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Friedwald und Gender

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Jene Frauen, die begonnen haben, das männliche Geschäft der Bestattung wieder zu feminisieren, haben u. a. auf eine besondere weibliche Kompetenz verwiesen, die aus ihrer biologischen Fähigkeit resultiert, Leben zu schenken. Weil sie etwas vom Lebensanfang wissen, ist ihnen auch das Lebensende vertrauter. Auch die Genderforschung betont das zyklische Verständnis der Frau, das den Tod als einen immer wiederkehrenden Prozess im ewigen Kreislauf von Zeugen, Gebären und Sterben begreift, weshalb das Sterben zu einem kreativen Prozess wird. Das Denken und Fühlen in Zyklen sei der Frau bereits biologisch (Sex) durch den sich wiederholenden Monatszyklus zu eigen.

Die Eröffnung des ersten deutschen Friedwaldes 2001 bei Kassel musste diesem weiblichen Verständnis sehr entgegenkommen, denn die Naturbestattung entlastete die Frau nicht nur von der männlich verordneten Grabpflege, wie dies bereits bei der anonymen Bestattung der Fall war, sondern kam auch ihrem zyklischen Todesverständnis sehr entgegen.31 So betonen die Verfechter der Naturbestattung den symbolischen oder sogar realen Zusammenhang der Bestattung mit dem der Natur immanenten Zusammenhang von Werden und Vergehen. Das mag eine geniale Vermarktungsstrategie sein, aber tatsächlich findet sie in den Frauen ihre primäre Zielgruppe.

Lange bevor der erste Friedwald eröffnet wurde, hielt 1995 die Pastorin Sabine Ahrens eine bemerkenswerte Predigt, in der sich das weibliche Verständnis von Sterben und Tod spiegelt, wobei nicht nur der Waldboden eine symbolhafte Bedeutung gewinnt, sondern die ganzheitliche, mit allen Sinnen erlebte Bedeutung von Natur formuliert wurde: „Dann bin ich eines Morgens aufgewacht, und es lag ein anderer Geruch in der Luft: Auf einmal roch es nach Herbst. Ich begann, die verblühten Blumen zu bemerken. Und auf einem Spaziergang durch den Wald hat sie mich erwischt. Die Traurigkeit! Der weiche Waldboden, ein dicker, brauner Teppich aus vermodertem Laub. Ein intensiver Geruch nach Erde. Plötzlich stand es mir ganz greifbar vor den Augen: ,da musst du eines Tages auch hin! In diese Erde‘… dieser Waldboden strahlte auch etwas Warmes und Fruchtbares aus. Eigentlich habe ich es noch nie so mit der Mutter Erde gehabt, aber auf einmal bekam diese Erde für mich etwas Mütterliches. Mutterboden! Ein Ort, wo ich mich hinlegen kann, wo ich alles Schwere ablegen kann. Erde, zu der ich zurückkehren kann und die mich aufnehmen wird. Wo mein Sterben eingebettet sein wird in die Fruchtbarkeit und neues Wachstum. Und ich werde ein Teil davon sein – und bin es schon jetzt. Es war ganz merkwürdig für mich, dass diese Geborgenheit, die ich sonst Gott nenne, dass sich die auf einmal mit der Erde verband.“32

Als diese Predigt im November 1995 in der Dortmunder St. Petri-Kirche gehalten wurde, gab es weder Friedwald noch Ruheforst, auch keinen Seelhain, aber man kann an diesen Worten ablesen, dass für diese Formen der Naturbestattung der Boden im weiblichen Bewusstsein längst vorbereitet war. Noch fehlen empirische Untersuchungen, die eine Bevorzugung der Naturbestattung bei der weiblichen Klientel statistisch untermauern können, aber ein feministischer Blickwinkel auf Sterben und Tod legt diese Annahme nahe.

Ein letzter Gruß

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