Читать книгу Ich liebe dich, aber ich brauche dich nicht - Renate Georgy - Страница 13
Was ich mit dem Thema zu tun habe
ОглавлениеEs ist kurz vor Weihnachten 1975. Ich bin zwanzig Jahre alt und erst vor einigen Monaten mit meiner großen Liebe zusammengezogen. M. ist mein Traummann. Er sieht toll aus, riecht gut, ist klug und witzig. Während ich gerade angefangen habe zu studieren, unterrichtet er bereits an einem Gymnasium. Ich kann viel von ihm lernen.
Gerade hat M. mir mitgeteilt, dass er Weihnachten und Silvester nicht mit mir, sondern mit seinem besten Freund verbringen wird. Sie werden zusammen nach Schweden fahren. Da waren sie schon einmal, als ich noch nicht auf der Bildfläche erschienen war. Ich erinnere mich: M. hat hin und wieder von den ausgesprochen hübschen Schwedinnen geschwärmt und gleichzeitig betont, dass die schwedischen Männer in seinen Augen mehr oder weniger Weicheier seien.
Es rauscht in meinem Kopf. Ich fühle mich wie kurz vor einer Ohnmacht. Was soll ich nur tun? Warum liebt M. mich nicht? Denn würde er mich lieben, bliebe er Weihnachten zu Hause und würde die Feiertage mit mir verbringen. Wir würden lecker essen, das eine oder andere Geschenk auspacken und anschließend das Fest der Liebe im Bett begehen.
Als M. einige Tage später zu seiner Reise aufbricht und auf der Straße vor unserem Haus ins Auto steigt, spüre ich den Drang, aus dem Küchenfenster im dritten Stock zu springen, direkt vor seinen BMW. Doch was ist, wenn ich gar nicht tot bin, sondern nur schwer verletzt? Vielleicht müssen meine Beine amputiert werden, und ich kann mein restliches Leben im Rollstuhl verbringen? Vielleicht schlucke ich doch lieber die komplette Schachtel Kopfschmerztabletten, die im Badezimmerschrank liegt? Ich vertiefe mich in den Beipackzettel. O Gott, das sind ja schreckliche Nebenwirkungen, von denen da die Rede ist!
Zu erschöpft, um richtig weinen zu können, krieche ich in mein Bett, das bis vor Kurzem noch unser Bett war, und schlafe ein.
Es wird dich vielleicht überraschen, dass dieses Ereignis nicht das Ende meiner Beziehung mit M. war. Acht weitere gemeinsame Jahre schlossen sich an. M. kam aus Schweden zurück, und ich war immer noch da, wo er mich zehn Tage zuvor verlassen hatte. Vielleicht wunderst du dich aber auch gar nicht, sondern hast selbst schon Ähnliches erlebt.
Weder M. noch ich haben die Sache mit der unabhängigen Liebe in all den Jahren hinbekommen. Bis zum Schluss nicht. Er musste regelmäßig beweisen, dass er so was von frei ist, und ich hatte mir in den Kopf gesetzt, diesen armen, bindungsschwachen Mann zu retten, nach dem Motto »Liebe macht alles gut«. Das konnte nicht funktionieren.
Aber seit ich so verzweifelt gewesen war, dass ich aus dem Fenster springen wollte, trieb mich eine Frage um:
Wie geht das, sein Herz verschenken und trotzdem unabhängig bleiben? Darauf hatte ich lange keine Antwort. Aber ich war wild entschlossen, eine zu finden.