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3 Elternverhalten: Schlechtes Vorbild oder gutes Modell?

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Schon Pestalozzi schrieb: Erziehung ist Vorbild und Liebe! Solange die Kinder klein sind, orientieren sie sich an den elterlichen Vorbildern. Trotzdem ist Nachahmung kein Automatismus, die Zuneigung des Kindes zu einem bestimmten Vorbild ist dabei entscheidend. Eltern, denen es gelingt, eine emotionale Bindung zu ihrem Kind aufzubauen, sind da klar im Vorteil. Wobei es Eltern natürlich nicht darum gehen kann, ein Abbild von sich zu schaffen, ganz im Gegenteil! Die Individualität eines jeden Menschen steht immer im Vordergrund. So repräsentieren Vorbilder zwar Werte, Haltungen und Verhaltensweisen und können Einfluss auf das Kind nehmen, aber sie drängen nicht darauf, nachgeahmt zu werden. Vorbilder verfügen über einen Vorsprung an Erfahrung und Kompetenz und können bei dem beobachtenden Kind einen Anreiz schaffen bzw. motivierende Kräfte freisetzen, vergleichbar zu handeln. Der Begriff Vorbild ist im 20. Jahrhundert in Kritik geraten, da er häufig mit Autorität assoziiert wird. In unserer individualisierten Gesellschaft steht aber Selbstbestimmung und Selbsterfindung im Fokus, deshalb wird in wissenschaftlichen Theorien auch häufig von Modell gesprochen. Allen voran steht hier das sogenannte Modelllernen nach der Lerntheorie von Bandura. Demnach erweist sich das Modelllernen dann als besonders erfolgreich, wenn das Modell als positiv, beliebt und respektiert wahrgenommen wird.

Das Modelllernen beruht auf der Beobachtung von Verhalten und der gedanklichen Vorwegnahme einer gewünschten Wirkung: Wenn ich mich genauso verhalte, wie ich es bei meiner Mutter/meinem Vater beobachtet habe, werde ich die gleiche Wirkung erzielen. Das beobachtende Kind ist so in der Lage, sich auch komplexe soziale Handlungen anzueignen, d. h., es ahmt nicht willkürlich irgendwelche Verhaltensweisen nach, sondern kann diese Handlungsweisen auch zum passenden Zeitpunkt im richtigen Kontext anwenden, ganz unabhängig davon, ob es positive oder negative Verhaltensweisen sind. Insofern sollten sich Eltern immer wieder dieser beobachtenden Kontrolle ihres Kindes bewusst sein und ihr eigenes Verhalten gut reflektieren, um nicht ein schlechtes Vorbild zu sein.

Eine bewusste Elternschaft impliziert, als gutes Modell wirksam sein zu können, und bezieht eine gute Emotionsregulation mit ein. Besonders bedeutsam ist dabei der Umgang mit herausfordernden Alltagssituationen wie Stress, Ärger, Angst oder Trauer. Können Eltern in Stresssituationen ihre negativen Emotionen so regulieren, dass sie eine positive Grundstimmung in der Familie beibehalten, können sie für ihr Kind gute Modelle in der Emotionsregulation sein und die soziale Kompetenz ihrer Kinder fördern. Hingegen kann ein wiederkehrendes negatives emotionales Familienklima, das von Konflikten zwischen den Familienmitgliedern geprägt ist, dem Kind auch wenig angemessene Konfliktstrategien vermitteln. Kinder, die in einem negativen Familienklima aufwachsen, wird wenig Toleranz für die Äußerung eigener negativer Emotionen entgegengebracht. Sie lernen negative Emotionen innerhalb der Familie zu unterdrücken, zeigen dann aber häufig im Umgang mit Gleichaltrigen aggressives Verhalten und geringe soziale Kompetenz. Die negativen Emotionen haben sich beim Kind gleichsam innerhalb der Familie angestaut und werden dann in der Peergroup herausgelassen. Derartige negative Verhaltensweisen sind in der Regel ein Hinweis auf ein gestörtes Familienklima. Denn das schlechte Vorbild wirkt im doppelten Sinne: erstens durch das Beobachtungslernen, d. h., das negative Verhalten der Eltern wird gespiegelt, zweitens aufgrund eines Mangels an alternativen Konfliktlösungsstrategien, weshalb das Kind kein sozial kompetentes Verhalten in seiner Gleichaltrigen-Gruppe zeigen kann.

Das Erlernen von Konfliktlösestrategien zeigt sich auch hier als äußerst relevant. Dabei lassen sich grob vier Strategien unterscheiden: die konstruktive, die anpassende, die durchsetzende und die vermeidende. Letztere lässt keine direkte Auseinandersetzung zwischen den Konfliktpartner_innen zu, während die durchsetzende bedeutet, dass unter Einsatz von Machtmitteln um den Konfliktausgang ›gekämpft‹ wird. Die anpassende Strategie beinhaltet hingegen ein Nachgeben ggf. zugunsten eines übergeordneten Ziels und führt zum Konfliktende. Bei der konstruktiven Konfliktlösestrategie findet eine echte Auseinandersetzung statt, und es werden Kompromisse eingegangen bzw. ein Interessensausgleich wird angestrebt. Gelingt es den Eltern untereinander und in der Interaktion mit ihrem Kind Konflikten adäquat zu begegnen, kann das Kind in prosozialem Verhalten gefördert werden, und aggressiven Verhaltensweisen kann präventiv begegnet werden.

Schon Piaget hob die zentrale Rolle von Konflikten in der kognitiven, emotionalen und sozialen Entwicklung von Kindern hervor. Spätestens ab dem Grundschulalter nehmen die Kontakte außerhalb der Familie stetig zu, weshalb zum Aufbau zwischenmenschlicher Kontakte eine erfolgreiche Konfliktbewältigung der Kinder notwendig ist. Der Aufbau von Freundschaften hat gleichzeitig Einfluss auf den Schulerfolg, auf die kindliche Gesundheit und auf die soziale Akzeptanz. Andauernde und belastende Konflikte in der Familie und mit Freund_innen können Auslöserinnen von kompensierenden Konsumverhaltensweisen sein und den Beginn einer negativen Entwicklung hinsichtlich Genuss- und Suchtmitteln bedeuten.

Der frühe Einfluss elterlichen Vorbildverhaltens wurde beispielsweise im Bereich Ernährung festgestellt. Das explizite mütterliche Modellverhalten im Konsum gesunder Nahrungsmittel kann beim Kind zu deren erhöhtem Verzehr führen. Dabei hat die kindliche Eigenverantwortung einen steigernden Effekt auf den Verzehr gesunder Nahrungsmittel. Daran zeigt sich, dass die elterlichen Regeln zunehmend mit dem heranwachsenden Kind ausgehandelt werden sollten, damit die Umsetzung erfolgreich ist.

Alkohol und Drogen in der Familie

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