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Ein Überblick

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Es gibt so viele Mythen über die Liebe wie Sand am Meer.

Schauen wir uns die Märchen an, die wir als Kinder gehört haben: Dort wimmelt es von Prinzessinnen, die nur dann ihr Glück finden können, wenn der holde Prinz sie erlöst. Sie schlafen einen ewigen Schlaf hinter undurchdringlichen Rosenbüschen, sitzen in hohen Türmen fest oder müssen für eine böse Stiefmutter die Drecksarbeit machen. Solange ihr Prinz nicht auf der Bildfläche erscheint, sind sie verloren. Und auch dann ist ihr Problem noch nicht gelöst. Denn nur wenn sie einen so zarten und kleinen Fuß besitzen, dass dieser in den gläsernen Schuh passt, den der Prinz mitgebracht hat, kann es mit der Erlösung klappen. Nur wenn ihr wunderschönes Haar lang genug ist, damit der Prinz daran hinaufklettern kann, und nur wenn sie bezaubernd genug aussehen, sodass der Prinz sie küssen möchte, werden sie befreit. Und auch die Prinzen haben einige Voraussetzungen zu erfüllen. Sie müssen Feuer speiende Drachen besiegen, schwierige Rätsel lösen und immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein.

Doch auch wenn wir uns zurück in die Gegenwart beamen und aktuelle Filme gucken, sieht es nicht so viel anders aus. Heldin und Held gestehen sich erst nach vielen Irrungen und Wirrungen endlich ihre Liebe. Damit sind sämtliche Probleme wie weggewischt, und beide können – begleitet von schmelzenden Geigenklängen – dem Sonnenaufgang entgegenreiten oder so ähnlich.

Alle Märchen und viele Filme enden in dem Moment, in dem das füreinander geschaffene Paar sich gefunden hat. Daher auch der typische Satz am Schluss: »Und so lebten sie glücklich bis ans Ende ihrer Tage.«

Wir lernen: Nur wer jede Menge knifflige Bedingungen erfüllt, wird erwählt, und nur wer erwählt wird, kann glücklich sein. Von diesem Moment an läuft alles von selbst und wie geschmiert. Wir hören nichts mehr davon, ob Dornröschen und der Prinz sich über die Erziehung gemeinsamer Kinder in die Haare geraten, noch was passiert, wenn sich Rapunzel in den Stallmeister verguckt, nachdem der Prinz an ihrem Haar emporgeklettert ist.

Doch nicht immer wird Liebe als Aufgabe geschildert, den passgenauen Partner zu finden, und dann ist gut. Auch die Variante »Nicht mit dir und nicht ohne dich« ist durchaus beliebt. Man nennt das dann Amour fou, die ebenso leidenschaftliche wie verhängnisvolle Liebe. In harmloseren Fällen zeigt sich diese in Onoff-Beziehungen, in der krasseren Ausführung gibt es am Ende Tote.

Auch der Buchmarkt trägt zu den Mythen über die Liebe und zur Verbreitung falscher Konzepte bei: »Warum Liebe wehtut« oder »Liebe heilt alles« sind dafür nur zwei Beispiele.

Auch wenn wir im richtigen Leben nach Antworten suchen, bleiben diese häufig aus. Wer hat schon bei seinen Eltern, Verwandten oder FreundInnen überzeugende Vorbilder für langjährige glückliche und erfüllende Partnerschaften erlebt? Eine Bekannte gestand mir neulich, sie kenne kein einziges glückliches Paar. Erfreulicherweise ist sie bisher nur mit mir in Kontakt, aber nicht mit meinem Mann. Sonst würde ich mir ein wenig Sorgen machen, wie sie unsere Partnerschaft einschätzt.

Die meisten von uns haben also in ihrem Leben eine ganze Menge darüber gelernt, wie es nicht geht. Doch wie unabhängige Liebe gelingt, das verstehen und praktizieren zurzeit nur wenige.

Ist Selbstliebe die Lösung?

Selbstliebe ist nicht nur eine wunderbare Sache, sondern die Voraussetzung für ein glückliches Leben. Weil Selbstliebe bedeutet, die eigenen Bedürfnisse zu spüren und zu erfüllen. Das klingt so einfach und ist doch nicht leicht. Denn nicht nur unsere Mitmenschen wollen uns oft einreden, Selbstliebe sei gleichbedeutend mit dem bösen Egoismus, auch unsere inneren KritikerInnen flüstern uns nicht selten dasselbe zu. Schließlich wurden sie mit all den Überzeugungen, die in unserer Gesellschaft gängig sind, gefüttert.

Selbstliebe bedeutet, mit sich selbst befreundet zu sein und gerne mit sich selbst zu leben. Aber es heißt nicht zwangsläufig, dass einem die Balance zwischen Distanz und Nähe in der Beziehung zu einem anderen Menschen gelingt. Sich selbst zu mögen heißt noch nicht, den anderen innerlich loslassen zu können. Denn Liebe und Freiheit sind zweierlei. Außerdem: Wer will schon ein ganzes Leben lang nur von sich selbst, aber niemals von jemand anderem geliebt werden?

Unabhängig lieben geht zudem über eine Partnerschaft hinaus.

Es ist auch für den Beruf, die Beziehung zu den Kindern, den eigenen Eltern und für alle Freundschaften bedeutsam. Wir werden uns das im Einzelnen anschauen.

Abhängigkeit beginnt im Kopf. Doch der Weg zu unabhängiger Liebe ist kein ausschließlich kognitiver. Nur weil man sich vorgenommen hat, unabhängig zu lieben, ist man noch nicht dazu in der Lage. Es geht darum, Verstand und Gefühl zusammenzubringen, damit sich wirklich etwas ändert.

Ich liebe dich, aber ich brauche dich nicht

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