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Karl der Große

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Nach Pi­pins Tode, der wie sein Va­ter jung starb, sieg­te noch ein­mal der po­li­ti­sche Ge­dan­ke des Karl Mar­tell, näm­lich der An­schluss an die Lan­go­bar­den. Ber­tra­da reis­te selbst nach Ita­li­en; und wenn sie auch Rom nicht mied, wo sie an den hei­li­gen Stät­ten be­te­te, so war doch ihr haupt­säch­li­cher Zweck, die Ver­mäh­lung ih­res äl­tes­ten Soh­nes mit ei­ner Toch­ter des Lan­go­bar­den­kö­nigs De­si­de­ri­us zu be­trei­ben, die auch wirk­lich voll­zo­gen wur­de. Das fes­tig­te zu­gleich die Ver­bin­dung mit Bay­ern, da Thas­si­lo, der Her­zog von Bay­ern, mit ei­ner Schwes­ter der jun­gen Frau ver­hei­ra­tet war. Papst Ste­phan äu­ßer­te sei­nen Zorn über die­se Wen­dung in ei­nem Schrei­ben, das bald zäh­ne­flet­schend grim­mig, bald ölig mil­de den bom­bas­ti­schen Stil trägt, der in der Kanz­lei der Ku­rie üb­lich wur­de. Er be­zeich­ne­te die Ver­bin­dung Karls mit ei­ner Lan­go­bar­din als aus ei­ner Ein­flüs­te­rung des Teu­fels ent­stan­den, von der Nie­der­tracht selbst aus­ge­heckt, die Lan­go­bar­den als ein stin­ken­des, aus­sät­zi­ges, treu­lo­ses Volk, ja über­haupt nicht ein­mal Volk. Wahn­sinn sei es, wenn der edle Kö­nig des ruhm­vollen Fran­ken­lan­des sich durch eine sol­che Ver­bin­dung be­fle­cke. Zum Schluss droh­te er, wenn die Hei­rat trotz sei­ner Ab­mah­nung zu­stan­de käme, dem Schul­di­gen mit dem Bann­fluch, durch den er mit­samt den üb­ri­gen Gott­lo­sen dem Teu­fel und dem ewi­gen Feu­er zum Ver­bren­nen über­ant­wor­tet wer­den wür­de. Vi­el­leicht war Karl von An­fang an ge­gen die ei­ge­ne Über­zeu­gung dem Wil­len der Mut­ter ge­folgt, viel­leicht be­sorg­te er, was auch wirk­lich ge­sch­ah, dass sich Papst und Lan­go­bar­den nun­mehr zu sei­nem Scha­den mit­ein­an­der ver­stän­di­gen wür­den: nach ein­jäh­ri­ger Ehe schick­te er dem De­si­de­ri­us sei­ne Toch­ter zu­rück, die ver­mut­lich kei­ne wär­me­re Nei­gung in ihm er­weckt hat­te. Aus die­ser schrof­fen Tat hät­ten be­denk­li­che Ver­wick­lun­gen in­ner­halb der Fa­mi­lie ent­ste­hen kön­nen, wenn nicht Karl­mann, der wie einst sein gleich­na­mi­ger Oheim zu Ber­tra­da hielt, plötz­lich ge­stor­ben wäre, etwa zu glei­cher Zeit auch Ste­phan. Sei­nem Nach­fol­ger Ha­dri­an I. wur­de das wi­der­na­tür­li­che Bünd­nis mit den Lan­go­bar­den, das Ste­phan aus Not und Trotz ein­ge­gan­gen war, sehr bald drückend, und er wand­te sich hil­fe­su­chend an Karl. Nun war der Au­gen­blick ge­kom­men, wo Karl das Pro­blem mit dem Schwer­te lö­sen konn­te; er führ­te ein Heer über die Al­pen, be­sieg­te und ent­thron­te De­si­de­ri­us und zwang ihn, in ein Klos­ter zu ge­hen. Karl trat als Kö­nig in die durch die Ab­set­zung des De­si­de­ri­us frei ge­wor­de­ne Stel­le ein, ohne üb­ri­gens in der Lage des Lan­go­bar­den­vol­kes et­was Nen­nens­wer­tes zu ver­än­dern, au­ßer dass er all­mäh­lich die Lan­go­bar­den, die ihm un­zu­ver­läs­sig er­schie­nen, auf ver­ant­wor­tungs­vol­len Pos­ten durch frän­ki­sche Gra­fen oder Her­zo­ge er­setz­te. Er war Nach­bar des Paps­tes in Ita­li­en ge­wor­den, nicht mehr nur der ent­fern­te Schutz­herr, der zu Hil­fe kam, wenn er ge­ru­fen wur­de, und nach ge­ta­ner Ar­beit sich wie­der zu­rück­zog.

Zu­nächst er­wuch­sen dar­aus kei­ne Schwie­rig­kei­ten. Der rö­mi­sche Stadt­a­del war eine Geg­ner­schaft des Paps­tes, die ihn im­mer noch des frän­ki­schen Schut­zes be­dürf­tig mach­te. Leo III., Ha­drians Nach­fol­ger, wur­de von sei­nen rö­mi­schen Fein­den so ver­folgt, dass er sich und sein Schick­sal Karl völ­lig über­ant­wor­te­te. Er such­te ihn in Pa­der­born auf, wo der Kö­nig Hof hielt. Karl lieb­te die­sen Ort am Fuße des Teu­to­bur­ger Wal­des, der ihm zu ei­ner Stät­te des Ruhms wie kaum ein an­de­rer wer­den soll­te; denn hier emp­fing nach drei­ßig­jäh­ri­gen er­bit­ter­ten Kämp­fen sein ge­fähr­lichs­ter, sein größ­ter Geg­ner, der Sach­se Wi­du­kind, die Tau­fe. Er moch­te Au­gen­bli­cke ha­ben, wo das Rau­schen des Eich­wal­des ihm wie ein Got­tes­wort des Frie­dens klang, das das ver­gos­se­ne Blut sühn­te. An Stel­le der Sal­va­tor­kir­che, die im Sach­sen­krie­ge zer­stört war, hat­te er nahe dem Quell der Pa­der einen Dom aus Stein er­rich­tet, der den Zeit­ge­nos­sen präch­tig er­schi­en; er wur­de 200 Jah­re spä­ter durch eine Feu­ers­brunst ver­nich­tet. Er war noch nicht vollen­det, als Papst Leo zum Ge­dächt­nis sei­ner An­we­sen­heit einen Al­tar dar­in weih­te. Was sich sonst an Häu­sern in Pa­der­born vor­fand, war ver­mut­lich aus Holz und ziem­lich dürf­tig; wenn aber der Ort dem Ita­lie­ner nicht son­der­lich im­po­nier­te, so tat es doch die Men­ge ge­rüs­te­ter Krie­ger, die ihn emp­fing, und vor al­lem der Kö­nig selbst im meer­grü­nen Man­tel mit dem edel­stein­ge­schmück­ten Schwert und dem Dia­dem, wie er sich an Fest­ta­gen trug. Trotz der An­kla­ge, die auf dem Papst las­te­te, wo­bei es sich haupt­säch­lich um Mein­eid und Ehe­bruch han­del­te, emp­fing ihn Karl mit al­len Ehren, um­arm­te und küss­te ihn, von vorn­her­ein ent­schlos­sen, ihn für un­schul­dig zu hal­ten. Man nimmt an, dass bei die­ser Be­geg­nung die Krö­nung des Kö­nigs zum rö­mi­schen Kai­ser be­re­det wur­de; sie war die Ge­gen­ga­be des Paps­tes für den Schutz, den Karl ihm ge­währ­te. Den­noch scheint es, dass der Kö­nig, als ihm Leo am Weih­nachts­ta­ge des Jah­res 800 in der Ba­si­li­ka des hei­li­gen Pe­trus die Kro­ne auf­setz­te, über­rascht war; er hat spä­ter ge­sagt, dass er nicht in die Kir­che ge­gan­gen sein wür­de, wenn ihm das Vor­ha­ben des Hei­li­gen Va­ters be­kannt ge­we­sen wäre. Die Grün­de da­für ken­nen wir nicht; es ist mög­lich, dass er fürch­te­te, sich durch die­sen Akt die Feind­schaft des ost­rö­mi­schen Kai­sers zu­zu­zie­hen, mög­lich auch, dass er vor­ge­zo­gen hät­te, sich selbst zu krö­nen, wie er denn vor sei­nem Tode sei­nem Sohn Lud­wig be­fahl, sich die Kro­ne aufs Haupt zu set­zen und sich Kai­ser und Au­gus­tus nen­nen zu las­sen. Die­sen Ti­tel führ­te er selbst seit der Krö­nung in Rom.

Die Über­tra­gung der Cäsa­ren­wür­de auf den Fran­ken­kö­nig war ein Er­eig­nis von un­ge­heu­rer, ein­schnei­den­der Be­deu­tung; aber da sie nicht ein neu­es Ver­hält­nis schuf, son­dern ei­ner all­mäh­lich vollen­de­ten Ent­wick­lung Aus­druck gab, emp­fand sie Karl wohl als et­was Selbst­ver­ständ­li­ches. Das Wel­treich be­stand, es war die Form, in der seit Jahr­hun­der­ten die Men­schen leb­ten. Durch die Ent­ste­hung des großen frän­ki­schen Rei­ches war By­zanz an den Rand ge­drängt, der mäch­ti­ge Ger­ma­nen­fürst als tra­gen­de Säu­le in die Mit­te des Wel­trei­ches ge­rückt. Von ihm strahl­te schaf­fen­de Kraft nach al­len Sei­ten aus; der Ti­tel ver­lieh ihm nichts, be­sie­gel­te nur das, was war. Die Mög­lich­keit künf­ti­ger Ver­wick­lun­gen und Ge­fah­ren, die aus der Be­zie­hung zum rö­mi­schen Papst ent­ste­hen konn­ten, wird ihn nicht ernst­lich be­un­ru­higt ha­ben; dazu leb­te er zu sehr in der Fül­le der Zeit.

Karl der Gro­ße war ei­ner der Be­ru­fe­nen, die das Zu­sam­men­ge­hö­ri­ge, aber Ve­rein­zel­te zu ei­nem le­ben­di­gen Gan­zen ord­nen, und die von den dank­ba­ren Völ­kern, de­ren Ge­schich­te sie be­grün­det ha­ben, wie Halb­göt­ter ver­ehrt wur­den. Sei­ne Vor­fah­ren hat­ten das große Werk vor­be­rei­tet, Thü­rin­gen, Schwa­ben, Bay­ern fand er be­reits mit den Fran­ken ver­ei­nigt, auch die Sach­sen und Frie­sen hat­te Pi­pin schon zu un­ter­wer­fen ver­sucht. Was ihn vor je­nen aus­zeich­ne­te, war, dass er dem neu­ge­schaf­fe­nen Kör­per eine ge­mein­sa­me Ord­nung, einen ge­mein­sa­men Sinn und Geist gab.

Zu den Bü­chern, die Karl mit Vor­lie­be las, ge­hör­te der Got­tes­staat des hei­li­gen Au­gus­ti­nus. Der edle Schwung, der es er­füllt, die un­er­schüt­ter­li­che Über­zeu­gung ei­nes durch An­la­ge und Bil­dung über­le­ge­nen Geis­tes ma­chen die Wir­kung, die es jahr­hun­der­te­lang aus­ge­übt hat, ver­ständ­lich, mehr noch viel­leicht die Ein­fach­heit und doch auch Viel­deu­tig­keit der Ge­dan­ken­gän­ge. Schon in dem ers­ten Brü­der­paa­re der Mensch­heit, in Kain und Abel, so sieht Au­gus­ti­nus den Sinn der Ge­schich­te, spal­te­te sie sich in zwei Rei­che, in ein sol­ches, das Gott an­ge­hört, und in ein sol­ches, das den Men­schen folgt, mensch­li­chen Be­gier­den, mensch­li­cher Ein­sicht, mensch­li­chen Zwe­cken. Das Reich Got­tes steht in­ner­halb der Mensch­heit ge­gen­über der Welt oder dem Rei­che der Men­schen, das durch­aus nicht etwa des Ver­stan­des, der Bil­dung, der Tu­gend er­man­gelt, aber auf mensch­li­che und ir­di­sche Zwe­cke be­schränkt ist und zwei­fel­haf­te ir­di­sche Genüs­se durch ewi­ges Ver­der­ben er­kauft. Das Reich Got­tes ruht auf dem Glau­ben und ge­winnt das ewi­ge Le­ben, es be­ginnt hie­nie­den in Hoff­nung und ent­fal­tet sich drü­ben im Schau­en.

Au­gus­ti­nus wuss­te, dass nicht alle, die sich Chris­ten nann­ten, Chris­ten wa­ren, aber die Kir­che, die das Wis­sen von Gott und den gött­li­chen Din­gen lehr­te, der zu sei­ner Zeit alle Chris­ten an­ge­hör­ten, ohne die die Nach­fol­ge Chris­ti als nur von ein­zel­nen ver­wirk­licht ohne Halt und ohne Dau­er ge­we­sen wäre, fiel ihm zu­sam­men mit dem Got­tes­staa­te, wäh­rend der heid­nische Staat die­je­ni­gen um­fass­te, die sich der Gna­de Got­tes ent­zo­gen. Der Ge­dan­ke lag nahe, Kir­che und Staat über­haupt als Got­tes­staat und Men­schen­staat oder Welt ein­an­der ent­ge­gen­zu­set­zen; man konn­te aber auch den Schluss zie­hen, dass zwi­schen Kir­che und dem in­zwi­schen christ­lich ge­wor­de­nen Staat kein Un­ter­schied mehr be­ste­he und nur die ge­sam­te Hei­den­schaft als gna­den­lo­ses, der Ver­damm­nis ge­weih­tes Reich auf­zu­fas­sen sei. So sah es Karl der Gro­ße an; sein Reich soll­te ein Got­tes­reich sein, das als sol­ches die Kir­che ehr­te und schütz­te und ihre Leh­re ver­brei­te­te. Ver­gleicht man ihn mit Bo­ni­fa­ti­us, so tritt die Frei­heit und das Schöp­fe­ri­sche sei­nes Geis­tes be­wun­de­rungs­wür­dig her­vor. Er ließ sich gern be­leh­ren, ver­zich­te­te aber nie auf ei­ge­nes Ur­teil. In Be­zug auf man­che kirch­li­chen Fra­gen, zum Bei­spiel auf den Bil­der­dienst, hat­te er an­de­re An­sich­ten als der Papst. Zu­wei­len war er der­je­ni­ge, der die Rich­tung gab. Er hat­te eine durch Er­le­ben und Nach­den­ken ge­won­ne­ne Über­zeu­gung. Wenn er sich auch als Schirm­herr der Kir­che und des christ­li­chen Glau­bens fühl­te, so ver­folg­te er doch An­ders­den­ken­de nicht. Al­ler­dings zwang er mit Här­te den Sach­sen das Chris­ten­tum auf; das war ein Mit­tel zur Ei­ni­gung der Stäm­me, und die strengs­ten Stra­fen konn­ten so­fort ge­mil­dert wer­den, wenn der Schul­di­ge sei­ne Zuf­lucht zur christ­li­chen Kir­che oder zu ei­nem christ­li­chen Pries­ter nahm. Wäh­rend Bo­ni­fa­ti­us Be­den­ken trug, mit ei­nem Chris­ten, den er nicht für ganz recht­gläu­big hielt, der im Ge­rings­ten vom rö­mi­schen Ka­non ab­wich, zu spre­chen und zu es­sen, trat Karl der Gro­ße in freund­schaft­li­che Be­zie­hung zu Ha­run al Ra­schid, sam­mel­te er die al­ten Volks­lie­der, in de­nen die Ger­ma­nen die Ta­ten ih­rer Hel­den ver­herr­licht hat­ten.

Der Cha­rak­ter des Got­tes­rei­ches soll­te sich nicht nur durch den Schutz der Kir­che, son­dern durch die vom Kö­nig aus­flie­ßen­de Ge­rech­tig­keit er­wei­sen. Die Sage er­zählt, dass in Zü­rich, in ei­nem dem Müns­ter ge­gen­über­lie­gen­den Hau­se, wo der Kai­ser zu woh­nen pfleg­te, eine Glo­cke an­ge­bracht war, da­mit je­der Recht­su­chen­de sich bei Karl mel­den kön­ne. Ei­nes Ta­ges läu­te­te dort eine Schlan­ge, um ge­gen eine Krö­te zu kla­gen, die sich auf ihre Eier ge­setzt habe. Sie be­schenk­te den Kai­ser, der ihr zu ih­rem Rech­te ver­half, aus Dank­bar­keit mit ei­nem wun­der­kräf­ti­gen Stein, des­sen er sich oft be­dien­te. So ver­deut­lich­te sich das Volk die Ge­rech­tig­keits­lie­be sei­nes großen Kö­nigs, der auch den Ge­rings­ten in sei­nem Recht schütz­te. Im Um­fas­sen­den sei­nes Geis­tes zeig­te sich sein Ge­nie. Kein Ge­biet war ihm fremd, keins ver­nach­läs­sig­te er; er för­der­te die Bau­kunst, die Dicht­kunst, die Mu­sik, die Schu­le, die Land­wirt­schaft, er war groß als Ge­setz­ge­ber, als Ver­wal­ter, als Rich­ter, als Guts­herr, im Krie­ge. Nichts war ihm zu klein, nichts zu fern­ab. Als die nie feh­len­de Un­ter­la­ge großer Ge­nia­li­tät be­saß er eine un­er­schöpf­li­che Tä­tig­keit. Er war im­mer er­füllt von großen Ge­dan­ken, im­mer mit ih­rer Aus­füh­rung be­schäf­tigt, im­mer voll Teil­nah­me an na­hen und fer­nen, großen und klei­nen Er­eig­nis­sen. »Lasst uns heu­te et­was Denk­wür­di­ges un­ter­neh­men«, so lässt ihn die Über­lie­fe­rung täg­lich spre­chen, »da­mit man uns nicht ta­de­le, weil wir den Tag mü­ßig ver­bracht ha­ben.«

Sei­ne zeit­ge­nös­si­schen Ver­eh­rer ha­ben uns Karls Äu­ße­res ge­schil­dert: die kräf­ti­ge, hoch­ge­wach­se­ne Ge­stalt, den fes­ten Gang, die männ­li­che Hal­tung, die großen, leuch­ten­den Au­gen. Sei­ne Stim­me war hell und nicht stark, er sprach gern und viel und war im­mer fröh­lich, wie er denn auch Froh­sinn um sich her lieb­te. Im­mer durch die In­ter­es­sen sei­nes rie­si­gen Rei­ches be­wegt, leb­te er doch voll un­ge­teil­ter Hin­ga­be mit sei­ner Fa­mi­lie und sei­nen Freun­den. Je­der Frau, die er lieb­te, je­dem sei­ner Kin­der, je­dem sei­ner Freun­de ge­hör­te sein Herz ganz. Jah­re­lang leb­te er in glück­li­cher Ehe mit der Schwä­bin Hil­de­gard, die all­ge­mein ver­ehrt wur­de, und die ihm drei Söh­ne und drei Töch­ter ge­bar. Sei­ne Kin­der lieb­te er so sehr, dass er sie im­mer, selbst auf Rei­sen, um sich ha­ben woll­te, und wie der maß­lo­se Kö­nig des deut­schen Mär­chens ließ er sei­ne Töch­ter nicht hei­ra­ten. Doch gönn­te er den schö­nen und lei­den­schaft­li­chen Mäd­chen ein be­glücken­des Lie­bes­le­ben und hielt ihre Kin­der wie recht­mä­ßi­ge En­kel. Nach dem Tode der Hil­de­gard hei­ra­te­te er Fa­stra­da aus ost­frän­ki­schem Stam­me, de­ren un­güns­ti­gem Ein­fluss es zu­ge­schrie­ben wur­de, dass er ein ein­zi­ges Mal bei Ge­le­gen­heit ei­ner Ver­schwö­rung zu über­trie­be­ner Här­te sich hin­rei­ßen ließ. Für sei­nen über­mä­ßi­gen, für die Re­gie­rung ver­häng­nis­vol­len Schmerz bei ih­rem Tode ent­deck­te man, so er­zählt die Sage, eine ma­gi­sche Ur­sa­che in ei­nem Ring, den sie am Fin­ger trug. Der Erz­bi­schof Tur­pin zog ihn der To­ten ab, und die Nei­gung des Kö­nigs ging auf ihn über, bis der geist­li­che Herr den Ta­lis­man in einen Teich bei Aa­chen ver­senk­te. Seit­dem pfleg­te der Kai­ser, in Trau­er und Traum ver­sun­ken, stun­den­lang an die­sem Teich zu sit­zen; das be­zau­ber­te Ge­wäs­ser, zum Teil ver­schüt­tet, be­fin­det sich am Ran­de der Stadt in der Nähe der Fran­ken­burg, ei­nem düs­te­ren, efeu­um­rank­ten Ge­bäu­de, das die Stel­le der al­ten Kö­nigs­burg be­zeich­nen soll.

Kei­nes an­de­ren ger­ma­ni­schen Hel­den Bild ist so far­ben­bunt, so viel­sei­tig präch­tig von der Sage auf­ge­fan­gen. Im­mer er­scheint er in ihr von Freun­den und Ge­fähr­ten um­ge­ben, im­mer freund­lich, furcht­los, über­le­gen, groß­mü­tig, aber auch zu­wei­len streng und ver­nich­tend. Not­ker der Stamm­ler, der nach Karls Tode aus münd­li­cher Über­lie­fe­rung von ihm er­zählt, nennt ihn nicht nur den wei­sen, den mil­den, den sieg­rei­chen, son­dern auch den schreck­li­chen, den furcht­ba­ren Karl, aber das eine eben­so be­wun­dernd wie das an­de­re. Nicht ohne Strö­me von Blut zu ver­gie­ßen hat er sein Reich ge­grün­det. Die Sach­sen aber, die am meis­ten durch ihn ge­lit­ten hat­ten, tru­gen es ihm nicht nach; auch für sie war er der Ur­quell al­les Gu­ten und Gro­ßen im Reich, das Ur­bild ei­nes ger­ma­ni­schen Hel­den­kai­sers.

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