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Die ersten Karolinger und die Päpste

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Bei der Be­kämp­fung der Ara­ber hat­te Karl Mar­tell die Lan­go­bar­den zu Bun­des­ge­nos­sen. Die gu­ten Be­zie­hun­gen zu die­sem ger­ma­ni­schen Vol­ke zu pfle­gen war na­tür­lich, und Karl hielt an der lan­go­bar­den­freund­li­chen Po­li­tik auch dann fest, als sich ihm Ge­le­gen­heit bot, eine ent­ge­gen­ge­setz­te zu ver­fol­gen. Es ge­sch­ah näm­lich, dass der Lan­go­bar­den­kö­nig Ai­stulf den großen Ge­dan­ken fass­te, sei­ne Herr­schaft über ganz Ita­li­en aus­zu­brei­ten, von dem au­ßer Rom nur ein Zip­fel im Sü­den und Ve­ne­dig im Nord­os­ten mehr dem Na­men nach als tat­säch­lich noch zum Ost­rö­mi­schen Reich ge­hör­ten. Er er­ober­te Ra­ven­na und mach­te sich da­durch den rö­mi­schen Papst zum Fein­de, der sich als Herr Roms und als sol­cher, wenn er es auch nicht aus­sprach, als Herr Ita­li­ens fühl­te. Nach­dem die letz­ten Kai­ser Rom auf­ge­ge­ben hat­ten, über­nah­men die Bi­schö­fe von Rom den Schutz der Ewi­gen Stadt, und ihre kirch­li­che Stel­lung, ihr sitt­li­ches Über­ge­wicht wuch­sen un­merk­lich mit der See­le der Wel­t­herr­sche­rin zu­sam­men. Nicht alle Päps­te wa­ren sich des­sen be­wusst, und nicht alle konn­ten den An­spruch, den das Be­wusst­sein ver­lieh, ver­tre­ten; aber es war eine Tat­sa­che, die sich im­mer gel­tend mach­te: weil sie Rom in­ne­hat­ten, muss­ten sie Nach­fol­ger der rö­mi­schen Cäsa­ren sein, weil sie das Haupt der Kir­che wa­ren, die die Welt um­fas­sen soll­te, muss­ten sie das Reich bis zu den Gren­zen der be­wohn­ten Erde aus­zu­deh­nen su­chen; aus ei­nem zwie­fa­chen Grun­de muss­ten sie sich zu Her­ren der Welt be­stimmt glau­ben. Ein un­ge­heu­res Herr­scher­be­wusst­sein war die Schick­sals­ga­be von Män­nern, die als Kir­chen­häup­ter nicht nur kei­ne welt­li­che Macht be­sa­ßen, son­dern welt­li­che Macht ge­ring­schätz­ten, mit dem Wort al­lein Füh­rer der See­len sein soll­ten. Wenn der Kö­nig der Lan­go­bar­den Kö­nig von Ita­li­en wur­de, muss­te er Rom zu sei­ner Haupt­stadt ma­chen; muss­te das Haupt der Welt zum Haupt Ita­li­ens, der Papst in die Stel­lung ei­nes dem Kö­nig un­ter­ge­ord­ne­ten Bi­schofs her­ab­ge­drückt wer­den. Wie soll­te er sich der he­randrän­gen­den Ge­fahr er­weh­ren? Zwei christ­li­che Mäch­te ka­men in Be­tracht: der Kai­ser in By­zanz, der als Nach­fol­ger der rö­mi­schen Kai­ser An­sprü­che auf Ita­li­en hat­te, und der Kö­nig des frän­ki­schen Rei­ches. Zu der Zeit, als Gre­gor der Gro­ße zwi­schen den Schwer­tern der Lan­go­bar­den leb­te, wie er selbst sag­te, wur­de die Ober­herr­schaft des Kai­sers von By­zanz noch an­er­kannt, eine Lo­cke­rung trat durch einen Zwie­spalt in der Leh­re ein, in­dem in By­zanz der Bil­der­dienst ver­bo­ten wur­de, wäh­rend zwar Gre­gor die An­be­tung der Bil­der ver­warf, sie aber zur Be­leh­rung des Vol­kes be­hal­ten woll­te. Nicht nur die­ser Ge­gen­satz je­doch, son­dern ge­ra­de der zu Recht be­ste­hen­de Herr­schafts­an­spruch der ost­rö­mi­schen Kai­ser be­wog die Päps­te, den Schutz der Fran­ken vor­zu­zie­hen: sie schie­nen eher in der Lage, Rom zu hel­fen, aber we­ni­ger in der Lage, Rom zu be­herr­schen. Nicht zwar an die ohn­mäch­ti­gen Mero­win­ger, die die Kö­nigs­kro­ne tru­gen, wand­te sich Gre­gor III., son­dern an den mäch­ti­gen Haus­mei­er Karl Mar­tell mit der Bit­te, ihm Schutz ge­gen die Lan­go­bar­den zu ge­wäh­ren, wo­ge­gen er ihm ver­sprach, ihn zum rö­mi­schen Kon­sul zu ma­chen, eine Wür­de, mit der die Schutz­herr­schaft über Rom ver­bun­den war. Trotz der wie­der­hol­ten in­stän­di­gen Bit­ten Gre­gors zog Karl, wie es scheint ohne Be­sin­nen, das Bünd­nis mit den Lan­go­bar­den der Freund­schaft mit dem Papst vor, durch­aus ein Mann der Tat, der die na­he­lie­gen­den Auf­ga­ben kühn und groß­ar­tig voll­brach­te, den kei­ne in­ne­re Be­zie­hung mit der Kir­che ver­band. An­ders wa­ren sei­ne Söh­ne Pi­pin und Karl­mann; sie wa­ren von Kir­chen­män­nern er­zo­gen, und ihr In­ter­es­se um­spann­te wei­te­re Ge­bie­te. Bei­de wa­ren lie­bens­wür­di­ge und her­vor­ra­gen­de Per­sön­lich­kei­ten, Karl­mann leich­ter vom Ge­fühl hin­ge­ris­sen, Pi­pin be­son­ne­ner, tat­kräf­tig, groß­mü­tig, ein sym­pa­thi­scher Mensch und schöp­fe­ri­scher Staats­mann. Vor die­sel­be Fra­ge ge­stellt wie sein Va­ter, ent­schied er im ent­ge­gen­ge­setz­ten Sinn. Der ers­te Schritt zu ei­ner en­ge­ren Be­zie­hung zum Papst ging von ihm aus, in­dem er zwei Ge­sand­te, den Bi­schof Bern­hard von Würz­burg und den Abt Ful­rad von St. De­nys, nach Rom schick­te, da­mit ihn Papst Za­cha­ri­as, ein klu­ger Grie­che, zur Füh­rung des Kö­nigs­ti­tels be­rech­tigt er­klä­re. Man könn­te mei­nen, die förm­li­che Rich­tig­stel­lung ei­nes Ver­hält­nis­ses, das große Ta­ten be­grün­det hat­ten, hät­te kei­nes päpst­li­chen Gut­ach­tens be­durft; al­lein ab­ge­se­hen da­von, dass Pi­pin die Ei­fer­sucht, den Neid und die Treu­lo­sig­keit sei­ner Gro­ßen kann­te, liegt es im Men­schen, dass er das Be­dürf­nis hat, sich und sein Da­sein nicht nur auf die ei­ge­ne Kraft und Ge­walt, son­dern auf einen Rechts­grund zu stüt­zen und mit der Ver­gan­gen­heit zu ver­bin­den. Der Gläu­bi­ge wie der Ungläu­bi­ge, sie wol­len nicht nur be­sit­zen, son­dern mit Recht be­sit­zen, der Un­ter­lie­gen­de fühlt sich noch als Sie­ger, wenn er sich als Ver­tre­ter des Rech­tes, ei­ner hö­he­ren Ent­schei­dung in ei­ner an­de­ren Re­gi­on be­trach­ten kann. Ei­nen welt­li­chen Herrn konn­te Pi­pin als Schieds­rich­ter nicht gel­ten las­sen; aber das Ur­teil des rö­mi­schen Bi­schofs, des Haup­tes der christ­li­chen Kir­che wür­de all­ge­mein als Got­tes­ur­teil auf­ge­fasst wer­den. Doch wur­de die Ant­wort des Za­cha­ri­as, es sei bil­lig, dass der­je­ni­ge, der die Macht habe, auch den Kö­nigs­ti­tel füh­re, und Pi­pin sei des­halb als Kö­nig zu krö­nen, nur als ein für Pi­pins Ge­wis­sen wich­ti­ges Gut­ach­ten an­ge­se­hen und als eine Wei­sung an die frän­ki­sche Geist­lich­keit, die als Groß­grund­be­sit­zer von aus­schlag­ge­ben­der Be­deu­tung war; die Kö­nigs­wahl fand nach al­ter ger­ma­ni­scher Sit­te durch das Heer statt. Da­nach wur­de Pi­pin in Sois­sons von den Bi­schö­fen ge­salbt; man nimmt an, dass Bo­ni­fa­ti­us da­bei tä­tig war.

Papst Za­cha­ri­as stand in gu­ten Be­zie­hun­gen zu den Lan­go­bar­den; nach sei­nem Tode griff Ai­stulf den Plan der Erobe­rung Ita­li­ens wie­der auf und nahm Ra­ven­na ein. Papst Ste­phan II. wand­te sich zu­erst brief­lich an Pi­pin und trat dann die Rei­se über die Al­pen an, um als Schutz­fle­hen­der vor dem Kö­nig zu er­schei­nen, eine Rei­se, die dop­pelt schwie­rig war, weil sie durch das feind­li­che lan­go­bar­di­sche Ge­biet ging. Pi­pin war ent­schlos­sen, den ihm vom Papst ge­wie­se­nen Weg ein­zu­schla­gen; aber er stand da­mit ziem­lich al­lein. Un­ver­ges­sen war sei­nes Va­ters lan­go­bar­den­freund­li­che Po­li­tik, dar­an woll­ten nicht nur vie­le frän­ki­sche Gro­ße, son­dern auch Pi­pins Frau, die Kö­ni­gin Ber­tra­da, und sein Bru­der Karl­mann fest­hal­ten. Karl­mann hat­te die Re­gie­rung schon seit meh­re­ren Jah­ren nie­der­ge­legt, war nach Rom ge­gan­gen und Mönch ge­wor­den; man nimmt an, dass er im Klos­ter durch ein Mit­glied der kö­nig­li­chen Fa­mi­lie für die Lan­go­bar­den ge­won­nen war. Die Sa­che war ihm so wich­tig, dass er über die Al­pen ging, um Pi­pin per­sön­lich zu be­ein­flus­sen. Trotz so vie­ler und ge­wich­ti­ger Ge­gen­wir­kun­gen be­harr­te Pi­pin auf sei­nem Wil­len: er emp­fing Ste­phan eh­ren­voll, ließ sich, sei­ne Frau und sei­ne Söh­ne von ihm sal­ben und ver­sprach ihm Schutz nicht nur in sei­ner au­gen­blick­li­chen Not­la­ge, son­dern auch für künf­ti­ge Zei­ten. Ste­phan ver­lieh ihm den Ti­tel ei­nes Pa­tri­ci­us Ro­ma­norum, den der Kö­nig seit­dem führ­te. Auf sei­nem Wege nach Ita­li­en nahm Pi­pin sei­ne Frau und sei­nen Bru­der mit sich bis Vi­enne, wo er sie zu­rück­ließ, und wo Karl­mann im fol­gen­den Jah­re starb. Pi­pin be­la­ger­te Ai­stulf in sei­ner Haupt­stadt Pa­via und zwang ihn, auf Ra­ven­na und die so­ge­nann­te Pen­ta­po­lis, fünf Städ­te von Ri­mi­ni bis An­co­na, zu ver­zich­ten; als Ai­stulf bald dar­auf sei­nen An­griff auf das päpst­li­che Ge­biet er­neu­er­te, wie­der­hol­te er sei­nen Kriegs­zug mit Er­folg. Die Schlüs­sel der zu­rück­ero­ber­ten Städ­te, die den päpst­li­chen Du­kat aus­mach­ten, ließ Pi­pin am Gra­be des hei­li­gen Pe­trus nie­der­le­gen zu­gleich mit ei­ner Ur­kun­de, in wel­cher er sei­nem Ver­spre­chen ge­mäß die Schen­kung die­ses Ge­bie­tes an den Hei­li­gen Stuhl aus­sprach.

Dies be­deu­tungs­vol­le Er­eig­nis fand zu der Zeit statt, als Bo­ni­fa­ti­us starb. Pi­pin nahm den Fa­den auf, den der An­gel­sach­se an­ge­spon­nen hat­te, so­dass nun staat­lich und kirch­lich das frän­ki­sche Reich in eine enge Ver­bin­dung mit Rom ein­ge­tre­ten war. Man kann nicht um­hin, sich vor­zu­stel­len, dass es auch an­ders hät­te kom­men kön­nen, da ja die Ent­wick­lung, die tat­säch­lich sich voll­zog, durch­aus nicht all­ge­mein ge­for­dert wur­de, son­dern, so­weit sie per­sön­lich be­dingt war, haupt­säch­lich nur von zwei her­vor­ra­gen­den Män­nern ge­tra­gen wur­de. Wenn die Lan­go­bar­den Ita­li­en zu ei­nem Reich zu­sam­men­ge­fasst hät­ten, wie an­ders wäre das Schick­sal Deutsch­lands, das Schick­sal Ita­li­ens, das Schick­sal Eu­ro­pas ge­wor­den. Man könn­te sich den­ken, dass schon da­mals ein Gleich­ge­wicht na­tio­na­ler Staa­ten sich hät­te her­aus­bil­den kön­nen; man könn­te ge­neigt sein, die Nie­der­la­ge der Lan­go­bar­den, ei­nes so reich­be­gab­ten ed­len ger­ma­ni­schen Stam­mes zu be­kla­gen. Das Lied vom Rö­mi­schen Wel­treich er­tön­te lau­ter als die Stim­men der ein­zel­nen Völ­ker, es er­füll­te das Abend­land. Und lässt man die Er­eig­nis­se und Ge­stal­ten des Mit­tel­al­ters an sich vor­über­zie­hen, so zwei­felt man nicht, dass die tat­säch­li­che Ent­wick­lung die­je­ni­ge war, die der Mensch­heit ge­ra­de durch das tra­gi­sche Ver­hält­nis zwi­schen Papst und Kai­ser, durch den über­mensch­li­chen Um­riss ih­rer Zie­le den reichs­ten Ge­halt an großen Ide­en und vor­bild­li­chen Ge­stal­ten ge­ben konn­te.

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