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Frauen

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Die Lei­den und Ent­beh­run­gen, zu de­nen die Frau durch die Na­tur be­stimmt ist, wird kei­ne mensch­li­che Ein­rich­tung je ganz auf­he­ben kön­nen; denn wer be­frei­te sie von der Lie­be zu den Kin­dern, die von die­sen nie im sel­ben Gra­de er­wi­dert wird, von ih­rer An­häng­lich­keit an den Mann, der im Wech­sel glück­lich ist, von ih­rem Schwel­gen in Un­ter­ord­nung, das ihre Be­herr­scher erst recht zu Ty­ran­nen macht, von ih­rem Pf­licht­ge­fühl, das sie an Haus und Fa­mi­lie bin­det, von der Zart­heit ih­res Ge­wis­sens, das ihr man­ches ver­bie­tet, was der Mann sich er­laubt, und ihr man­ches auf­er­legt, was der Mann ver­nach­läs­sigt. Sieht man ab von den Be­schrän­kun­gen, mit de­nen die Na­tur die Frau ein­ge­engt hat, so fin­det man, dass so­wohl die ger­ma­ni­sche Auf­fas­sung wie die der Kir­che der Frau güns­tig war. Das Wort Frau heißt Her­rin, und Her­rin­nen wa­ren die ad­li­gen und frei­en nor­di­schen Frau­en, von de­nen Ge­schich­te und Sage mel­den. Durch das Ge­setz al­ler­dings war die Frau vom Man­ne ab­hän­gig und von der Be­tä­ti­gung im staat­li­chen Le­ben ganz aus­ge­schlos­sen, wenn sie auch im Volks­recht ei­ni­ger Stäm­me dop­pel­tes Wer­geld ge­noss und auch sonst ge­wis­se Züge auf eine zart­füh­len­de Berück­sich­ti­gung der kör­per­lich schwä­che­ren und geis­tig so wirk­sa­men, der op­fer­be­rei­ten, mit so schwe­rer Verant­wor­tung be­la­de­nen Ge­fähr­tin deu­ten. Al­lein man kann auf die Gel­tung, die eine Klas­se von Men­schen hat, nicht nur aus dem Ge­setz schlie­ßen. Die enge Be­zie­hung zwi­schen Mut­ter und Sohn, Va­ter und Toch­ter, Bru­der und Schwes­ter, Mann und Frau schuf im täg­li­chen Le­ben Ge­wohn­hei­ten, die der Frau mehr zu­wen­de­ten, als das plum­pe Ge­setz ihr nahm. So­weit die Per­sön­lich­keit wir­ken konn­te, hat­te die Frau viel Ein­fluss. Lässt er sich sel­ten aus­drück­lich be­rech­nen, so spie­gelt er sich dar­in, dass die Über­lie­fe­rung oft, wenn ein Mann et­was im Gu­ten oder Bö­sen Auf­fal­len­des, et­was Sieg­haf­tes oder Un­heil­vol­les tat, die Mut­ter oder Frau da­für ver­ant­wort­lich mach­te.

Un­bän­di­ger Stolz be­seel­te die deut­sche und na­ment­lich die nor­di­sche Frau, eben­so wie die nord­ger­ma­ni­schen Män­ner. Sie zür­nen dem Va­ter, wenn er sie, ohne sie um ihre Ein­wil­li­gung zu fra­gen, ver­mählt, zür­nen ihm dop­pelt, wenn er sie ei­nem Une­ben­bür­ti­gen gibt. Es kommt vor, dass der Mann die Frau im Zor­ne schlägt, aber eben­so­oft, dass sie den Schlag mit sei­nem Tode rächt. Als der nor­we­gi­sche Kö­nig Olaf Trygg­va­sohn um die schwe­di­sche Kö­ni­gin Si­grid warb und ver­lang­te, dass sie Chris­tin wür­de und sie das nicht woll­te, schlug er ihr den Hand­schuh ins Ge­sicht. »Das soll dir noch ein­mal den Tod brin­gen«, sag­te sie und hielt Wort. Sie hei­ra­te­te den Dä­nen­kö­nig Sven Ga­bel­bart und be­wog ihn, Olaf zu be­krie­gen, bis er als Un­ter­lie­gen­der sich selbst den Tod gab. Es scheint, dass die Män­ner die Frau­en umso mehr lieb­ten, je stol­zer, küh­ner und selbst­stän­di­ger sie wa­ren. Sie be­wun­der­ten ihre Klug­heit, hör­ten auf ih­ren Rat, ord­ne­ten sich ih­nen un­ter, hat­ten be­son­ders eine aber­gläu­bi­sche Ehr­furcht vor ih­nen, wenn sie ihre Se­her­ga­be, Zau­ber­kunst und Heil­kunst aus­üb­ten. Zur­zeit, als die Sit­ten schon be­deu­tend ge­mil­dert wa­ren, er­schei­nen in der Dich­tung Kriem­hild und Gu­drun in ei­ner Pracht der Per­sön­lich­keit, wie sie nur bei un­ge­kränk­tem Selbst­ge­fühl sich ent­fal­ten kann. Gu­druns ent­rüs­te­te Ab­leh­nung ei­nes Ge­mahls, der Va­sall ist, ver­an­lasst ver­hee­ren­den Krieg, und wil­den Stolz ver­leug­net das Kö­nigs­kind nie, nicht in To­des­ge­fahr, nicht un­ter Qua­len und De­mü­ti­gun­gen, nicht ge­gen­über der Schmei­che­lei. Als Bräu­ti­gam und Bru­der sie wie­der­ge­fun­den ha­ben und Be­frei­ung in Aus­sicht steht, ist ihr ers­tes Tun, dass sie mit ju­beln­dem Hohn die Wä­sche, die sie wa­schen muss­te, ins Meer wirft. In kö­nig­li­cher Groß­mut sucht sie die Fein­din, als sich der Sieg den Ihren zu­ge­wen­det hat, zu schüt­zen, fin­det es aber doch rich­tig, dass die Frau, die sie, die Hoch­ge­bo­re­ne, ge­zwun­gen hat, Magd­diens­te zu tun, mit dem Tode bü­ßen muss. Nicht sel­ten er­scheint der Ver­schwen­dung, den hoch­mü­ti­gen An­sprü­chen der Frau ge­gen­über der Mann als der Be­schei­de­nere, Maß­vol­le­re.

Wie viel An­teil die Frau­en an den Staats­ge­schäf­ten nah­men, zeigt die Ge­schich­te. Ber­tra­da, die Mut­ter Karls des Gro­ßen, ver­an­lass­te sei­ne Hei­rat mit ei­ner lan­go­bar­di­schen Prin­zes­sin; ob­wohl an­de­re Wege ein­ge­schla­gen wur­den, blieb sie bis zu ih­rem Tode hoch­ge­ehrt von ih­rem Sohn und ih­rer gan­zen Fa­mi­lie. Eine ähn­li­che Stel­lung hat­te in Sach­sen die frän­ki­sche Oda, die Frau Lu­dolfs und Mut­ter der Her­zö­ge Brun und Otto, und ganz be­son­ders die Kö­ni­gin Mat­hil­de. Sie wur­de ei­ner Hei­li­gen gleich ge­ach­tet, ihr Name erb­te sich in der Fa­mi­lie fort, so­lan­ge sie be­stand. Nicht nur ihre ei­ge­nen er­wach­se­nen Söh­ne be­trach­te­ten sie als Ober­haupt, son­dern auch Ot­tos na­tür­li­cher Sohn Wil­helm, der Erz­bi­schof von Mainz. Nach dem Tode ih­res Man­nes be­schäf­tig­te sie sich mit der Sor­ge für Arme, Kran­ke und Pil­ger, was als vor­nehms­te Auf­ga­be der Frau an­ge­se­hen wur­de, aber auch mit Hand­ar­beit und Wis­sen­schaft; ihr Bio­graf be­tont, dass sie bei al­ler De­mut im­mer die kö­nig­li­che Wür­de be­haup­te­te. Sei­ner Schwes­ter Mat­hil­de, der Äb­tis­sin von Qued­lin­burg, ver­trau­te Otto der Gro­ße wäh­rend sei­ner Ab­we­sen­heit das Reich an; sei­ne Toch­ter Mat­hil­de, eben­falls Äb­tis­sin von Qued­lin­burg, hat­te großen Ein­fluss wäh­rend der Kind­heit Ot­tos III. Ot­tos Bru­der Hein­rich hat­te zwei ener­gi­sche und klu­ge Töch­ter, Ger­ber­ga, die Äb­tis­sin von Gan­ders­heim wur­de, und Ju­dith, die Gat­tin des viel äl­te­ren Her­zogs Burk­hard von Schwa­ben, wel­che letz­te­re ganz be­son­ders so­wohl des Va­ters Schön­heit so­wie sei­ne Herrsch­sucht und sein hef­ti­ges Tem­pe­ra­ment ge­erbt zu ha­ben scheint. Ihr Freund Ek­ke­hard II., den sie zu sich auf den Ho­hent­wiel be­fahl, um mit ihr den Vir­gil zu le­sen, und den sie mit Gna­den und Ge­schen­ken über­häuf­te, ge­noss die Gunst der her­ben Dame halb wi­der­wil­lig; so we­nigs­tens wird be­rich­tet. Un­ter der Füh­rung der Äb­tis­sin Ger­ber­ga und der Leh­re­rin Richar­dis bil­de­te sich im Klos­ter Gan­ders­heim, am Ran­de des Har­zes, die Dich­te­rin Hro­swi­tha, de­ren Werk, wenn es auch, wie der Kör­per von ei­ner Kut­te, durch die frem­de Spra­che ver­mummt ist, Ver­stand und Ge­schmack und eine fes­te Li­ni­en­füh­rung of­fen­bart. Dass Non­nen La­tein lern­ten, war nicht sel­ten. Nicht nur die Mäd­chen, son­dern auch die Kna­ben er­hiel­ten ih­ren ers­ten Un­ter­richt in den Frau­en­k­lös­tern. Un­ter den Frau­en der Sa­lier ragt Gi­se­la, die Wit­we des Her­zogs von Schwa­ben und Mut­ter des un­glück­li­chen Ernst, als be­deu­ten­de Per­sön­lich­keit her­vor. Sehr großen Ein­fluss scheint die Braun­sen­wei­ge­rin Ri­chen­za auf ih­ren Mann, den Kö­nig Lo­thar, ge­habt zu ha­ben, so­dass, wer et­was bei ihm er­rei­chen woll­te, zu­erst sie zu ge­win­nen such­te. Als sie mit Lo­thar in Ita­li­en war, be­such­te sie nicht nur die hei­li­gen Stät­ten, um zu be­ten, wie das üb­lich war, son­dern auch die durch Ge­schich­te und Kunst denk­wür­di­gen Orte. Nach dem Tode ih­res Man­nes war sie noch jah­re­lang die Füh­re­rin der Wel­fen im Kamp­fe ge­gen die Stau­fer; als sie starb, er­lahm­te die Be­we­gung. Auch die Frau Bar­ba­ros­sas, die Kai­se­rin Bea­trix, be­glei­te­te ih­ren Mann auf al­len sei­nen Feld­zü­gen; sie galt als klug und ge­bil­det, und man wuss­te, dass der Kai­ser sehr ab­hän­gig von ih­rem Ur­teil war. Moch­ten Geist­li­che ge­le­gent­lich die Schwach­heit der Frau im Mun­de füh­ren, so dach­te man doch nicht dar­an, der Frau ihr Ge­schlecht als Min­der­wer­tig­keit an­zu­rech­nen oder sie auf ein en­ges Feld der Be­tä­ti­gung ein­zu­schrän­ken, wenn die krie­ge­ri­sche auch für sie na­tür­lich nicht in Fra­ge kam. Wir hö­ren, dass im 9. Jahr­hun­dert Bi­schof Ans­gar zu­wei­len zu ei­ner säch­si­schen Ad­li­gen na­mens Li­ut­birg pil­ger­te, die im Bo­de­tal ein Ere­mi­ten­da­sein führ­te; sie un­ter­rich­te­te Mäd­chen im Be­ten, Sin­gen und Hand­ar­bei­ten. Dazu kam spä­ter wohl noch die Kennt­nis von Spra­chen und das Spie­len ver­schie­de­ner Mu­sik­in­stru­men­te. Je­den­falls wa­ren die Frau­en eher ge­bil­de­ter als die rit­ter­li­chen Män­ner; noch Ende des 15. Jahr­hun­derts konn­ten ein Burg­graf von Nürn­berg und ein Graf von Sayn nicht schrei­ben, viel­leicht konn­te es auch Ru­dolf von Habs­burg nicht: es ist an­zu­neh­men, dass die Frau­en, die sich so warm für Dich­ter und Dicht­kunst in­ter­es­sier­ten, das Le­sen ver­stan­den. Dass Non­nen oft schrift- und spra­chen­kun­dig wa­ren, ist selbst­ver­ständ­lich. Den Bür­ger­frau­en stand in Be­zug auf Ar­beits­be­tä­ti­gung ihr Ge­schlecht nur in­so­fern im Wege, als ih­nen zu man­chen Be­ru­fen die kör­per­li­che Kraft fehl­te. Der Ein­tritt in eine Zunft war ih­nen nicht ver­wehrt, ab­ge­se­hen da­von, dass oft Wit­wen das Ge­schäft des Man­nes fort­setz­ten. Be­son­ders ge­hör­ten ih­nen ge­wis­se Be­ru­fe, die eine zar­te, bieg­sa­me Hand er­for­der­ten, wie der der Schlei­er­wä­scher oder Gold­spin­ner oder Sti­cker, aber auch an­de­re, in de­nen sie seit der Zeit ge­schickt sein moch­ten, als der häus­li­che Haus­halt für die ei­ge­nen Be­dürf­nis­se auf­kam. Wie in der Früh­zeit üb­ten sie auch spä­ter die ärzt­li­che Kunst aus; es gab hier und da Stad­t­ärz­tin­nen.

Dem Va­ter stand es zu, Söh­ne und Töch­ter ins Klos­ter zu schi­cken oder zu ver­hei­ra­ten; aus vie­len Bei­spie­len geht her­vor, dass er da­bei in der Re­gel die Wün­sche der Mut­ter be­rück­sich­tig­te. In vie­len ad­li­gen Fa­mi­li­en war es Sit­te, nur je ei­nes der Kin­der zu ver­hei­ra­ten, die üb­ri­gen geist­lich wer­den zu las­sen. Bei der Hei­rat wur­de haupt­säch­lich der Vor­teil in Be­tracht ge­zo­gen; aber es wird lie­be­vol­le El­tern ge­ge­ben ha­ben, die be­stimm­te Nei­gung oder Ab­nei­gung der Kin­der nicht un­be­ach­tet lie­ßen. Von der ei­gen­wil­li­gen Ju­dith er­zähl­te man, sie habe, weil sie kei­ne Lust hat­te, den ihr be­stimm­ten grie­chi­schen Prin­zen zu hei­ra­ten, dem grie­chi­schen Ma­ler ge­gen­über, der sie por­trä­tie­ren soll­te, ihr schö­nes Ge­sicht zur Gri­mas­se ver­zo­gen, um den Frei­er ab­zu­schre­cken, was ihr auch ge­lun­gen sei. Den Auf­ent­halt im Klos­ter zo­gen ge­wiss vie­le Mäd­chen der Ehe vor; sie ge­nos­sen dort Be­quem­lich­keit, Si­cher­heit und Ehre, und auch eine weit­ge­hen­de Frei­heit nah­men die ad­li­gen Frau­en als selbst­ver­ständ­lich für sich in An­spruch. Fan­den die Frau­en kein Glück in der Ehe, so wuss­ten sie sich zu ent­schä­di­gen, we­nigs­tens möch­te man das aus den häu­fi­gen Ver­däch­ti­gun­gen hoch­ge­stell­ter Frau­en schlie­ßen, wenn sie auch nicht im­mer be­grün­det wa­ren. Ot­tos des Gro­ßen Toch­ter Li­ut­gard wur­de des Ehe­bru­ches be­schul­digt, die spä­ter hei­lig­ge­spro­che­ne Ku­ni­gun­de, die Frau Hein­richs II., soll sich durch das Got­tes­ge­richt von der An­kla­ge ge­rei­nigt ha­ben, in­dem sie mit blo­ßen Fü­ßen über ein glü­hen­des Ei­sen schritt. Man dach­te im All­ge­mei­nen nicht streng über lei­den­schaft­li­che Be­zie­hun­gen zwi­schen Mann und Frau. Bi­schof Sa­lo­mon von Kon­stanz hat­te ein Lie­bes­ver­hält­nis mit der Äb­tis­sin des Klos­ters Frau­müns­ter von Zü­rich; in die schö­ne Toch­ter, die der Ver­bin­dung ent­sprang, ver­lieb­te sich der Kai­ser Ar­nulf. Es ist nicht zu ver­wun­dern, wenn Frau­en oft be­schul­digt wur­den, mit Geist­li­chen zärt­li­che Ver­bin­dun­gen zu un­ter­hal­ten, wenn sie gern mit Geist­li­chen ver­kehr­ten. Das In­ter­es­se für die glei­chen Ge­gen­stän­de, für Ar­men- und Kran­ken­pfle­ge, für Poe­sie und Kunst führ­te sie zu­sam­men, Frau­en und Geist­li­che wa­ren ge­bil­de­ter als die welt­li­chen Män­ner, sie be­trach­te­ten die Din­ge in ei­nem Lich­te, das sie in­ter­essan­ter, be­deu­ten­der, viel­ge­stal­ti­ger er­schei­nen ließ. Be­greif­lich ist es auch, dass die Müt­ter we­nigs­tens ei­ni­ge ih­rer Söh­ne der Kir­che zu über­ge­ben lieb­ten, wo sie ei­ni­ger­ma­ßen vor dem Tod im Krie­ge ge­si­chert wa­ren, wo ihre Be­ga­bung ge­pflegt wur­de und sich ent­fal­ten konn­te. So dach­te zum Bei­spiel die Grä­fin von Go­seck, eine ge­bo­re­ne Grä­fin von Wei­mar, von de­ren Söh­nen ei­ner, Adal­bert, der be­rühm­te Erz­bi­schof von Bre­men wur­de. Die rit­ter­li­che Er­zie­hung der Kna­ben war so hart, sie ver­lief zwi­schen Pfer­den und Waf­fen, im Stal­le, im Sat­tel, un­ter Knüf­fen und Püf­fen, dass es dem Her­zen man­cher Mut­ter weh­tun moch­te, be­son­ders wenn das Kind zart war und dar­un­ter litt.

Das Chris­ten­tum hat mit sei­ner An­prei­sung der De­mut wohl nicht nur im gu­ten, son­dern auch im üb­len Sin­ne zäh­mend ge­wirkt, in­dem es mit der Wild­heit der heid­nischen Frau ihre fri­sche Kraft dämpf­te; aber es setz­te ihre weib­li­che Wür­de nicht her­ab, ver­klär­te sie viel­mehr in ih­ren we­sent­li­chen Ei­gen­schaf­ten. Das über­ir­di­sche Ge­heim­nis der Emp­fäng­nis und Mut­ter­schaft hat­te sein Sym­bol in der jung­fräu­li­chen Mut­ter des Herrn, in der das Wort Got­tes Fleisch wur­de. In den klei­nen dunklen Kir­chen der ot­to­ni­schen Zeit sah man sie un­nah­bar groß, den wun­der­ba­ren Sohn auf dem Arme, eine Göt­tin mit un­er­gründ­li­chem Lei­dens­blick, man sah sie un­schul­dig ernst, halb ab­ge­wen­det der Bot­schaft des En­gels lau­schen, der die Fül­le himm­li­scher Herr­lich­keit vor sie hin­stürzt, man sah sie, das Herz von Schwer­tern durch­bohrt, sah die Über­win­de­rin auf­wärts schwe­ben, das ver­jüng­te Haupt mit der Kro­ne des Le­bens ge­krönt. Sie, die Got­tes­ge­bä­re­rin, die Him­mels­kö­ni­gin, war in al­len ir­di­schen Lei­den ge­prüft. Und er­leb­te nicht jede Frau das Wun­der, dass ih­rem Scho­ße ein Kind ent­sprang, dem Gott die See­le ein­hauch­te? Das un­lös­ba­re Ge­heim­nis der Ge­burt band die Frau an den Gott, des­sen Atem dem Ge­schöpf die letz­te Vollen­dung zur Men­schen­wür­de gibt; ihm brach­te man es dar nicht erst bei der Tau­fe; schon vor­her, als es noch un­ge­stal­tet in ih­rem Scho­ße lag, muss­te es durch sie von sei­nem Wort be­seelt wer­den. Im Mär­chen wird die Frau, die be­schul­digt wur­de, an­statt ei­nes mensch­li­chen Kin­des einen Hund oder einen Wolf zur Welt ge­bracht zu ha­ben, zum Feu­er­to­de ver­ur­teilt; wie eine Ket­ze­rin oder Zau­be­rin, eine Gott­lo­se, er­scheint die, de­ren Kind kein Men­schen­ant­litz trägt, also kein Got­tes­kind ist.

Ne­ben der Ma­ria ste­hen vie­le große Hei­li­ge: Mar­ga­re­te, die Drachen­tö­te­rin, Ag­nes, die im Hau­se der Un­zucht ihre Rein­heit be­wahrt, Ka­tha­ri­na, Do­ro­thea und vie­le an­de­re, die von dem to­d­über­win­den­den Hel­den­mut der Frau und ih­rer Über­zeu­gungs­treue zeu­gen. In der Hoch­schät­zung der Jung­fräu­lich­keit traf die christ­li­che Auf­fas­sung mit der ger­ma­ni­schen zu­sam­men. Die Wal­kü­ren ver­lo­ren ihre Kraft mit der Jung­fräu­lich­keit, das Blut oder der Kuss ei­ner rei­nen Jung­frau hat im Mär­chen er­lö­sen­de Kraft. Da­rin wird nicht nur die Tat­sa­che ge­wür­digt, dass die Frau durch die sinn­li­che Lie­be oft bis zur Be­täu­bung des Ge­wis­sens und zum Ver­lust der ei­ge­nen Per­sön­lich­keit vom Man­ne ab­hän­gig wird, son­dern wohl auch die an­de­re, dass die zu­rück­ge­dräng­te Kraft ge­schlecht­li­cher Lie­be sich in schöp­fe­ri­sche Geis­tes­kraft um­set­zen kann. Die Hei­li­ge trat für den Ger­ma­nen an die Stel­le der we­gen ih­res pro­phe­ti­schen Geis­tes oder we­gen ih­rer Zau­ber­kunst ver­ehr­ten Frau­en. Sieht man, mit was für ge­dul­di­ger Auf­merk­sam­keit ein so im­pe­ra­to­ri­scher Kö­nig wie Fried­rich I. Bar­ba­ros­sa die Straf­pre­dig­ten der Hil­de­gard von Bin­gen auf­nahm, kommt es ei­nem vor, als habe die Ehr­furcht in ihm nach­ge­wirkt, die sei­nen heid­nischen Vor­fah­ren die Se­he­rin als die von den Göt­tern Er­wähl­te ein­flö­ßte.

Dass die Frau die fro­he Bot­schaft ver­ständ­nis­voll auf­nahm, hat die ra­sche Ver­brei­tung des Chris­ten­tums er­leich­tert, wenn nicht er­mög­licht. In vie­len Fäl­len wur­den die Kö­ni­ge und Volks­häup­ter, die das Bei­spiel ga­ben, durch die Frau be­kehrt. Es ist im­mer die Frau, die den Sinn für das Über­sinn­li­che hat, und Frau­en wa­ren es, die das ei­gent­li­che We­sen des Chris­ten­tums er­kann­ten oder er­fühl­ten. Ih­nen emp­fahl sich der Chris­ten­gott nicht, weil er der mäch­tigs­te, son­dern weil er der lie­ben­de war, der ge­rech­te und gnä­di­ge, der der Sün­de wehrt und dem reui­gen Sün­der ver­zeiht. Die Frau als die kör­per­lich Schwä­che­re, als Mut­ter zu Schmerz und Op­fer und zur Hü­te­rin von Haus und Fa­mi­lie be­stimmt, ver­stand die Re­li­gi­on, wel­che die Ge­walt durch die Kraft des lie­be­vol­len Geis­tes und durch den Glau­ben an den Sieg des Gu­ten über­win­det. Die Hei­li­gung der Ehe durch die Kir­che ent­sprach dem In­ter­es­se der Frau, die den Kin­dern den Va­ter er­hal­ten will, die aus Lie­be zu den Kin­dern auf den Wech­sel ver­zich­tet, und der, da ihre zar­te Kör­per­lich­keit den Reiz früh ein­büßt, der den Mann an­zieht, die Ver­klä­rung des ehe­li­chen Ver­hält­nis­ses durch das Sa­kra­ment will­kom­men sein muss­te. Von der un­ge­re­gel­ten Lei­den­schaft der nor­di­schen Hei­den hat­ten wohl Frau­en Ge­nuss und Vor­teil; aber über­wie­gend lit­ten doch Frau­en dar­un­ter. Denn es ist un­um­gäng­lich, dass der na­tür­li­che Mann sich sei­ner über­le­ge­nen Kraft be­dient, um die Frau zu be­herr­schen und um sich ih­rer zu ent­le­di­gen, wenn sie ihm im Wege ist, nicht sel­ten mit der­sel­ben Lei­den­schaft, die er ein­setz­te, um sie zu ge­win­nen, so­lan­ge er sie be­gehr­te. Drück­ten nun auch Päps­te und Bi­schö­fe zu­wei­len ein Auge zu, wenn es sich um mäch­ti­ge Her­ren han­del­te, so ha­ben sie doch im All­ge­mei­nen auch sol­chen ge­gen­über die ge­kränk­te Frau be­schützt. Die Fa­mi­lie konn­te zu ei­nem be­frie­de­ten Be­zirk wer­den, in­ner­halb des­sen, wenn rings­um un­ge­zähm­te Lei­den­schaft, Hab­sucht und Macht­gier der Gro­ßen sich aus­tob­ten, vor­züg­lich un­ter der müt­ter­lich re­gie­ren­den Hand der Frau sich die­je­ni­gen Tu­gen­den er­hiel­ten, die der Ge­sund­heit und dem Glücke des Vol­kes zu­grun­de lie­gen.

Dass die Re­ge­lung des Ver­hält­nis­ses zwi­schen Mann und Frau durch die Kir­che nichts mit Zim­per­lich­keit und Sin­nen­feind­lich­keit zu tun hat­te, be­weist die Un­be­fan­gen­heit, mit der die Dir­nen in den öf­fent­li­chen Frau­en­häu­sern be­trach­tet und be­han­delt wur­den. Sie er­schie­nen bei fest­li­chen An­läs­sen als eine stän­di­sche Grup­pe ne­ben an­de­ren, oft mit Blu­men ge­schmückt, und wenn an der Rück­sicht, die man auf sie nahm, auch der fi­nan­zi­el­le Ge­winn einen An­teil hat­te, den Stadt­rä­te oder Fürs­ten aus ih­nen zo­gen, so zeig­te sich doch auch die Nei­gung des gan­zen Vol­kes dar­in, die­se Mit­bür­ge­rin­nen sich eher mit Wohl­wol­len ein­zu­glie­dern, als sie zu ver­ach­ten oder sich an ih­nen zu är­gern. Auch in die­ser Be­zie­hung brach­te das Chris­ten­tum wohl Ve­red­lung, aber nicht Ver­ge­wal­ti­gung der Na­tur; die »Toch­ter Got­tes« soll­te nicht nur für ihre schö­nen Trie­be, son­dern auch für Aus­ge­las­sen­heit und Un­art Spiel­raum ha­ben.

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