Читать книгу Wenn Alpträume wahr werden ... - Reinhard Heilmann - Страница 8

Kapitel 5

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Als Hauptmann Chiang an diesem Morgen den Hörer auflegte, war ihm ganz übel. Er war kreideweiß geworden. Er musste erst einmal verdauen, was er soeben gehört hatte. Doch es schien keinen Zweifel zu geben ... Wong war geschnappt und liquidiert worden!

Wenn die herausgefunden hatten, wer Wong war, dann war es nur ein kleiner Schritt zu ihm selber und für die Brüder Kwang in Shanghai waren Entfernungen oder Grenzen keine Hindernisse, eher Herausforderungen. Er musste schnellstens herausfinden, wie gefährdet er war und musste notfalls untertauchen und die Ermittlungen abgeben, im Dienste der Sache. Wenn hier irgendetwas schief lief, war das gesamte Projekt gefährdet und die Ausmaße, die das haben würde, waren nicht einmal mit kühnster Phantasie auszumalen.

“Ich muss herausfinden, wer in Deutschland an dem Fall arbeitet“,

war sein nächster Gedanke; Chiang griff zum Hörer und wählte die Nummer eines Freundes in Tübingen, eines Kollegen, den er bei einem Symposion über Verbrechensbekämpfung mit Schwerpunkt organisierte Banden vor zwei Jahren in Singapur kennengelernt hatte. Der Tübinger Kollege und er lagen auf einer Wellenlänge und hatten so manchen gemeinsamen Abend damals nicht nur mit Milch verbracht. Hirzfeld würde ihm weiterhelfen können.

Tobias Hirzfeld fiel nicht aus seinem Bett, als das dort abgelegte Handtelefon auf dem Nachtschrank klingelte; stattdessen stieß er erschreckt Nachttischlampe, Wecker und Wasserflasche um

und alles landete mit lautem Geschepper auf dem nackten Parkettboden. Es war drei Uhr nachts.

„Das kann doch nicht wahr sein!” grummelte Rebecca Hirzfeld in

der anderen Betthälfte und drehte sich demonstrativ und entrüstet auf die andere Seite.

„Wenn da jetzt keine gute Erklärung folgt, lasse ich Sie morgen zur Fahndung ausschreiben”, empörte sich Hirzfeld in das nur handtellergroße Kommunikationsgerät und nieste kräftig, wie zur Bestätigung. Aber dann, einen Moment später, freudiges Erkennen und Erwachen, “Mensch Steven, dass Du auch mal wieder von Dir hören lässt? Sag mal wie spät habt ihr’s jetzt, warte mal, elf Uhr glaube ich, richtig?” - „Tut mir furchtbar leid”, entschuldigte sich Steven C. Chiang bei seinem Freund, „es geht möglicherweise auf Leben und Tod und ich stecke mittendrin als Zielscheibe. Ich brauche Deine Hilfe! Äh, ja, Du hast recht, es ist jetzt gerade eine Minute nach elf Uhr vormittags!”

Chiang schilderte in groben Zügen und mit wenigen Sätzen das Wesentliche.

„Lass mir ein bisschen Zeit”, meinte Hirzfeld versöhnlich, „ich werde die Kollegen nicht vor sieben Uhr erreichen können, vielleicht eher später; lass mir Deine Nummer da, oder besser noch: schick mir ein Fax, am besten mit allen notwendigen Daten; sobald die Leute hier ansprechbar sind, bin ich dran für Dich. Du hast doch meine Faxnummer, oder?” - „Mach ich, klar, hab’ ich die Nummer, und ich bitte nochmals vielmals um Entschuldigung, bis später dann!”

Die Leitung war wieder still.

*

Als die Kommissare Wendehals und Mertens das Büro im Erdgeschoss der Polizeiwache Zwo betraten, hing ein vierseitiges Schreiben im Empfangs-Auswurf des Faxgerätes. Absender des

Anschreibens:

Dr. Tobias Hirzfeld, Kriminaldirektor des Polizeipräsidiums Tübingen, Leiter SOKO BANDE. Die übrigen Fax-Seiten waren neutralisiert worden, die chronologisch aufgeführten Daten und Fakten ließen weder Absender, noch Kennung erkennen.

Aber ein Stichwort oben auf Seite zwei kam den beiden bekannt vor:

ein gewisser WONG sei am 31. März des gleichen Jahres mit verdecktem Ermittlungsauftrag nach Deutschland gereist.

Zielobjekt der Ermittlungen war eine gewisse A-Sekte!

„Das ist unser Mann”, konstatierte Wendehals prompt, „jetzt wird’s interessant! Was hat denn die SOKO BANDE in Tübingen mit dem Ganzen zu tun? Ja, sind denn hier alle verrückt geworden, und kein ‚Schwein‘ informiert uns, jeder kocht hier wohl sein eigenes Süppchen, wie kann man denn da ordentlich arbeiten und Ergebnisse präsentieren? Eh' ich hier auch nur noch irgendeinen Handschlag tue, will ich jetzt mal nachhaltig die Zuständigkeiten klären. Am Ende kommt da noch irgend so ein Heini vom LKA und steckt sich die Lorbeeren von unseren Ermittlungsergebnissen an die Mütze!”

Ähnlich stinksauer war natürlich auch Mertens: „Ich meine, dass Ihr uns hinzugezogen habt, war doch klar, schließlich ist hier die Wohnung des Ermordeten und die Amtshilfe in Pirmasens war auch klar, denn dorthin führte schließlich eine Spur oder besser von dort her, aber Tübingen, was ist denn das jetzt wieder? Wir sollten den Kollegen umgehend anrufen, da bin ich ganz Ihrer Meinung, sonst nehm’ ich nämlich mal schlicht meinen Resturlaub von siebenundzwanzig Tagen und die können mich dann mal ... telefonisch auf den Balearen erreichen!”

„Da wir noch ein paar Stunden warten müssen, schlage ich vor, komplettieren wir unsere Chronologie, wenigstens für uns. Denn irgendwie interessiert mich dieser Fall schon, alles so nebulös und verworren, geradezu mystisch, da lacht richtig mein Kriminaler-herz und, immerhin möglich: vielleicht gibt es ja für den Tübinger Eingriff irgendeine ganz einfache plausible Erklärung!? Rumsitzen ist sowieso nicht meine Sache, also können wir auch was tun!” - „Nicht ohne eine ordentliche Kanne Kaffee”, entgegnete Mertens und ging ins Nebenbüro, aus dem die nächsten Geräusche so etwas wie Wasserlaufen, Deckelscheppern, Löffelklappern und schäumendes Rauschen und Sprudeln waren und Mertens einen Moment danach mit zwei Kaffeepötten, eher kleinen "Nachthäfen", zurückkam. Mit den Worten: „Milch, Zucker, Gebäck und Kaffee kommen dann gleich”, knallte er die Tassen auf den Tisch, zog seine Lederjacke aus, krempelte die Ärmel zweimal um und stellte sich an den überdimensionalen Notizblock, der auf einem Dreibein in einer Klemmschiene befestigt war und etwa die Ausmaße einer halben Tür hatte. Das Dreibein stand neben einer großen schulmäßig aussehenden Tafel. Mertens blätterte das oberste Blatt nach hinten zurück und begann mit der Überschrift in dicken Buchstaben mit rotem Filzschreiber in zwölf Millimetern Breite:

D a n i e l H e r r m a n n W o n g

„Also, was wissen wir, welche Fakten kennen wir bis heute, einmal abgesehen von dem, was in dem Fax da steht?”

„Gut”, antwortete Kommissar Wendehals, brauchte nicht erst die Ärmel hochzukrempeln, da er kurzärmelig trug und sortierte seine Notizen.

„Ich meine, wir sollten die Morde vorher mit einbeziehen, ich habe so ein Gefühl, als wenn das alles nicht nur zufällige Zusammenhänge sind, das heißt wir müssten als erstes Mord No. Eins aufführen, der war, warten Sie, hier hab ich es: am 3. Februar dieses Jahres.

Dann folgen Mord No. Zwei am 13. März und Mord No. Drei

am 1. Juni. Lassen Sie uns das Blatt zweiteilen: links die Daten und Stichworte zu den Fakten und rechts die Detailinformationen.”

„Also fangen wir an”, erwiderte Mertens und zog einen langen Strich vertikal durch die Mitte des Blattes.

Hinter Mord No. 1 auf der Liste erschienen die Detailinformationen:

Fünfundzwanzigjähriger, amerikanischer Staatsbürger, erwürgt mit Drahtschlinge, keinerlei Spuren am Körper sonst, außer: es stand unzweifelhaft fest, dass der Ermordete kurz vor seinem gewaltsamen Tod Geschlechtsverkehr gehabt hatte, darauf deuten einige sichere Hinweise, zumindest gab es eine Ejakulation.

Der Mann war kerngesund, ein athletischer Typ, beste Verdauung, keinerlei Unregelmäßigkeiten an den untersuchten ‘Innereien’, ein kräftiges Herz, jedenfalls so lange, bis es mangels ausreichender Zufuhr an sauerstoff-führenden roten Blutkörperchen und mangels entsprechender vasomotorischer Antriebsbefehle seine Tätigkeit einstellte. Der Mann hätte unter normalen Umständen steinalt werden können.

An seinen Fußsohlen waren Partikel einer bestimmten Diatomee entdeckt worden, einer Kieselalge, die als Süßwassersediment in ehemaligen Seenbecken vorkommt, allerdings nicht hier in der Nähe; nächste Vorkommen waren Lüneburger Heide oder Vogelsberg. Man hatte herausgefunden, dass dieser ‘Kieselgur’ eingedeutscht, der aus den Panzern dieser Algen besteht, unter anderem zur Wärme-, Kälte- und Schall-Isolierung verwendet wird. Eigenartig, dass sich Spuren dieser Alge an den Fußsohlen des Toten befanden, was darauf hindeuten konnte, dass er als häufiger Barfußläufer, das wiesen die Schwielen und der kräftige Hornhautschutz an den Fußsohlen aus, bei Isolierarbeiten damit in Berührung kam oder irgendwie sonst. Merkwürdig und bei weitem nicht zufriedenstellend geklärt.

Der Mann hatte sich, das konnte über die amerikanische Botschaft und über die Eltern des Toten recherchiert werden, der A-Sekte angeschlossen und hatte während einer Europareise einen lange geplanten Abstecher zu deren Domizil hier in der Nähe gemacht.

Allerdings kam er nachweislich bereits in den ersten Januartagen hier an, dann am 3. Februar wurde er ermordet aufgefunden. Von den Sektenmitgliedern, die man vernommen hatte, alle harmlos scheinend und in ganz anderen Sphären schwebend, die selbst im kalten Februar barfuss herumliefen in weiten wallenden Gewändern, die kein Fleisch aßen und viel meditierten ... war keine brauchbare Auskunft zu erhalten. Durch den überall anwesenden Räucherstäbchen-Qualm war lediglich zu erfahren, dass sich der junge Mann entschlossen hatte, noch ein paar Monate länger zu bleiben und dass er zu dem Opfer No. Zwei eine intime Beziehung aufgebaut zu haben schien.

Opfer No. Zwei, eine Zweiundzwanzigjährige aus Sri Lanka, eine ausgesprochene Schönheit, wie der vernehmende Beamte in sein damaliges Protokoll vermerkt hatte, eine Frau, die allerdings nur gebrochen Deutsch sprach, aber ein gutes Englisch, hatte den Amerikaner hier (dort in Sommertal) bei einem gemeinsamen Abendessen im Hause der A-Sekte erst kennengelernt. Die beiden waren sich schnell nähergekommen und hatten beschlossen, nach ihrem verlängerten gemeinsamen Aufenthalt dort, die Weiterreise gemeinsam fortzusetzen.

Die Frau war seit dem dritten Februar um Jahre gealtert und gebrochen.

Der Tod ihres Geliebten hatte sie völlig aus der Bahn geworfen

und sie begann offensichtlich unter Drogen oder unter Alkoholeinfluss eigenartige Geschichten zu erzählen, die keiner so richtig ernst nahm (im Protokoll von damals der Vermerk zu einer Anlage: gesammelte Informationen über diese obskuren Geschichten, nur der Form halber protokolliert; siehe Anlage 7B im Archiv zu Leitnummer K37-III/7B).

Als die Frau dann am 13. März nicht zum Abendessen erschien und man sie weder in ihrem Zimmer, noch in anderen Räumen des Komplexes hatte finden können, war noch in der Nacht eine Großzahl Sektenmitglieder mit Taschenlampen losgezogen und hatten das umliegende Gelände, insbesondere das Waldgebiet abgesucht.

Man hatte sie erhängt an einer Eiche gefunden. Selbstmord, war der erste Befund, der sich auch hartnäckig lange in den Akten hielt.

Bis eine Kleinigkeit auffiel, die übersehen worden war, als man die Tote vorschnell abschnitt. Eine Kommissarassistentin hatte bei routinemäßigem Durchblättern der Unterlagen eigentlich mehr auf Anraten ihrer Vorgesetzten, sich mal alle Fälle der letzten drei Monate vorzunehmen, - “Anschauungsmaterial” hatte man das genannt, zum Einarbeiten, sie nannte das “Beschäftigungstherapie” -,

und bei Besichtigung des Ortes des Geschehens etwa sechs Wochen nach dem vermeintlichen Selbstmord festgestellt:

ohne Hilfsmittel hätte die lebende Frau bei einer Körpergröße von einhundertundsiebzig Zentimetern, selbst auf Zehenspitzen und mit Hüpfen diesen Ast, an dem Sie gehangen hatte, in zweihundertundneunzig Zentimetern Höhe garnicht erreichen können!

Vielleicht durch Klettern, indem Sie am ansonsten auch zum Todeszeitpunkt astlosen Stamm des Baumes hochgeklettert war, die Schlinge um den Ast und um ihren Hals band und dann hinunter sprang. Auch nur Theorie, denn weder an Händen, noch an den nackten Füßen waren irgendwelche Spuren von Baumrinde, von den Flechten, die am Baum wucherten, von den Moosen, die dort schon seit mindestens dem letzten Herbst in den Borkenfurchen vergraben lebten, von der Schicht Mikroalgen, die über den gesamten Stamm verteilt lebten, noch irgendwelche Kratzer zu finden gewesen, im Gegenteil stand im Bericht der

Pathologie: die Handinnenflächen waren beinahe bakteriologisch gereinigt sauber und zeigten nicht einmal Spuren des Seiles, das zum Erhängen benutzt worden war.

Und ‘Hilfsmittel’, war aus dem flüchtigen Protokoll der Spurensicherstellung zu entnehmen, die sie hätte benutzen können, um das Seil über den Ast zu werfen und sich zu erhängen, waren nicht gefunden worden und gab es auch keinerlei Anhaltspunkte dafür.

„Verdammte Schlamperei”, mokierte sich Wendehals spontan, als Mertens diese letzten Erkenntnisse vorgelesen hatte, „wieviel kostbare Zeit war verstrichen, die hätte genutzt werden müssen, um frische Spuren zu analysieren? Stattdessen haben sie sich wie kleine Kinder benommen, haben die skurrilen Geschichten um die Tote als Indiz dafür genommen, dass die seit dem Tod ihres Geliebten nicht mehr ganz richtig war im Oberstübchen und haben das kleine Einmaleins der Spuren- und Erkennungssicherung völlig vergessen.”

„Wie hier steht, wurden die Ermittlungen dann trotzdem bald eingestellt, da man überhaupt keine (keine mehr!) Hinweise auf den oder die Täter finden konnte! Wirft sich die Frage auf, wer hatte ein Interesse daran, erstens die Frau zu beseitigen und zweitens das Ganze so aussehen zu lassen, als sei es Selbstmord gewesen?”

„Wenn wir das wüssten, wären wir unserem Ziel ein erhebliches Stück weiter, das fühle ich und Mord No. Drei gibt leider auch nicht viel mehr her, außer, dass man gleich Fremdeinwirkung erkannt hat, kein Wunder, bei dem Drumm von Loch im Schädel!” meinte Wendehals ironisch.

„Dabei ist noch nicht einmal unumstritten sicher, dass es Mord war, weil es sich um eine Kugel aus einem Jagdgewehr gehandelt haben muss, wie die Ballistiker festgestellt haben. Am Mordtag oder sagen wir vorsichtiger ‘am Todestag’ fand nämlich die Eröffnung der Jagdsaison auf Rotwild statt, von denen es hier noch ein paar Stücke zu geben scheint.

Bei dem entsprechenden Treiben und aus den, den Jägern zugewiesenen Ständen heraus sind mindestens dreißig Schuss

des gleichen Kalibers abgegeben worden, wieder .30-06, von denen in den zur Strecke gebrachten Wildkörpern lediglich fünf Stück nachgewiesen werden konnten, zwei Geschosse konnte man aus Baumrinde sicherstellen, die restlichen dreiundzwanzig suchte man vergebens.

Auch bei der Bestimmung der Waffe ist man nicht so recht weitergekommen; jedenfalls aus den vier Büchsen mit dem passenden Kaliber, die später zur ballistischen Prüfung abgegeben worden waren, war der tödliche Schuss auf das Opfer, einen vierundzwanzigjährigen Deutschen, abgebrochener Chemiestudent im vierten Semester, stammte aus Würzburg, nicht abgegeben worden. Allerdings scheint auch sicher, dass eine ganze Reihe von Schützen nicht die richtige Waffe angegeben haben, mit der sie bei der Jagd geschossen haben wollen. Vielleicht aus Angst davor, es könnte sich herausstellen, dass einer dieser vielen Fehlschüsse doch ein Treffer gewesen war!”

„Konnte man da nicht über die Waffenbesitzkarten und die dort eingetragenen Waffen weiterkommen?” fragte Mertens ungläubig, “dort sind doch neben der Kaliberangabe auch die Herstellernummern vermerkt, sodass man die Waffe eindeutig identifizieren kann. Man könnte doch also hingehen und mit all’ den Büchsen einen Vergleich vornehmen, die auf die Jäger, die an der Jagd teilgenommen haben, registriert sind.”

„Auch wieder richtig, hat man auch”, entgegnete Wendehals, „nur waren auch ein paar Gäste dabei, deren Jagdschein und Waffenbesitzkarte sich der Jagdleiter zwar hat vorlegen lassen, die jedoch in keiner Liste ordentlich vermerkt waren, sodass man sie hätte namentlich und mit Anschrift vorladen können. Es bleiben also ein paar Zweifel offen, obwohl, nach dem, was dort

in diesem Jahr passiert ist und nach den Hintergründen, und schließlich der Zusammenhang mit Wong, dem vierten Toten, steht für mich fest, dass es da andere Zusammenhänge gibt, als nur ein zufälliger Treffer bei einer Jagd.”

„Also gut, drei Tote, die irgendwie miteinander im Zusammenhang stehen, vielmehr deren Ermordung und dann ist da Wong. Der fällt wohl etwas aus dem Rahmen, denn die drei anderen waren ja ‘Jünger’ dieser Sekte oder zumindest Sympathisanten. Jedenfalls hielten sich alle drei im Schloß auf und nahmen da an irgendwelchen Veranstaltungen, Sitzungen, Meditationskursen oder sonstwas teil. Was machen die da eigentlich? Sagen Sie Herr Wendehals, welche Informationen haben Sie über diese Sekte?”

„Im Grunde zu wenige, es handelt sich um eine bereits seit dreitausend Jahren nachgewiesene Lebens- und Heilslehre, die man als die Ursprünge dieser 'Wissenschaft des Lebens' betrachtet und, wie soll es anders sein, den Nimbus des Alleinwesentlich-und-Richtigen für sich in Anspruch nimmt. Bestimmte Regeln dieser Lehre verbieten das Essen von Fleisch, schreiben regelmäßige Meditationen und Konzentrationsübungen vor, eine Insich-Kehrung und Selbstfindung. Das Ganze wird durch gemeinsame ‘Aufbaukurse’ vermittelt. Der Zulauf ist gerade bei der jüngeren Generation sehr groß. In Liebesdingen zwischen den Geschlechtern ist man sehr großzügig, was vielleicht auch noch eine Art Magnet für die Attraktion jüngerer Interessierter sein kann, obwohl, heutzutage ...

Sie kennen sicher auch die einschlägigen Billigsendungen nicht nur der privaten Fernsehsender, in denen einem bereits seit Jahren und sogar, für mich immer wieder erstaunlich, mit großem Erfolg in Hunderten von Folgen, kennen Sie ‘Birkenstrasse’? oder ‘Mariannenhof’ oder so ähnlich, den Leuten eine derart schmutzige und primitive Version des Alltagslebens untergeschoben wird, das man den Eindruck hat, im Grunde drehe sich alles um billigen Sex und das am liebsten reichlich gemischt unter den Geschlechtern und wer mit wem, ist ganz egal! Und das soll unser Leben ausmachen?

Aber ich schweife ab ..., jedenfalls kann das allein oder diese tolle Aussicht auf ein paar billige freizügige Abenteuer allein nicht der Grund sein, warum diese Sekte weltweit so guten Zulauf hat. Ich denke, es ist wie bei den meisten dieser ‘Verführer’: sie finden rhetorisch geschult die richtigen Worte, sind Meister der Dialektik und überzeugen durch kleine Wunder, die bei Näherem betrachtet alltägliche Taschenspielertricks sind. Aber wir wollen ja diesen Heilsbringern nichts generell Schlechtes unterstellen! Es gibt sicher auch bei denen solche und solche und zumindest habe ich von dieser A-Sekte noch nicht gehört, dass sich deren Anhänger mit ihrem gesamten Besitz der ‘Glaubenslehre’ verschreiben müssen und sich mit Haut und Haaren ausliefern. Nein, man darf nicht nur Schlechtes darüber denken. Ein Gutes zumindest ist ja auch, dass sich diese jungen Menschen mit sich, der Suche nach dem Sinn und dabei auch miteinander auseinandersetzen, ein Nährboden, aus dem schon viel Gutes gesprießt ist. Wenn da nur bei vielen nicht auch Drogen hinzukommen, wie sie nun einmal in fernöstlichen Regionen oft zur Stimulation angewandt respektive eingenommen werden.

Die Frage ist eben, inwieweit der Realitätsbezug und das Moralempfinden dadurch soweit verändert und gestört werden, dass sich diese geänderte Einstellung auch zu kriminellen Handlungen nutzen lässt, und damit sind wir bei unserem Thema.”

„Es wird sicherlich aufschlussreich sein, wenn wir mit unserem heutigen Wissen dieser Sekte mal einen Besuch abstatten. Ich weiß noch nicht, wie ich das hinbiegen kann, dass ich weiterhin an dem Fall dranbleiben kann - immerhin stammt ein Toter zumindest von hier -, aber ich würde gerne weiter mit Ihnen zusammenarbeiten, Herr Wendehals! Diese Geschichte ist mal

was ganz anderes, als der Alltag hier bei uns in der Provinz.”

„Kein Problem, Herr Mertens. Es gibt da ein bezirksübergreifendes Austauschprogramm, das zwar gerade erst anläuft und im Grunde noch nicht offiziell ist, aber darüber wäre möglicherweise eine ganz normale Zusammenarbeit unserer beider Dezernate möglich, ich werde mich da später gleich mal schlau machen.”

Wenn Alpträume wahr werden ...

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