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Kapitel 11

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„Genau die Antwort, die ich erhofft hatte”, jubilierte Wendehals und legte Mertens ein Fax seines Dienstleiters aus Osnabrück vor. „Meine Anfrage zur Zusammenarbeit auf verschiedenen Dezernatsebenen und mit verschiedenen Kommissariaten, Sie entsinnen sich, dieses neue bezirksübergreifende Austauschprogramm, hat grünes Licht bekommen. Auch mein Chef ist inzwischen überzeugt, dass wir mit mehr Effizienz ans Ziel kommen, wenn wir gleichberechtigt und ohne Kompetenzstreitigkeiten zusammen an dem Fall arbeiten und hat sich dazu auch bereits mit Ihrem Chef kurzgeschlossen. Also, und das Schönste, wir bekommen Unterstützung von einigen Kollegen! Wir können also über wenigstens zwei Leute noch bei mir verfügen und hier erhalten wir auch Verstärkung.”

„Das ist ja unglaublich”, meinte Mertens und vertiefte sich in das knapp seitenlange Fax aus Osnabrück, „hier steht auch etwas von Kontakten zu höchsten Regierungskreisen und internationaler Zusammenarbeit, Interpol hat um Mitarbeit gebeten und verschiedene Geheimdienste sind offenbar ebenfalls irgendwie in die Angelegenheiten verstrickt; und obwohl sich da normalerweise gleich BND und BKA einmischen, lässt man die Fallrecherche in unseren Händen. Mensch, Wendehals, da scheint sich Kriminaldirektor Hirzfeld ganz schön ins Zeug gelegt zu haben und hat uns auch noch den Rücken freigehalten.”

„Sehr ungewöhnlich”, sinnierte Kommissar Wendehals, „wir scheinen da gerade in den beiden übelsten Wespennestern ‘rumgestochert zu haben und man traut uns offenbar zu, nach den richtigen Weichenstellungen auch die weitere Ermittlung erfolgreich weiterführen zu können. Ein Wermutstropfen nur: die SOKO Bande unter Leitung von Hirzfeld soll über jeden Schritt informiert werden und wird ‘hilfeleistend’ jederzeit zur Verfügung stehen”, steht hier.

„Wie ich Herrn Kriminaldirektor nach ihrem Telefonat mit ihm einschätze, wird er uns freie Hand lassen und tatsächlich erst aktiv werden, wenn wir ihn ‘rufen’ ”, beruhigte Mertens seinen Kollegen.

*

Wenige Stunden später, am späten Nachmittag, sah es in Mertens’ Büro bereits aus wie in einer provisorisch eingerichteten Olympiasondersendungszentrale der Deutschen Presseagentur:

drei zusätzliche Faxgeräte, eine rechner-gesteuerte Videodirektschaltung verbunden mit dem Kommissariat von Wendehals in Osnabrück, zusätzliche Telefone, zwei Sekretärinnen, die Recherchen über Bildschirm und Telefon vornahmen, eine weiße Wand, so sechs auf zweikommazwei Meter, die gerade mal trocken war und auf der bereits eine Menge bunter Fähnchen steckten und Zettel hingen und Fotos, Kfz-Kennzeichen, alle möglichen Arten von Beweismitteln und Indizien, Puzzlesteine, die zu einem großen Mosaik gehörten, dessen Konturen noch nicht einmal im Ansatz klar waren.

Es gab bei all’ der modernsten Kommunikationstechnik auf ausdrückliche Anordnung von Kommissar Wendehals keine weiteren Rechnereinheiten mit internationalen Direktverbindungen. Die vorhandenen durften ausdrücklich lediglich zum datenmäßigen internen Auswerten der Daten und Fakten verwendet werden. Der Grund war: Wendehals hatte genug über Affären wie die Art gelesen, in der sich ein großer ausländischer Geheimdienst zu Tausenden von kleinen Privatanlagen und Großrechnern über deren internationale Telefonvernetzung miteinander, Zugang verschafft hatte und so Unmengen privater nicht für die Öffentlichkeit bestimmter Daten von zig Tausend Firmen dieses Landes und von ahnungslosen Bürgern beschafft hatte, darunter teilweise geheime Daten zu Produktforschung und Produktentwicklungen. Jeder bessere Hacker, wusste Wendehals, konnte sich in ein System einschalten, das über die Telefonleitungen unkontrollierbar mit dem weltweit funktionierenden Datennetz verbunden war und hatte so Zugriff auf den gesamten Datenbestand jedes angeschlossenen Rechners, der gerade sendete oder empfing. Und neuerdings, fiel Wendehals zu diesem Thema ein, sind in einem weltweiten Rechnerverbund wieder zig Tausende von Anlagen zusammengeschaltet, die während der freien Zeiten, also während der Zyklen, in denen die Geräte von ihren Besitzern nicht benutzt werden, zum Beispiel nachts, automatisch Rechenaufgaben durchführen und Daten verarbeiten. Das Ganze läuft unter dem Thema ‘Suche nach Außerirdischen‘, nach Signalen von anderen Lebensformen und Kontaktaufnahme zu denen im gesamten abtastbaren Universum. Tolle Idee, fand Wendehals, und jeder einzelne, der sich dafür zur Verfügung stellt, hat sicher das erhebende Gefühl, vielleicht einmal irgendwann eines Tages tatsächlich mit daran beteiligt zu sein, wenn Funkwellen anderer Lebensformen irgendwo im All aufgefangen werden und vielleicht sogar ein Kontakt zu Extraterristischen hergestellt wird. Die Gefahr ist allerdings eben genau die, dass auch solche gut gemeinten und sinnreichen Zusammenschaltungen, die insgesamt der Kapazität eines riesigen Großrechners entsprechen - eine geniale Idee von der technischen Seite her - auch dazu benutzt werden können, die bestehenden privaten Daten aus diesen dauernd ‘frei’ geschalteten Rechnern abzufragen und missbräuchlich zu verwenden.

Für eine derartige Organisation, wie sie Wendehals hinter all’ den bisher aufgedeckten Geschehnissen vermutete und wie nach den internationalen Verflechtungen zu erwarten war, worum auch immer es gehen mochte, wäre es ein leichtes, auch die Polizeigroßrechner anzuzapfen, sobald diese über Kommunikationsleitungen nach außen mit anderen Systemen verbunden waren. So leicht wollte es Kommissar Wendehals den Drahtziehern hinter all’ den obskuren und immernoch nicht klar umrissenen Vorkommnissen nun doch nicht machen. Und Faxgeräte, so ‘archaisch’ wie sie für manche Technikhörigen auch sein mochten - es ist auch gerade mal zwanzig Jahre her, dass man von Fernschreibern mit Lochstreifen auf Faxgeräte umstellte - waren da so gut wie narrensicher, da konnten keine Daten unterwegs auf dem Wege vom Versender zum Empfänger abgefangen oder kopiert werden, es sei denn, es gäbe eine undichte Stelle irgendwo vor Ort. So schön und schnell diese Datenübertragungen auch sein mögen, sagte sich Wendehals,

'e-Post' und ähnliche Informationsaustausch-Module, so relativ einfach war es auch für außenstehende Unbefugte, sich diese neuen Medienformen zu Nutze zu machen.

Und die ganze Angelegenheit erhielt jetzt auch einen Namen, unter dem das gesamte Projekt lief: Platon, nach dem griechischen Spitznamen des adligen Atheners Aristokles, der 427 bis 347 v. Chr. lebte, der Philosoph, der sein Leben lang nach dem Unterschied zwischen Wahrheit und Wahrnehmung suchte.

Für Wendehals, der diesen Projektnamen schuf, war die Suche des Platon Sinnbild für die vielen Fakten und Informationen, die es zu diesem Fall gab, ohne dass bislang nur ein Fünkchen dessen zutage getragen worden wäre, was zur Lüftung dieses Mysteriums beitrug. Viele wahrnehmbare Mosaiksteinchen, aber immer noch weit davon entfernt, die Wahrheit, die hinter allem steckte, zu erkennen.

Wenn Alpträume wahr werden ...

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