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Auftakt: „Schau’n Sie sich das an!“
Оглавление„Man findet oftmals mehr, als man zu finden glaubt.“ Pierre Corneille (1606 – 1684) französischer Dramatiker
Museen, Galerien und Bibliotheken sind verstaubte Anstalten! Wer braucht sie noch im digitalen Zeitalter? Bietet das Internet nicht längst viel umfassendere und bessere Einblicke zum Erbe unserer Urväter? Und ist es nicht sowieso viel bequemer, diese Schätze in aller Ruhe vor dem heimischen Bildschirm zu betrachten? Das können nur Stubenhocker behaupten, die noch nie ein Museum von innen gesehen haben. Google, Wikipedia und Co. helfen bei Nachforschungen, aber sie können nicht virtuell Plätze ersetzen, wo Dinge noch Dinge sind, die man real besichtigen kann. Museen sind durchaus lebendige Orte, wo wir hautnah erfahren, dass Gegenstände noch wirklich und authentisch sind, aufgeladen mit der geheimnisvollen Aura ihrer bewegten Geschichte.
Das ist der Grund, weshalb ich meine Bücher nicht nur vom Schreibtisch aus zu Papier bringe. Das wäre mir zu wenig. Wenn ich über einen mysteriösen Fund berichte, will ich ihn in natura gesehen haben. Das ist nicht in jedem Fall möglich, aber doch in den meisten. Wer in die museale Wunderwelt eintaucht, wird immer etwas entdecken, das zum Staunen zwingt. Manchmal erst auf den zweiten Blick, beim Bemühen, die Geschichte hinter der Geschichte zu erfahren.
Die Kunstschätze und Sammlungen haben einen Bildungsauftrag, in dem Erinnerungen und Wissen zum Werdegang unserer Zivilisation vermittelt werden. Doch wie gesichert ist dieses Weltbild? Kunsthistoriker und Archäologen haben viele Geheimnisse der Menschheitsgeschichte erforscht und gelüftet. Was wir über unsere Vorfahren und versunkene Welten beweisbar wissen, ist dennoch nur Stückwerk. Selbst weltberühmte Entdeckungen wie die altsteinzeitliche Venus von Willendorf, die Gletschermumie „Ötzi“ oder die Pharaonenschätze Tutanchamuns sind immer noch voller Rätsel. Weitaus größer sind die Fragezeichen bei bizarren Gegenständen, die wegen ihrer schwer deutbaren Charakteristik, ungewöhnlichen Altersdatierung oder wegen ihrer rätselhaften Historie sowie ungeklärter Fundumstände mit dem Etikett „Kultobjekt“, „Zierrat“ oder „Kuriosum“ versehen wurden. Was war ihr ursächlicher Zweck? Viele der rätselhaften Funde befinden sich heute in Privatbesitz oder liegen unbeachtet in dunklen Museumsdepots. Das interessierte Publikum erfährt darüber kaum Erhellendes, weiß oft gar nicht von deren Existenz. Bei der Recherche zum vorliegenden Buch bin ich wieder auf merkwürdige Relikte gestoßen, die teils in Archiven zu verstauben drohen oder sogar als verschollen gelten. Doch die meisten Exponate, die ich vorstelle, können problemlos besichtigt werden.
Bei jedem Buch das gleiche Dilemma: Als Autor frage ich mich, welche Themen ich am besten aus dem gewaltigen Fundus wählen soll? Will man möglichst viele Schaustücke und Entdeckungen präsentieren, können wichtige Daten nur „angerissen“ werden. Es besteht die Gefahr, dass man sich hinterher den Vorwurf einhandelt, die Beschreibung der Exponate sei zu oberflächlich ausgefallen oder die ganze Publikation würde eher einem Lexikon entsprechen. Die andere Variante sieht vor, dass es nur einige ausgesuchte Museumsschätze sind, diese dafür aber genauer vorgestellt und hinterfragt werden. Ich habe mich für Letzteres entschieden. Ich präsentiere acht Themenbereiche mit subjektiv ausgewählten Exponaten, die eine mysteriöse oder zumindest wunderliche Geschichte zu erzählen haben. Von kleinen „Ausflügen“ abgesehen, habe ich mich dabei auf Merkwürdigkeiten aus dem Alpenraum beschränkt. Als Freund fantastischer und alternativer Thesen bringe ich wie immer meine Fragen und Überlegungen dazu ein. Man kann ihnen folgen, muss aber nicht, denn „Patentrezepte“ zum Verständnis des geheimnisvollen Wissens unserer Urahnen gibt es nicht.
Jede Leserin, jeder Leser ist herzlich dazu eingeladen, die Geheimnisse „meiner“ Museumsschätze zu überprüfen. Dazu bietet sich an, die erstaunlichen Funde an den vorgestellten Schauplätzen sowie in den Sammlungen und Museen selbst in Augenschein zu nehmen. Das Motto dazu liefert eine legendäre Redewendung des österreichischen Kabarettisten Karl Farkas (1893 – 1971). Bei den Ankündigungen seiner spaßigen Kleinkunstrevuen pflegte der Wiener stets zu sagen: „Schau’n Sie sich das an!“ Das ist auch mein Appell. Wenn es mir gelungen ist, auf den folgenden Seiten in Wort und Bild einige Anregungen für die nächste eigene Spurensuche zu liefern, hat das Buch seinen Zweck erfüllt.
Viel Vergnügen bei den literarischen und realen Entdeckungsreisen!
Reinhard Habeck