Читать книгу Wenn Alpträume wahr werden ... - Reinhard Heilmann - Страница 11

Kapitel 8

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Wendehals stand vor der Liste, die Mertens Punkt für Punkt, Fakt für Fakt weitergeführt hatte und das Blatt war jetzt doch schon

reichlich voll mit Informationen. Auch sämtliche Details, die von den Toten bekannt waren, mussten notiert werden, denn irgendwo konnte ein klitzekleiner Hinweis stecken, der erst bei Betrachtung des Ganzen und der Gegenüberstellung der Fakten und Geschehnisse zueinander, Bedeutung bekommen könnte.

Dass Wong starker Raucher war, man jedoch weder in der Wohnung, noch in der Kleidung Zigaretten oder sonstiges ‘Rauchwerk’ oder Feuerzeug oder Streichhölzer gefunden hatte, war immerhin ein zu beachtender Hinweis. Niemand konnte wissen, dass Wong ganz banal und wenig geheimnisvoll zehn Tage zuvor beschlossen hatte, sich das Rauchen endlich abzugewöhnen und dementsprechend gründlich und komplett alles aus seinem Leben verbannt hatte, was ihn irgendwie an diese Leidenschaft erinnern würde.

Oder die Wunden, die bei Wong sonst noch entdeckt worden waren, auf dem Rücken und auf dem Handrücken, die Würgemale, all’ das konnte ein Hinweis auf Zusammenhänge sein, die Licht in das Dunkel des Falles bringen könnten.

Dann die offensichtliche Durchsuchung von Wong’s Wohnung, schnell und nur oberflächlich gründlich;

der Hinweis auf Pirmasens;

die Fotos von den Übergabeterminen und die Kennzeichen der Fahrzeuge und ein sicher nachprüfbares Indiz: das alte Gemäuer, die Sandsteinquader und die defekte Angel;

auch das kleine Indiz, dass der eine Tote, der Amerikaner, an seinen Fußsohlen Partikel einer Alge hatte, könnte sich als wichtiger Hinweis herauskristallisieren;

oder die Tatsache, dass der eine Tote, möglicherweise Unfalltote,

Chemiestudent war.

„Wissen Sie was, Mertens, ich freß 'nen Besen, wenn dieser Übergabeort auf den Fotos nicht identisch mit unserem Schloss ist, das die Sektenmitglieder bewohnen. Es müsste sich doch

feststellen lassen, ob dieses Gemäuer, das ich bei Befragung der Bewohner nur im Vorbeigehen registriert habe, nicht das gleiche ist, wie auf den Fotos. Nehmen Sie nur die defekte Angel, sehen Sie dort, warten Sie, nehmen Sie die Lupe!”

Jetzt sah es auch Mertens, „sicher, so oft gibt es wohl zweiflügelige Tore von der Höhe nicht, deren zweite Angel von unten nicht mehr so gehalten wird, wie sie ursprünglich angebracht war und dann die markanten Lilienformen ..., Sie haben recht, wenn wir die gefunden haben, sind wir einen ganzen Schritt weiter und können tatsächlich erste Parallelen ziehen. Was meinen Sie, sollen wir nicht langsam auch die Fakten aus dem Fax auswerten, vielleicht bringt uns das ja auch noch ein Stück weiter, ehe wir vielleicht nach Krümeln suchen, die bereits als kompletter Kuchen präsentiert werden?”

„Klar, Sie haben recht, schauen wir uns das Fax mal an!”

Ein gewisser Steven C. Chiang, Hauptmann der Hongkonger Polizei, gibt in dem Fax Daniel H. Wong als einen Kollegen an, der verdeckt an einer Sache ermittelte, die bereits vier Jahre zurückzuliegen scheint, jedenfalls deren Anfänge.

Damals war darin die Bande der Brüder Kwang verwickelt, eine bekannte berüchtigte Bande von ‚Strauchdieben‘ aller Provenienz und es hieß, dass die Kwangs nicht nur am Rauschgiftgeschäft und der Prostitutionsszene beteiligt seien, sondern wie selbst-verständlich, auch an den Spielsalons einschlägiger Spelunken. Man sagte ihnen auch mehrere bestellte Morde nach, Medikamentenschmuggel nach Europa und eine Großproduktion von Plagiaten aller möglicher teurer, und auserlesener Markenuhren.

Die paar Videos und Musikkassetten, die vielleicht nur millionenfach illegal kopiert wurden, sind da noch der kleinste Anteil des Imperiums der Brüder Kwang. Doch da die drei beste Beziehungen zu den höchsten Ämtern von Wirtschaft und Finanz

besitzen und der Justizminister ein Schwager der Familie ist, waren es bisher immer nur kleine Brocken und kleinere Vergehen, die man ihnen hat nachweisen können und die ihnen allenfalls Geldstrafen und Verweise eingebracht hatten: stets waren immer andere die angeblich eigentlichen Drahtzieher gewesen und einige von denen waren auch schon für ihre Verbrechen hingerichtet worden. Deren Familien allerdings waren hinterher großzügige Geldmittel zugeflossen und man munkelte hinter vorgehaltener Hand, dass sich die Hingerichteten für die Brüder Kwang geopfert hätten und als Täter nur gestanden hatten, weil sie sicher sein konnten, dass sie nach ihrer Glaubenslehre ohnehin so schneller in ein glorreiches Leben überwechseln würden und das weitere irdische Leben ihrer Hinterbliebenen finanziell gesichert war. Was wollten sie mehr, die als kleine Ganoven bisher armselig und nur mehr schlecht als recht ihre Familien hatten ernähren können.

Nachweisen allerdings konnte man den Brüdern Kwang nie irgendeinen Zusammenhang mit diesen wundersamen Geldsegen.

Chiang fuhr fort: tatsächliche Hintermänner der weltweiten Operationen in dem Fall, in dem Wong ermittelte, sind allerdings nicht die Brüder Kwang, das wusste man heute sicher. Auch die wurden und werden mehr oder weniger nur als Kuriere benutzt, wegen deren exzellenten Verbindungen und Kontakten, deren Verstecken und lokalen Überlegenheiten. Die Spur führte vielmehr an einen Ort, an dem sich eine gewisse A-Sekte niedergelassen hatte, danach endet alles.

Da die Verbindungen auch zu einem Ableger dieser Sekte in Deutschland führten, dem dortigen ‘Hauptquartier’ und da in deren unmittelbarer Umgebung Anfang des Jahres mehrere Morde passiert waren, von denen einer einen vierundzwanzigjährigen Deutschen betraf, der für den englischen MI-6 recherchiert hatte und dessen Spur bis zu dem Örtchen Sommertal bei Osnabrück geführt hatte, war D.H. Wong eingesetzt worden, um die den Engländern wichtigen Informationen zu beschaffen und die Verknüpfungen zu China herauszubekommen.

Man hatte in England Ungereimtheiten und gewisse Abnormalitäten festgestellt, von denen allerdings auch über die Verknüpfung London-Hongkong nichts Genaueres zu erfahren war. Deren Spur führte jedoch über einen Londoner Geschäftsmann russischer Abstammung mit britischem Pass und über dessen weltweiten Export- und Import von Weinen schließlich auch nach Hongkong und in die chinesische Freihandelszone nördlich davon.

In einem Nebensatz war in der seinerzeitigen Anfrage aus London erwähnt worden, dass dieser Geschäftsmann, ein gewisser Harry Smolensk, der A-Sekte in der Nähe von Southend-on-Sea eine Laboreinrichtung im Werte von drei Millionen Englischen Pfund verkauft und die hierzu notwendigen Installationen federführend geleitet hatte. Vielleicht nicht ungewöhnlich, aber vielleicht doch: die Anlage war überschlägig vom zuständigen Finanzamt berechnet worden - zur Festsetzung hierfür zu zahlender Steuern - mit dem Ergebnis, dass Smolensk die Anlage für das Dreifache des tatsächlichen Wertes verkauft hatte. Die Bezahlung erfolgte allerdings anstandslos und das in bar!

Ein Fall von Geldwäsche oder sonstwie getarnter Bezahlung

irgendwelcher illegaler Dienste oder Warentransfers?

Die A-Sekte, setzt Chiang fort, zieht sich wie ein roter Faden durch eine Reihe weiterer Aktivitäten, die man aufgrund der gefundenen Verflechtungen näher untersucht hat, und tatsächlich auch dieser Sekte zuordnen konnte, obwohl vordergründig ganz andere schienen dahinterzustecken.

Die erste Vermutung und die daraufhin veranlasste Recherche, dass es sich um großangelegte, weltweit organisierte Drogenherstellung, deren Veredelung und Vertrieb handeln könnte, verlief ergebnislos. Bis auf offensichtlich für den

Privatkonsum der Sektenmitglieder bestimmte Mengen, die bei Razzien gefunden wurden und die von LSD über Opium bis hin zu Heroin und Kokain reichten, also neben synthetischen Drogen die gesamte bekannte Palette repräsentierten, für deren Besitz und Konsum lediglich kleinere Haft- oder Geldstrafen verhängt werden konnten, war nichts gefunden worden.

Was tatsächlich in den Labors produziert wurde und möglicherweise heute noch wird - man vermutet das größte seiner Art befindet sind im Schloss in Sommertal in der Nähe von Osnabrück - konnte man bisher nicht feststellen.

Der Bericht geht weiter:

Fest steht nur, und das geht aus Lieferantenlisten hervor, zu denen man sich Zugang verschaffen konnte, dass regelmäßig Styroporbehälter einer bestimmten Größe verbraucht wurden und verhältnismäßig große Mengen Kieselgur; ein Lieferant lieferte bisher nach Sommertal über eintausend Aluminiumbehälter mit Schraubverschluss, eine ungewöhnliche Größe, die eigens angefertigt werden musste, etwa vierzehn Zentimeter hoch und fünf Zentimeter im Durchmesser, im Komplettpack zusammen mit versiegelbaren Glasröhrchen, die mit einem Spielraum von etwa zwei Zentimetern in die Aluminiumbehälter passten und zusammen mit Styroporkisten, die mit entsprechenden Ausstanzungen versehen exakt zwanzig dieser Aluminiumröhrchen aufnehmen konnten. Das Aluminium war eine Speziallegierung, besonders widerstandsfähig gegen große Kälte und extreme Hitze. Das Auftragsvolumen allein für diese kompletten Behälter betrug damals eine knappe Viertelmillion. Eine Folgebestellung in gleicher Höhe war in Aussicht gestellt worden.

Neben diesen möglicherweise unwichtigen Hinweisen ist uns weder ein Ausgangsstoff, noch ein Endprodukt bekannt, an dem in den für teures Geld angeschafften Einrichtungen laboriert worden sein könnte.

Unser Informant vor Ort berichtete bis zum 1. Juni, seinem Todestag, von regelmäßigen nächtlichen Besuchen mit Übergabe von irgendwelchen Behältern. Die Räume, aus denen diese Behälter stammten, waren unserem Mann nicht zugänglich, da diese sämtlich im Untergeschoss unter dem existierenden Kellergeschoss lagen und durch Kennungsleser abgesichert waren, zu denen sich unser Mann keinen Zugang verschaffen konnte.

Von den übrigen Mitgliedern der Sekte konnten überhaupt keine verwertbaren Informationen erlangt werden, es schien sich um Anhänger gehandelt zu haben, die von den Machenschaften im Tiefkeller des Gebäudekomplexes keine Ahnung hatten.

Das dort im Keller arbeitende Personal verließ, wie unser Mann berichtete, die Räume auch ausschließlich in der Nacht beziehungsweise erschienen die Leute erst nachts. Eine vielversprechende Spur führte über ein Sektenmitglied zu einem bereits am 3. Februar Ermordeten: eine junge Frau, die offenbar wirres Zeug redete und ständig unter Drogen zu stehen schien; unser Mann hatte das, was er der Frau entlocken konnte, heimlich auf Band mitgeschnitten und uns zugesandt; diese Informationen erlangten uns allerdings erst am 14. März, einen Tag nachdem auch diese Frau unter merkwürdigen Umständen umgekommen war; angeblich hatte sie sich selber im Wald erhängt.

Hier eine aus dem Englischen übersetzte Niederschrift dessen, was auf dem Band zu hören war:

es war alles so dunkel - ein gleißender Erzengel fuhr zur Erde hernieder und alles strahlte in seinem Licht (Kichern) - plötzlich überall weiße Menschen - die Höllenhunde bellten in ihren Zwingern - ach, Jack du fehlst mir so, warte auf mich, ich will zu dir kommen - (tiefes Schluchzen und wimmerndes Weinen) - La, la, la, der Kindlein viele, tanzen mit dir zum Spiele, la, la, la und sind sie alle gleich, wer’n wir alle reich, la, la, la - da seh'n Sie? Eine schwarze Katze, wie sie über das Dach huscht, da oben und weg ist sie, aufgelöst in Nichts - ich weiß was, soll ich ihnen mal was erzählen? - kleine Würmchen und müssen schon so frieren ...

Leider war es zu spät, um aufgrund dieser Informationen, die zwischen den Zeilen einige mögliche Anhaltspunkte geben, die inzwischen Verstorbene weiter und gezielt zu befragen.“

Damit endet das Fax.

„Daraus werd’ ich nicht schlau,” meinte Mertens, „ich hätte gerne mal das Originalband oder wenigstens eine Kopie, denn ich denke über die Stimmlage und die Intonation und so weiter könnte man sicher noch einiges mehr aus diesen scheinbar zusammenhanglosen Bruchstücken zusammenfügen, was meinen Sie?”

„Gute Idee, wir sollten diesen Chiang jetzt anrufen, vorausgesetzt, eine der Nummern auf dem Zettel aus der Zahnbürste stimmt mit seiner Nummer überein; oder warten Sie: vielleicht besser, wir rufen doch erst diesen Hirzfeld an, der muss ja wissen, wie wir den Mr. Chiang erreichen können; ich denke, es lässt sich wohl nicht vermeiden, ein wenig mit den Tübinger Kollegen zusammenzuarbeiten!”

*

„Keine Rede, Herr Wendehals, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass sie mich gleich angerufen haben,” antwortete der Tübinger Kriminalist, der nach dem ersten Klingeln am Telefon war, „selbstverständlich werden wir uns da in ihre Zuständigkeiten nicht einmischen, der einzige Grund, warum Chiang mich angesprochen hat, war doch nur der, dass ich über meine beruflichen Kontakte herausfinden konnte, wer hier in

Deutschland auch an dem Fall “A-Sekte” arbeitet; war garnicht so einfach, aber nach ein paar “Fehlschüssen” per automatischer Faxverteilung an die verschiedenen in Frage kommenden Präsidien, waren sie ja als Treffer auch dabei, sonst hätten sie sich nicht gemeldet, denn andere Dienststellen, die mit der Sache nicht befasst sind, konnten mit den neutralisierten Angaben überhaupt nichts anfangen, eben nur das Dezernat, das dazu Parallelen herstellen kann,” beruhigte Kriminaldirektor Hirzfeld den zu Anfang seines Telefonates etwas ungehaltenen Wendehals, der sich gleich über Einmischung mokierte und Zuständigkeiten ansprach und etwas von Resturlaub murmelte, den er ja auch gerne nehmen könnte, wenn nun Tübingen die Sache übernehme.

„Sie wollen also sagen,” forschte Wendehals nach, „dass Sie sämtliche in Frage kommenden Dezernate in den Präsidien angeschrieben haben, also alle im Umkreis von Osnabrück und von Göttingen, und dass dies quasi ein Versuchsballon war, den sie abgeschossen haben, in der Hoffnung, diejenigen, die den Fall und die Zusammenhänge kennen, werden sich schon melden?” und setzte ungläubig hinzu, „und das ohne Einhaltung des offiziellen Dienstweges?”

„So ist es”, antwortete Hirzfeld lapidar, „und das Ergebnis gibt mir recht! Herr Kollege, wenn ich erst den Dienstweg beschritten hätte, hätte ich frühestens in einer Woche irgendeine Antwort bekommen und stellen sie sich mal vor, was das bei der offensichtlichen Brisanz dieses Falles mit seinen anscheinend weltweiten Verstrickungen bedeutet hätte, wie viele Morde hätten dann vielleicht nicht mehr verhindert werden können, wie viele Spuren wären dann unlesbar geworden ... ich brauche Ihnen da nichts weiter zu erzählen, Herr Wendehals, sie sind ein alter Fuchs, der auch nicht immer den geraden Weg geht! Woher ich das weiß? Seitdem ich hier mit ihnen telefoniere, habe ich gleich meinen Rechner angestellt und bin ins interne Netz gegangen, um

über Sie und ihre Fähigkeiten, ihre Eigenarten und über ihre Erfolge ein wenig mehr zu wissen. Alle Achtung! Ich denke, wir liegen da auf einer Wellenlänge und ich liege sicher nicht falsch, wenn ich unterstelle, ganz in ihrem Sinne gehandelt zu haben, aber bitte, noch einmal: wir hier werden uns auf keinen Fall einmischen! Sehen sie meine Information als Hilfestellung an, ungefragt zwar, aber wie konnte ich mich da ‘raushalten und meinen Freund Chiang im Stich lassen, sagen sie selber!”

„Garkeine Frage, Herr Kriminaldirektor, ich, äh, Herr Mertens und ich sind Ihnen da sehr dankbar! Nur etwas eigenwillig, auf die Idee mit dem automatischen Faxverteiler wäre ich garnicht gekommen und dann auch noch der Zufall, dass wir bereits in Mertens’ Büro waren und nicht irgendein anderer, der das ganze als Unsinn beiseitegelegt hätte ...! Vielen Dank, jetzt sehen wir schon viel klarer! Sagen Sie, Herr Kriminaldirektor ...”

„Hören Sie auf mit dem Blödsinn, Wendehals, ich bin kein direkter Vorgesetzter für sie, also, was soll das, vielleicht können wir mal bei einem Glas Bier zu unseren Vornamen übergehen, wenn sie mir berichten, wie das weitergegangen ist mit dem Fall; allerdings würde ich dann den Dienstweg gehen und würde Sie dazu verdonnern, hierher nach Tübingen zu kommen! Sagen Sie Hirzfeld oder Berthold Hirzfeld oder meinetwegen ‘Herr’, wir sind doch beide ‘68er’, wie ich aus den Informationen über ihren Hintergrund entnehme, vielleicht haben wir sogar in einer Reihe nebeneinander gestanden und die gleichen Parolen skandiert ...” Beide mussten herzlich lachen, als ihnen die Skurrilität ihrer Situation bewusst wurde.

„Also dann sage ich gleich Berthold und ich bin Jens und das Du heben wir uns für Tübingen auf, versprochen!”

„Verrückte Sache, da werden wir uns einiges zu erzählen haben. Wenn es soweit ist, werde ich besser gleich ein Zimmer im Ochsen reservieren, es dürfte spät werden an dem Abend, ich freue mich jedenfalls schon heute!”

„Je schneller wir mit dem Fall vorankommen, um so eher sind wir in Tübingen, ich gehe mal davon aus, dass Mertens da mitzieht, müsste ja unser Jahrgang sein, aber vielleicht war er ja eher einer von den Stillen, die mehr so schweigend demonstriert haben ...”

„Aber Spaß beiseite, Berthold, einen Gefallen können Sie uns noch tun, können Sie irgendwie erreichen, dass dieser Mr. Chiang aus Hongkong uns eine Kopie des Bandes von dieser jungen Frau zuschickt, wenn schon nicht das Original und können sie uns auch gleich mal seine Telefonnummer geben? Ich habe hier zwar verschiedene Nummern aus Hongkong, bin aber nicht sicher, die richtige zu haben. Ich kann das alles natürlich auch mit Chiang direkt klären, ich denke aber es wäre hilfreich, wenn Sie uns schon einmal ‘einführen’ würden, damit er auch weiß, mit wem er es zu tun hat.”

„Mach ich gern’, ich denke es wird das Beste sein, wenn

Mr. Chiang sie zurückruft, ich gebe ihm ihre Nummer oder besser die Nummer ihres Kollegen Mertens, dann ist Chiang auch sicher, gleich den richtigen Gesprächspartner zu haben.

Ich denke, bei dieser verzwickten Sache kann man nicht vorsichtig genug sein, ich meine, dass Informationen gleich in die richtigen Hände kommen, sie verstehen. Ich werde mich sofort darum kümmern und ansonsten, wie gesagt: bitte halten sie mich auf dem Laufenden!”

*

„Jetzt ist’s mir schon wesentlich wohler”, wandte sich Kommissar Wendehals an seinen Kollegen Mertens und lümmelte sich in den unbequemen Bürodrehstuhl. „Glücklicherweise haben sich meine Befürchtungen in Luft aufgelöst und sie brauchen ihren Resturlaub nicht zu nehmen, Herr Kollege, den Fall wird uns niemand abnehmen!”

Als fünfzehn Minuten später das Telefon klingelte, war schnell ein angenehmer Kontakt zwischen Hauptmann Chiang von der Hongkonger Polizei und Kommissar Wendehals geschlossen. Wendehals kramte seine englischen Brocken zusammen und es ging unerwartet recht gut mit der Verständigung, nicht zuletzt weil Chiang ein klares Englisch-Englisch sprach und nicht diese fernöstliche Version von Englisch in asiatischer Sprachmelodie mit entsprechenden abrupten, Worte mitten in den Silben zerhackenden Unterbrechungen, während dann wieder Worte miteinander verbunden wurden, die nun wirklich eigenständig waren und man erst Momente später verstand, was da zuvor gesagt worden war.

Hauptmann Chiang würde noch am gleichen Tag per Luftpostkurier eine Kopie der Tonbandkassette absenden. Er entschuldigte sich mehrmals, dass es nicht das Original sein könne, es sei so gut wie unmöglich ein Asservat, das noch dazu zu einem Mord an einem Hongkonger Beamten gehörte, aus der Hand zu geben, aber die Kopie werde um nichts schlechter sein, versicherte Chiang, als das Original, man werde selbstverständlich bestes japanisches Kassettenmaterial verwenden, kein Billigprodukt aus Hongkong.

Zur Frage der Identifizierung des D.H. Wong werde ein Kollege vorbeischauen, ein gewisser Peter O. Cheng, der sich zur Zeit in London aufhalte und ein Mitarbeiter Wong’s war. Mr. Cheng würde entsprechend den Rückflug über Frankfurt buchen und mit dem Zug nach Göttingen kommen, das wäre kein Problem.

Man sagte sich gegenseitig zu, sich über jedes wichtige Detail in der Ermittlung zum Fall Wong und der A-Sekte informieren zu wollen und gegebenenfalls werde Chiang auch selber nach Deutschland kommen, wenn es die Lage erforderte, ansonsten verblieb man bis bald.

Es war gerade mal neun Uhr und bereits diese Fülle von

Informationen und Ereignissen an diesem Tage! Aber das war noch nicht alles, die kommenden Stunden hielten noch einige weitere Überraschungen bereit und Wendehals und Mertens ahnten noch garnicht, dass sie der Aufklärung all’ der mysteriösen Umstände schon so nahe waren ...

Wenn Alpträume wahr werden ...

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