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2. Tätigwerden für andere Verwaltungsstellen (Abs. 1)

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Abs. 1 begründet eine Eilzuständigkeit der Polizei für andere Stellen bei Gefahr in Verzug.

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Voraussetzung ist, dass eine andere Stelle nach gesetzlicher Vorschrift mit der Aufgabe der Gefahrenabwehr (§ 1 Abs. 1) betraut ist. Andere Stellen sind nichtpolizeiliche öffentliche Stellen, d. h. solche, die nur in geringem Umfang polizeiliche Aufgaben wahrnehmen oder die zwar auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr tätig, jedoch institutionell von der Polizei getrennt sind. Dazu zählen z. B. die Feuerwehr (vgl. §§ 1 Abs. 1 Satz 2; 2 Abs. 1 FwG), die Jugendämter (vgl. JuSchG, SGB VIII, § 26 LKJHG) und Beliehene auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr (vgl. z. B. § 29 Abs. 3 LuftVG, § 106 SeemannsG, § 50 FischG, §§ 29, 30 LJagdG). Auch das Landesamt für Verfassungsschutz ist eine andere Stelle (vgl. § 2 Abs. 2 LVSG). Zu beachten ist aber, dass diesem Amt keine polizeilichen Befugnisse zustehen (§ 5 Abs. 3 LVSG). Deshalb darf die Polizei im Eilfall auch keine Maßnahmen aufgrund des Polizeigesetzes treffen, zu denen das Amt selbst nicht befugt ist.

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Polizeibehörden und -dienststellen des Bundes sind auch andere Stellen i. S. des Abs. 1. Dennoch ist eine Eilzuständigkeit nach Abs. 1 für den Polizeivollzugsdienst des Landes ausgeschlossen, weil die insoweit abschließende Regelung des § 124 für sein Tätigwerden im Zuständigkeitsbereich des Bundes eine ausdrückliche bundesrechtliche Grundlage (z. B. § 64 BPolG) voraussetzt. Gleiches gilt für die Nachrichtendienste des Bundes (Bundesamt für Verfassungsschutz, MAD und Bundesnachrichtendienst). Die in § 124 nicht genannten Polizeibehörden dürfen nur aufgrund einer Vorschrift des Bundesrechts im Zuständigkeitsbereich des Bundes handeln.

Andere Stelle ist auch die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk. Da diese ausschließlich technische Hilfe u. a. im Zivilschutz und bei der Bekämpfung von Katastrophen leistet und ihr auch keine hoheitlichen Befugnisse zustehen, dürfte eine Eilzuständigkeit der Polizei nach § 2 Abs. 1 praktisch kaum zum Tragen kommen.

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Keine anderen Stellen sind die auf dem Gebiet der speziellen Gefahrenabwehr tätigen allgemeinen Verwaltungsbehörden, wie etwa Baurechts-, Wasser-, Katastrophenschutz- oder Straßenverkehrsbehörden (str., abhängig davon, ob der weite oder enge Polizeibehördenbegriff – siehe § 1, RN 4 – vertreten wird; wie hier VGH BW, VBlBW 1982, 407; Würtenberger/Heckmann/Tanneberger, § 4, RN 13 ff.; a. A. Stephan/Deger, § 2 RN 4 ff.). Sie sind in dieser Funktion allgemeine Polizeibehörden (s. u. § 106, RN 4). Sind sie bei Gefahr in Verzug nicht erreichbar, ist subsidiär der Polizeivollzugsdienst nach § 105 Abs. 2 zuständig, nicht jedoch die sonstigen allgemeinen Polizeibehörden, und zwar auch nicht in analoger Anwendung des Abs. 1 (a. A. VGH BW, BWVBl. 1966, 28; VBlBW 1982, 407).

Keine anderen Stellen sind ferner nichtöffentliche (d. h. private) Stellen, die Aufgaben der Gefahrenabwehr wahrnehmen, ohne dass ihnen hoheitliche Befugnisse zustehen. Dazu zählt z. B. der Rettungsdienst. Seine Aufgabe ist die Notfallrettung und der Krankentransport (§ 1 RDG). Träger des Rettungsdienstes sind die durch Vereinbarung beauftragten Organisationen (§ 2 RDG).

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Ein subsidiäres Handeln der Polizei ist nur bei Gefahr im Verzug erlaubt. Eine solche liegt vor, wenn (erstes Element) zur Verhinderung eines nicht unerheblichen Schadens sofort eingegriffen werden muss und (zweites Element) die an sich zuständige andere Stelle nicht oder nicht rechtzeitig erreichbar erscheint (VGH BW, VBlBW 1986, 308, 309). Letzteres wird im Gesetz – eigentlich überflüssigerweise – noch einmal ausdrücklich angesprochen. Die Nichterreichbarkeit kann sachlich bedingt sein, etwa weil der anderen Stelle die tauglichen Mittel zur Gefahrenabwehr fehlen, sie kann aber auch zeitlich bedingt sein, z. B. ist die andere Stelle nach Dienstschluss nicht besetzt oder sie kann nicht schnell genug handeln. Hat sich die andere Stelle entschieden, trotz Vorliegens der Eingriffsvoraussetzungen, nicht zu handeln, so ist auch der Polizei ein Handeln verwehrt. Nicht erforderlich ist es, dass objektiv eine Gefahr im Verzug vorliegt. Das Gesetz verlangt lediglich eine Situation, die aus der Sicht des Handelnden im Zeitpunkt des Einschreitens als solche „erscheint“. Die Entscheidung, nach Abs. 1 zu handeln, kann also nur dann (gerichtlich) beanstandet werden, wenn die Polizei vorwerfbar die Unaufschiebbarkeit polizeilicher Maßnahmen und/oder die Nichterreichbarkeit der anderen Stelle angenommen hat (vgl. VGH BW, NJW 1990, 1618, 1619). Missverständlich ist allerdings die Aussage des Gerichts, dem Polizeivollzugsdienst sei hier ein „Einschätzungsspielraum“ eröffnet, denn für die hier anzustellende Prognose gilt nichts anderes als sonst auch (s. o. § 1, RN 43).

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Liegen die Voraussetzungen des Abs. 1 vor, darf die Polizei die notwendigen vorläufigen, d. h. unaufschiebbaren Maßnahmen aufgrund des Polizeigesetzes treffen. Ein Rückgriff auf die rechtlichen Befugnisse der „anderen Stelle“ ist der Polizei also verwehrt (OLG Karlsruhe, VBlBW 1997, 193, 194).

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Nach Abs. 2 Satz 2 ist die zuständige Stelle unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 BGB) über die getroffenen Maßnahmen zu unterrichten. Diese entscheidet nun über das weitere Vorgehen und darüber, ob die von der Polizei getroffenen Maßnahmen bestehen bleiben sollen. Werden im Rahmen der Unterrichtung personenbezogene Daten übermittelt, sind die §§ 59 ff. zu beachten.

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Streitig ist, ob die andere Stelle der Polizei die Kosten der bei Gefahr im Verzug getroffenen Maßnahmen zu erstatten hat. Einschlägige Rechtsgrundlagen sind nicht vorhanden und auch ein Anspruch aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag entsprechend §§ 677 ff. BGB dürfte ausscheiden, weil die Polizei hier nicht „auftragslos“, sondern zur Wahrnehmung einer eigenen auf den Eilfall beschränkten Aufgabe tätig wird.

Polizeigesetz  für Baden-Württemberg

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