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2. Du kannst wirklich lieben, weil du tiefe Gefühle nicht zu fürchten brauchst

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Menschen fürchten das, was sie nicht kennen. Und viele Menschen kennen ihre Gefühle nicht. Sie können diese nicht benennen und spüren sie oft nicht einmal. Das ist kein Wunder, denn in der Schule lernen wir zwar etwas über die Abbaugebiete von Braunkohle weltweit und erfahren, wann Napoleon seine Siege errungen hat, doch über Gefühle wird selten gesprochen. Was hätten uns unsere LehrerInnen auch darüber berichten können? Viele von ihnen waren ganz offensichtlich selbst nicht in der Lage, mit ihren eigenen Emotionen umzugehen. Auch über den Unterschied zwischen Gefühl und Emotion und ob es sinnvoll ist, diesen zu betonen, habe jedenfalls ich im Schulunterricht nichts gehört.

Ebenso ist es bei unseren Eltern und Verwandten keineswegs selbstverständlich, dass diese nicht nur wissen, wie ihre Gefühle entstehen, sondern sie auch auf konstruktive Weise äußern und damit umgehen können. Deshalb waren sie für uns häufig keine guten Vorbilder.

Wir fürchten das, was wir nicht kennen, habe ich oben geschrieben. Dasselbe gilt für all das, dem wir uns ausgeliefert fühlen. Wer sich den Umständen, anderen Menschen und seinem eigenen Innenleben gegenüber ohnmächtig fühlt, muss sich vor allem davor schützen, verletzt zu werden. Im Außen und im Innen lauern dann viel zu viele Gefahren, um entspannt und offen zu sein. Doch Liebe ist ohne Offenheit, Entspanntheit und Vertrauen nicht möglich. Wer Seelengefährten erkennen will, muss die Augen offen halten. Wer zu viel Angst hat, kann sich nicht verlieben. Wer sein Herz verschenkt, macht sich angreifbar. Denn es könnte sein, dass das Geschenk zurückgewiesen wird und, fast schlimmer noch, man könnte sich vor aller Welt lächerlich machen.

Wenn du es darauf anlegst, die Liebe eines ganz bestimmten Menschen zu erringen, und außerdem darauf bestehst, von allen, die dir begegnen, anerkannt und wertgeschätzt zu werden, manövrierst du dich in eine aussichtslose Lage. Denn wir wissen alle: Die Welt ist nicht so, wie wir sie gerne hätten, sondern so, wie sie nun einmal ist. Nicht jeder Wunsch geht in Erfüllung. Nicht jede Zuneigung wird erwidert, nicht jedes Bedürfnis erfüllt.

Der Dichter Heinrich Heine klagte eindrücklich darüber, dass so oft A den B liebt, während dieser in C verschossen ist, die wiederum D begehrt. »Es ist eine alte Geschichte. Doch bleibt sie immer neu. Und wem sie just passieret. Dem bricht das Herz entzwei«, reimte er.

Vielleicht hat Heine auch deswegen seine letzten acht Lebensjahre in einer »Matratzengruft« verbracht, also sein Bett nicht mehr verlassen, weil er es nicht schaffte, die Tragik dieser »alten Geschichte« aufzulösen.

Tiefe Gefühle fühlen, ohne sich darin zu verlieren, Zurückweisung erleben, ohne daran zu zerbrechen, sich in den Augen anderer lächerlich machen, ohne etwas darauf zu geben, das gelingt nur denen, die im Kontakt mit sich sind und die mit ihren Emotionen umzugehen wissen.

Wir Frauen haben in dieser Hinsicht oft einen Vorteil, denn wir wurden üblicherweise durch unsere Erziehung nicht dermaßen von unseren Emotionen abgeschnitten wie viele Männer. Wir durften eher weinen oder auch vor Kichern aus dem Häuschen sein, bevor ein Erwachsener einschritt: »Jetzt reiß dich endlich mal zusammen!«

Die eigenen Gefühle spüren und benennen können, das ist der erste Schritt. Der zweite besteht darin, klug mit den eigenen Emotionen umzugehen. Zu wissen, dass Gefühle uns nicht umbringen wollen, sondern lediglich eine eingebaute Alarmanlage darstellen, die uns mitunter heftig darauf hinweist, wenn wir auf der falschen Spur sind. Empfinden wir Schmerz, signalisiert uns die Alarmanlage: Ändere etwas, hör auf mit dem, was du da gerade tust! Empfinden wir Freude, bleibt die Alarmanlage still und macht uns damit deutlich: Alles okay, mach weiter so!

Unabhängige Liebe stellt den Schmerz nicht ab, und das ist auch gut so. Aber sie ermöglicht es uns, uns nicht in Leidenschaften zu verstricken, die nur Leiden schaffen. Denn es geht anders und besser.

Ich liebe dich, aber ich brauche dich nicht

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