Kontakt mit Zigaretten, liegt der entsprechende Wert für Siebtklässler_innen bei 29 %.

Darüber hinaus lieferte diese Studie auch Hinweise auf die Vorbildfunktion von Eltern. Kinder von rauchenden Eltern haben eine höhere Wahrscheinlichkeit später selbst zu Raucher_innen zu werden. Entsprechend des Modelllernens stellt sich dies jetzt nicht als Überraschung dar. Und trotzdem gibt es Studien, die zeigen, wie es rauchenden Eltern gelingen kann, ihre Kinder zu unterstützen nicht mit dem Rauchen zu starten. Es ist nachgewiesen, dass die elterliche Ablehnung des Rauchens stärkeren Einfluss auf das Nichtrauchen ihrer Kinder hat als das elterliche Rauchen selbst. Entscheidend hierfür ist das normative Signal der Eltern, dass den Kindern eine starke ablehnende Haltung gegenüber dem Rauchen vermittelt (Raschke et al., 2009, S. 34).

Gelingt es rauchenden Eltern, selbstkritisch ihren Kindern zu vermitteln, dass sie das Rauchen an sich ablehnen, sie es aber auch nicht geschafft haben, mit dem Rauchen aufzuhören, weil sie süchtig nach Zigaretten sind, hat dieses normative Signal eine größere Wirkung auf die Kinder als die Vorbildfunktion. Das erfordert selbstverständlich Einsicht, Ehrlichkeit und das Eingeständnis, eine Schwäche zu haben. Für einige Eltern sicher eine große Herausforderung, aber gleichzeitig erhöht es die Glaubwürdigkeit beim Aussprechen eines Rauchverbotes dem Kind gegenüber und damit die Chance auf Erfolg.

Gleichzeitig könnte es auch ein Schritt sein, selbst daran zu arbeiten, eventuell doch Strategien in Richtung Rauchstopp zu entwickeln. Viele Eltern haben schon von der treibenden Kraft ihrer Kinder berichtet, die Anstoß gaben mit dem Rauchen aufzuhören. Gelingt rauchenden Eltern das beschriebene normative Signal der Ablehnung des Rauchens ihrer Kinder nicht, greift die negative Vorbildfunktion. Das bedeutet, Kinder von rauchenden Eltern sehen eher eine Verbindung von Rauchen und Erwachsensein als Kinder von Nichtraucher_innen. Da Kinder das Ziel haben, möglichst schnell den Erwachsenenstatus zu erlangen – um dann vermeintlich frei über sich entscheiden zu können – kann dies dazu führen, dass sie entsprechend der Beobachtung des elterlichen rauchenden Modells, in gedanklicher Vorwegnahme der erwünschten Wirkung, annehmen, durch das eigene Rauchverhalten als erwachsen eingestuft zu werden. Im Vergleich zu Kindern nicht rauchender Eltern werden die Kinder, deren Elternteile beide rauchen, fast dreimal so häufig selbst zu Rauchern. Darüber hinaus zeigt sich die negative Vorbildfunktion von Eltern geschlechterabhängig: Während eine rauchende Mutter auf Töchter und Söhne gleichermaßen negativ wirkt, ist der Einfluss von rauchenden Vätern auf die Töchter nicht gegeben, aber Söhne werden 2,4-mal häufiger zu Rauchern, verglichen mit Söhnen nicht rauchender Väter (Ärztezeitung, 2009).

Alkohol und Drogen in der Familie

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