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Das Kloster

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Wa­ren auch vie­le Wäl­der ge­lich­tet und vie­le Moo­re ent­wäs­sert, noch im­mer gab es ta­ge­rei­sen­weit Wild­nis in deut­schen Lan­den. Ta­ge­lang ging der jun­ge Bayer Sturm, als er einen Platz für das Klos­ter such­te, das Bo­ni­fa­ti­us grün­den woll­te, durch Wäl­der und flocht bei Nacht einen Zaun um sei­nen Esel, um ihn not­dürf­tig vor wil­den Tie­ren zu schüt­zen, und wenn es in den Zwei­gen ra­schel­te und knack­te, horch­te er ge­spannt, ob ein Mensch oder ein Wolf oder Luchs sich her­an­sch­li­che. An den Mün­dun­gen des Rheins, der We­ser und Elbe über­schwemm­te das Ge­wäs­ser oft weit­hin das Land, Sturm­flu­ten bran­de­ten über die noch nicht ein­ge­deich­ten An­sie­de­lun­gen und ris­sen sie in die Tie­fe. Im Herbst, im Win­ter und im Früh­ling, wenn die Wol­ken tief her­ab­hin­gen, der kal­te Wind heul­te und Schnee und Re­gen die Wege zu Mo­rast auf­weich­ten, moch­te dem Wan­de­rer, der zu Fuß oder zu Pfer­de ein ent­fern­tes Ziel zu er­rei­chen such­te, oft die Hand er­star­ren und das Herz er­be­ben. Nicht nur wil­de Tie­re, auch die wil­den Men­schen muss­te er fürch­ten, We­ge­la­ge­rer, Krie­ger, die zum Kamp­fe aus­zo­gen oder vom Kamp­fe zu­rück­kehr­ten und ih­ren Über­mut an je­dem Be­lie­bi­gen aus­tob­ten, Fein­de viel­leicht, die die Ge­le­gen­heit wahr­nah­men, einen al­ten Span aus­zu­tra­gen. Weit und breit kein Haus; die Dör­fer, durch die man etwa kam, be­stan­den aus dürf­ti­gen, stroh­ge­deck­ten Hüt­ten aus Lehm und Holz. Zu­wei­len kam man wohl an fes­ten, brei­ten Häu­sern frei­er Bau­ern oder an Guts­hö­fen vor­über, die Eschen und Ei­chen be­schirm­ten, an de­nen ein Quell vor­über­rie­sel­te, und die wohl­be­stell­te Äcker um­ga­ben. Städ­te gab es noch we­ni­ge au­ßer den al­ten Rö­mer­städ­ten am Rhein, Straß­burg, Ba­sel, Mainz, Köln, au­ßer Augs­burg am Lech und Re­gens­burg an der Do­nau, und auch dort öff­ne­ten sich dem Wan­de­rer zu Schutz und Her­ber­ge nur die Klös­ter, die es dort etwa gab.

In­mit­ten des wol­ken­ver­han­ge­nen, wäl­der­rau­schen­den, waf­fenk­lir­ren­den Lan­des gab es Be­zir­ke, die der Frie­de Got­tes er­füll­te. Moch­te drau­ßen Krieg ra­sen, un­ter der täg­li­chen Fron der Land­ar­bei­ter seuf­zen, Ge­walt und Un­recht tri­um­phie­ren, im Klos­ter glüh­te die Flam­me ewi­ger An­be­tung, beug­ten sich im­mer Knie vor dem Herrn, rie­fen im­mer in­brüns­ti­ge Lip­pen den höchs­ten Na­men an, leg­ten Gott­ge­weih­te das Ge­schick ih­rer welt­li­chen Brü­der an das Va­ter­herz im Ge­bet. Nach sie­ben­stün­di­gem Schlaf, eh noch der Tag zu däm­mern be­gann, er­ho­ben sich die Mön­che vom La­ger und be­tra­ten die Kir­che, um das Lob des All­mäch­ti­gen zu be­gin­nen. In fes­ten Rhyth­men be­glei­te­te die Mu­sik den Psalm der Stun­de des Ta­ges, alle Ge­füh­le des Her­zens er­gie­ßend: die Kla­ge über das Ver­geb­li­che der Lust der Welt, den düs­te­ren Schmerz der Un­zu­läng­lich­keit und Schuld, das Rüh­men und Dan­ken, den Ju­bel des Glau­bens, die Angst des Zwei­fels, das un­still­ba­re Heim­weh. Über die Wän­de der Kir­che brei­te­te sich in fei­er­li­chen Bil­dern die Ge­schich­te vom Bun­de Got­tes mit der Mensch­heit aus. Man sah lieb­lich und herr­lich zu­gleich die jung­fräu­li­che Mut­ter mit dem Kin­de, das, so klein es war, doch das Gött­li­che in sich fass­te, man sah den Herrn am Kreu­ze und sah ihn in sei­ner Ma­je­stät un­er­bitt­lich am Jüngs­ten Tage die Bö­sen von den Gu­ten son­dern. Wer den ge­weih­ten Raum be­trat, spür­te die Ge­gen­wart über­ir­di­scher Mäch­te. Die Kna­ben vor­neh­mer Ab­kunft, die hier von den El­tern Gott dar­ge­bracht wur­den, wuss­ten, dass sie be­stimmt wa­ren, Krie­ger des höchs­ten Kriegs­herrn zu wer­den, wenn sie auch kei­ne Rüs­tung tru­gen. Stolz, sprö­de, keck beug­ten sie sich doch der Zucht ih­rer Leh­rer und des Ab­tes, die nach der Re­gel streng und mil­de, brü­der­lich und kö­nig­lich sie re­gier­ten. Der Sehn­sucht des ger­ma­ni­schen Jüng­lings, ei­nem Füh­rer Ge­folg­schaft zu leis­ten, der im Kamp­fe vor­an­ging, konn­ten sie auch im Klos­ter Ge­nü­ge tun. Je nach ih­rer Be­ga­bung war ih­nen das Klos­ter Uni­ver­si­tät, Kunst­schu­le, Hand­wer­ker­schu­le, land­wirt­schaft­li­che Schu­le. Denn es war eine Welt im klei­nen, al­les, was ge­braucht wur­de, wur­de im Klos­ter an­ge­fer­tigt, das über den Ge­brauch hin­aus Er­zeug­te ging zum Ver­kauf hin­aus.

Im Klos­ter­gar­ten wur­den Ro­sen, Ver­be­nen, Nel­ken und an­de­re Blu­men des schö­nen An­blicks und des Duf­tes we­gen ge­zo­gen, da­ne­ben Ge­mü­se, Kü­chen­kräu­ter und Pflan­zen, de­nen Heil­kraft zu­ge­schrie­ben wur­de: Lat­tich, Lauch, Erb­sen, Pe­ter­si­lie, Min­ze, La­ven­del und Thy­mi­an. Die rei­chen Klös­ter hat­ten aus­wär­ti­ge Be­sit­zun­gen, oft von weit­her wur­den dem Mut­ter­klos­ter Er­trä­ge zu­ge­führt. Das Klos­ter Rei­chenau be­zog aus ei­ge­nen Gü­tern in Ita­li­en Wein und Öl. Hohe Gäs­te pfleg­ten Schen­kun­gen an Wild oder Fisch oder Wein zu ma­chen, und der für die Gabe fest­ge­setz­te Tag wur­de zum Fest­tag. Ek­ke­hard IV. hat den Be­such ge­schil­dert, den der lie­bens­wür­di­ge Kö­nig Kon­rad I. im Jah­re 911 in Sankt Gal­len mach­te. Wäh­rend er in Kon­stanz die Weih­nacht fei­er­te, er­zähl­te ihm der Bi­schof Sa­lo­mon, der in Sankt Gal­len er­zo­gen war, von der Pro­zes­si­on, die an ei­nem der fol­gen­den Tage dort statt­fin­de, wor­auf der Kö­nig aus­rief: »Wä­ren wir dort! Und warum, mein Herz, ge­hen wir nicht mor­gen früh hin?« Fröh­lich fuh­ren sie zu Schiff den Rhein hin­auf und wur­den in Sankt Gal­len mit Hym­nen emp­fan­gen. Von den drei Freu­den­ta­gen, die der Kö­nig dort zu­brach­te, blieb der Tag der Un­schul­di­gen Kind­lein, der ein Tag be­son­de­rer Frei­heit für die Klos­ter­schü­ler war, al­len die liebs­te Erin­ne­rung. Der Kö­nig, of­fen­bar ein Kin­der­freund, ließ den klei­nen Bur­schen Obst hin­schüt­ten und staun­te, als nicht ei­ner sich rühr­te, um da­nach zu grei­fen, dann wie­der nahm er sie auf den Schoß und leg­te ih­nen Gold­mün­zen in den Mund und lob­te la­chend den einen, der das Gold voll Ab­scheu aus­spie. Er speis­te mit den Mön­chen, be­rei­cher­te das be­schei­de­ne Mahl durch au­ßer­ge­wöhn­li­che Zuta­ten, ver­brei­te­te fröh­lich plau­dernd ge­müt­li­che Stim­mung und sag­te spä­ter zum Bi­schof von Kon­stanz, das we­nigs­tens war die Über­lie­fe­rung des Klos­ters, er sei noch nie bei ei­nem Gast­mahl so hei­ter ge­we­sen. Auch in die Ge­bets­ver­brü­de­rung ließ er sich auf­neh­men, eine Ein­rich­tung, zu­fol­ge wel­cher Lai­en nach er­folg­ter Zu­stim­mung der Mön­che eine ge­wis­se Zu­ge­hö­rig­keit zum Klos­ter sich er­wer­ben konn­ten, so­dass die Mön­che sie in ihr Ge­bet ein­schlos­sen, und sie das recht hat­ten, vor­über­ge­hend im Klos­ter zu ver­wei­len, wo­von Fürs­ten und Ad­li­ge wohl am Ende ih­res Le­bens Ge­brauch mach­ten, um in ge­hei­lig­ten Räu­men zu ster­ben.

In­des­sen, nicht da­durch al­lein soll­te das Klos­ter einen Ge­gen­satz zur Welt bil­den, dass es eine Stät­te des Frie­dens sei, wäh­rend drau­ßen Blut und Trä­nen ver­gos­sen wur­den: Lei­den und Ent­beh­rung soll­te der Grund­ton des mön­chi­schen Le­bens sein. Es soll­te ein frei­wil­lig über­nom­me­nes Lei­den sein zum Zei­chen der Nach­fol­ge Chris­ti; mit dem drei­fa­chen Ge­lüb­de der Ar­mut, der Keusch­heit und des Ge­hor­sams ver­zich­te­te des­halb der Mönch auf al­les, wor­aus der Mensch die Genüs­se zu schöp­fen pflegt, auf Be­sitz, auf Lie­be und Fa­mi­lie, auf den ei­ge­nen Wil­len. Im Klos­ter soll­te ein Grund­ge­dan­ke des Chris­ten­tums ver­wirk­licht wer­den: die Aus­schal­tung des Pri­vatei­gen­tums. Auch nicht ein Buch, nicht einen Grif­fel soll­te der Mönch zu ei­gen be­sit­zen, al­len soll­te al­les ge­mein­sam sein. Die meis­ten Kir­chen­vä­ter stimm­ten dar­in über­ein, dass der Ge­mein­be­sitz gut, von der Na­tur und von Gott ge­wollt sei, dass die Hab­sucht der Men­schen das Son­de­rei­gen­tum ein­ge­führt habe. Da­mit hing das Ge­bot der Ehe­lo­sig­keit zu­sam­men, denn in der Fa­mi­lie bil­det sich die Nei­gung aus, Ver­mö­gen zu er­wer­ben und den Kin­dern zu ver­er­ben, wo­durch es der Ge­mein­de ent­zo­gen wird. Dem ger­ma­ni­schen Bau­er, be­son­ders dem säch­si­schen, der gern al­lein auf sei­nem Hof saß, war die kirch­li­che Leh­re von der Gü­ter­ge­mein­schaft durch­aus ent­ge­gen­ge­setzt. Auch wur­de das stren­ge Ge­bot im Klos­ter oft durch­bro­chen, da es im­mer sol­che gab, die et­was Ei­ge­nes zu ver­heim­li­chen wuss­ten, wor­über es dann zu häss­li­chen Zan­ke­rei­en kam. Al­lein wenn auch Heu­che­lei und Schwä­che das Vor­le­ben des christ­li­chen Ge­dan­kens trü­ben und die Un­mög­lich­keit, ihn rein zu ver­wirk­li­chen, be­wei­sen moch­ten, er leuch­te­te doch von die­ser Stät­te in die von Hab­gier zer­ris­se­ne Welt, einen Ha­fen al­len de­nen öff­nend, die ihm die­nen woll­ten. Hier in die­sem ge­hei­lig­ten Be­zirk soll­te das Gold nur dem Schmuck des Al­tars die­nen, die wei­ßen Hän­de des Mönchs soll­ten sich nie um eine er­raff­te Mün­ze schlie­ßen, nur sich öff­nen, um sie dem Be­dürf­ti­gen aus­zu­tei­len. Das zur Er­hal­tung des Le­bens Not­wen­di­ge war da, gab es et­was dar­über hin­aus, wur­de es mit Dank ge­nos­sen, aber im All­ge­mei­nen soll­te die Leh­re der Kir­chen­vä­ter gel­ten: wer et­was Über­flüs­si­ges hat, ent­zieht es dem Ar­men. Die Be­ga­bung soll­te in­ner­halb der Ge­mein­schaft zwar an­er­kannt und ge­pflegt wer­den und sich ent­fal­ten, aber kei­nen Vor­zug der Ehre oder der Ein­künf­te zur Fol­ge ha­ben. Alle stan­den un­ter glei­chem Ge­setz, wohn­ten gleich, nähr­ten und klei­de­ten sich gleich, ein­zig die Per­sön­lich­keit, de­ren Wur­zel sich mensch­li­chem Ein­griff ent­zieht, gött­li­che Prä­gung, die kein ir­di­scher De­spot ver­wi­schen kann, mach­te sich durch grö­ße­res Lie­ben und Ge­liebt­wer­den gel­tend, trotz al­ler Be­stim­mun­gen, die auch die Freun­des­lie­be ge­gen­über der Nächs­ten­lie­be be­schrän­ken soll­ten. So­weit es mensch­li­che Lei­den­schaft und mensch­li­che Schwä­che zu­las­sen, wur­de hier christ­li­che Brü­der­lich­keit ver­wirk­licht.

Nicht im­mer er­tru­gen die jun­gen Män­ner die Ver­ge­wal­ti­gung, die ih­rer Na­tur durch das Mönch­tum an­ge­tan wur­de, gut­wil­lig. Oft wa­ren es sol­che, die schon als Kin­der durch Kränk­lich­keit, Zart­heit, Nei­gung zum be­schau­li­chen Le­ben, geis­ti­ge Be­ga­bung für die klös­ter­li­che Lauf­bahn vor­be­stimmt schie­nen; war das nicht der Fall, so muss­ten die ad­li­gen Kna­ben, de­ren Vä­ter und Brü­der das Schwert führ­ten, sich im Krie­ge aus­zeich­ne­ten, Aben­teu­er er­leb­ten, hart mit sich rin­gen, bis sie in­ne­ren Frie­den fan­den oder we­nigs­tens sich zu fü­gen lern­ten. Zwi­schen den Klos­ter­mau­ern ver­sieg­te man­che Trä­ne des Zorns, ver­hall­te man­cher Fluch der Verzweif­lung. Nur zu­fäl­lig ist uns das Schick­sal des jun­gen Gra­fen­soh­nes Wolo über­lie­fert, der, um von fer­ne die blau­en Ber­ge zu se­hen, dem Ver­bo­te trot­zend einen Turm be­stieg, stürz­te und das Ge­nick brach, im Ster­ben wohl das Ge­schick seg­nend, das ihn be­frei­te. Un­se­li­ger en­de­te der säch­si­sche Gra­fen­sohn Gott­schalk, der auf ei­nem Kon­zil in Mainz Ent­las­sung aus dem Klos­ter ver­lang­te, weil er des mön­chi­schen Le­bens über­drüs­sig ge­wor­den war. Das Kon­zil, dem er selbst sei­ne Sa­che vor­trug, war weit­her­zig ge­nug, sei­nem Ge­such ent­spre­chen zu wol­len, nicht so der Abt des Klos­ters Ful­da, dem er an­ge­hör­te, Hra­ba­nus Mau­rus. Der Mann, den die Mit- und Nach­welt we­gen sei­ner Kennt­nis­se und sei­ner Fröm­mig­keit be­wun­der­te, zeig­te sich Gott­schalk ge­gen­über bis zur Grau­sam­keit starr. Er focht das Ur­teil des Kon­zils an, in­dem er sich dar­auf be­rief, dass die Ge­lüb­de der El­tern, die Kin­der dem Klos­ter dar­bräch­ten, nicht ge­löst wer­den könn­ten. Um Gott­schalks Kla­ge über Frei­heits­be­rau­bung zu­rück­zu­wei­sen, sag­te er, man ver­lie­re sei­ne Frei­heit nicht, wenn man sich dem Diens­te Chris­ti wei­he, was Gott­schalk doch gar nicht ge­tan hat­te. Lud­wig der From­me gab, wie zu er­war­ten war, dem Abte nach, doch wur­de Gott­schalk ge­stat­tet, in ein an­de­res Klos­ter zu ge­hen, und er wähl­te Or­bais in der Di­öze­se Sois­sons. Mit der Hef­tig­keit ei­nes auf­ge­stau­ten Ta­ten­dran­ges ver­tief­te er sich in die Schrif­ten des hei­li­gen Au­gus­ti­nus und ent­deck­te die Leh­re von der Gna­den­wahl, die er kampf­lus­tig und trot­zig zu ver­brei­ten such­te als eine Wahr­heit, die die Kir­che der Chris­ten­heit vor­ent­hal­ten habe. Er über­zeug­te man­che, ge­wann nam­haf­te An­hän­ger; aber da sich zwei mäch­ti­ge Fein­de ge­gen ihn ver­bün­de­ten, sein al­ter Geg­ner, Hra­ba­nus Mau­rus, der in­zwi­schen Erz­bi­schof von Mainz ge­wor­den war, und der ge­walt­tä­ti­ge Hink­mar, Erz­bi­schof von Reims, bei­de star­ke Per­sön­lich­kei­ten, ge­lehrt und herrsch­süch­tig, un­ter­lag er. Durch Gei­ßel­hie­be zum Schwei­gen ge­bracht, ver­fiel er schließ­lich in Wahn­sinn. Dass die Leh­re von der Gna­den­wahl als ket­ze­risch ver­ur­teilt wur­de, ent­sprach dem klu­gen und mil­den Geist der ka­tho­li­schen Dog­ma­tik, die den Lai­en vor dem Gift all­zu tief boh­ren­der Ge­dan­ken be­wah­ren woll­te; den per­sön­li­chen Hass, der sich in der Art, wie man ihn be­han­del­te, er­weist, mag zu ei­nem Teil das stol­ze und recht­ha­be­ri­sche We­sen des Un­glück­li­chen, der um sei­ne Leh­re als um sei­ne Ra­che kämpf­te, ver­schul­det ha­ben.

An­de­ren wur­de der Zwang zur Läu­te­rung, wie dem jun­gen Rhä­tier Vik­tor in Sankt Gal­len, der sehr ge­lehrt, aber auch an­ma­ßend und wi­der­spens­tig war, von sei­nen Fein­den ge­blen­det wur­de, dann als Leh­rer an die Schu­le des Bi­schofs von Straß­burg kam und im Rufe der Hei­lig­keit starb. Für die­je­ni­gen, die an­ge­bo­re­ne star­ke Kräf­te des Geis­tes und Ge­mü­tes nicht vom Ir­di­schen auf das Himm­li­sche über­tra­gen konn­ten, wur­de das Klos­ter zum Ge­fäng­nis; und als Ge­fäng­nis diente es auch ab­sicht­lich. Das war sei­ne düs­te­re, sei­ne un­heim­li­che Sei­te. Die Kö­ni­ge be­nutz­ten die Klös­ter, um ge­fähr­li­che Geg­ner, etwa An­füh­rer über­wun­de­ner Völ­ker oder Stäm­me oder Prä­ten­den­ten aus der ei­ge­nen Fa­mi­lie, Brü­der, na­tür­li­che Söh­ne, Nef­fen, ver­schwin­den zu­las­sen. So en­de­ten Thas­si­lo, der letz­te bay­ri­sche Her­zog aus der Dy­nas­tie der Agi­lol­fin­ger, im Klos­ter Lorsch, Kö­nig Lo­thar, der Sohn Lud­wigs des From­men, im Klos­ter Prüm in der Ei­fel.

Übte das Klos­ter auf die Wi­der­stre­ben­den Ker­ker­druck aus, so konn­te es de­nen, die sich ein­ord­ne­ten, zum Pa­ra­die­se wer­den. Die re­gel­mä­ßi­ge Ein­tei­lung des Ta­ges und der Nacht, der Wech­sel zwi­schen Tä­tig­keit, be­schau­li­cher Be­trach­tung und Ge­spräch wirk­ten be­ru­hi­gend. Vor al­len Din­gen mil­der­te das trös­ten­de Wort des Freun­des auch herbs­tes Lei­den. Gab es nei­di­sche, ge­häs­si­ge, bös­ar­ti­ge Mön­che, so wa­ren doch auch sol­che da, die durch Güte Frie­den und durch Be­ga­bung Glanz über ihre Um­ge­bung aus­gos­sen. Dem Um­stän­de, dass Schwa­ben von je­her Dich­ter er­zeug­te, ist es zu ver­dan­ken, dass uns Kun­de denk­wür­di­ger Per­sön­lich­kei­ten über­lie­fert ist, die die Zier­de schwä­bi­scher Klös­ter wa­ren. In Sankt Gal­len leb­te Not­ker, der trotz sei­nes Zun­gen­feh­lers ein ver­ehr­ter Leh­rer war, der stren­ge Zucht mit zärt­li­cher Für­sor­ge und Ver­ständ­nis für je­den ein­zel­nen zu ver­ei­nen wuss­te. Der zar­te, ma­ge­re Mann, dem doch die Kraft nicht fehl­te, den Teu­fel zu über­win­den, der ihm zu­wei­len nach­stell­te, lieb­te die jun­gen Wil­den und hat­te Nach­sicht für die Über­schäu­men­den; in sei­nen Ar­men, un­ter sei­nen gü­ti­gen Wor­ten starb der trot­zi­ge Wolo, der ihn eben noch be­lei­digt hat­te, und sein Lieb­ling war der mut­wil­li­ge Sa­lo­mon, der spä­ter als Bi­schof von Kon­stanz der Präch­ti­ge und Glück­li­che ge­nannt wur­de. An künst­le­ri­scher Be­ga­bung war al­len Tu­ti­lo über­le­gen. Er dich­te­te, mal­te, mo­del­lier­te und kom­po­nier­te, be­son­ders be­wun­der­te man sein Sai­ten­spiel. Eine El­fen­bein­schnit­ze­rei von sei­ner Hand, die noch vor­han­den ist, stellt den hei­li­gen Gal­lus dar, wie er den Bä­ren be­lohnt, der ihm Holz zu­trägt. Er lieb­te die Na­tur und das Wan­dern, und sei­ner Künst­ler­schaft ver­dank­te er, dass er oft an aus­wär­ti­ge Klös­ter be­ru­fen wur­de, um Auf­trä­ge aus­zu­füh­ren. Von den schwä­bi­schen Ek­ke­har­den wa­ren meh­re­re dich­te­risch be­gabt. Ek­ke­hard I. war der Dich­ter des Wal­tha­ri­lie­des, dem die la­tei­ni­sche Spra­che lei­der den Stem­pel des Aka­de­mi­schen auf­ge­drückt hat, des­sen Se­quen­zen und Hym­nen den Got­tes­dienst zu ver­schö­nen be­stimmt wa­ren. Die über­lie­fer­ten An­fangs­wor­te: O mar­tyr ae­ter­ni pa­tris und A­do­re­mus glo­rio­sis­si­mum las­sen uns die fei­er­li­che Pracht die­ser Ge­sän­ge ah­nen. Ek­ke­hard IV., der die Ge­schich­te sei­nes Klos­ters wie einen bunt­be­bil­der­ten Tep­pich vor uns aus­ge­brei­tet hat, dür­fen wir als den ers­ten No­vel­len­dich­ter un­se­rer Li­te­ra­tur be­trach­ten, einen kun­di­gen Men­schen­dar­stel­ler, einen nach­denk­li­chen, lieb­rei­chen und hu­mor­vol­len Zuschau­er des Le­bens. Ek­ke­hard II. un­ter­schied der Beiname Pala­ti­nus, der Hö­fi­sche; er war aus­ge­zeich­net durch Schön­heit, vor­neh­me Hal­tung und die Über­le­gen­heit, die das Be­wusst­sein ge­fäl­li­ger Er­schei­nung, Klug­heit und küh­le Ge­müts­art ver­lei­hen. Er muss­te der Her­zo­gin Had­wig von Schwa­ben den Vir­gil er­klä­ren und es scheint, dass sie mehr Zu­nei­gung für ihn hat­te, als er er­wi­der­te. Er be­saß eine be­son­de­re Kunst­fer­tig­keit im Aus­ma­len von Hand­schrif­ten.

Leuch­ten des Klos­ters Rei­chenau und der da­ma­li­gen Welt wa­ren Wal­afried Stra­bo, von dem lieb­li­che ly­ri­sche Ge­dich­te er­hal­ten sind, und Her­man­nus Kon­trak­tus, der von Kind­heit an ge­lähm­te Sohn ei­nes Gra­fen von Ve­rin­gen. Ob­wohl er nicht ge­hen, nur müh­sam spre­chen und kaum die Hand zum Schrei­ben be­we­gen konn­te, sein Le­ben ge­krümmt im Stuh­le sit­zend zu­brach­te, wur­de er Abt des Klos­ters, war er be­rühmt als Mu­si­ker, Theo­lo­ge, His­to­ri­ker.

Als Ent­gelt da­für, dass im Klos­ter eine Grup­pe von Men­schen den ewi­gen Op­fer­rauch des Ge­be­tes zum Him­mel auf­stei­gen ließ und die Ge­bo­te des Herrn der Lie­be stell­ver­tre­tend für das gan­ze Volk auf sich nahm, wid­me­te man den Mön­chen au­ßer­or­dent­li­che Ver­eh­rung. Als ein­mal Kai­ser Kon­rad II. zu In­gel­heim Os­tern fei­er­te, lei­te­te Ek­ke­hard IV., da­mals Vor­ste­her der Schu­le zu Mainz, den Got­tes­dienst und hat­te schon die Hand zur Vor­füh­rung der Se­quenz er­ho­ben, als die Bi­schö­fe, die ne­ben dem Kai­ser sa­ßen, die­sen um Er­laub­nis ba­ten, ih­ren ehe­ma­li­gen Leh­rer bei dem, worin er selbst sie un­ter­wie­sen habe, zu un­ter­stüt­zen. Da der Kai­ser Ge­wäh­rung nick­te, voll­führ­ten sie mit Ek­ke­hard, der Trä­nen der Freu­de wein­te, die hei­li­ge Hand­lung. In­des­sen nicht nur dass die Ehr­furcht vor dem Leh­rer die Schü­ler bis in die höchs­ten Wür­den be­glei­te­te, das gan­ze Volk brach­te den Mön­chen Ver­eh­rung ent­ge­gen, und die Ver­eh­rung äu­ßer­te sich in Schen­kun­gen, die die Klös­ter reich mach­ten. Sie wur­den da­durch in­stand ge­setzt, Geld­ge­schäf­te zu trei­ben, und wenn das auch schäd­li­che Fol­gen hat­te, in­dem es die­je­ni­gen, wel­che der Welt ab­ge­sagt hat­ten, in sehr welt­li­che In­ter­es­sen ver­strick­te, so voll­zog doch das Klos­ter als eine Art Bank eine Funk­ti­on, die in dem re­ger sich ent­fal­ten­den kul­tu­rel­len Le­ben nicht feh­len durf­te.

Nie wie­der hat es eine Ein­rich­tung ge­ge­ben, die wie das Klos­ter der ka­ro­lin­gi­schen und ot­to­ni­schen Zeit so vie­len nütz­li­chen Zwe­cken und großen Ide­en diente. Von ih­nen, wenn auch nicht nur von ih­nen, ging die Kul­ti­vie­rung des Bo­dens aus, sie lich­te­ten Wäl­der, be­stell­ten Äcker, bau­ten Re­ben, ga­ben ein Vor­bild um­sich­ti­ger Wirt­schaft; sie be­schäf­tig­ten Hand­wer­ker und Künst­ler, pfleg­ten die Mu­sik, för­der­ten die Wis­sen­schaft, un­ter­rich­te­ten die Kin­der, wa­ren Schu­le, Aka­de­mie, Uni­ver­si­tät. Nach­dem die staat­li­che Ar­men­pfle­ge, die Karl der Gro­ße or­ga­ni­siert hat­te, in den Stür­men der Zeit un­ter­ge­gan­gen war, über­nah­men sie die Klös­ter. Täg­lich emp­fin­gen dort die Ar­men der Um­ge­gend Un­ter­stüt­zung an Nah­rung und Geld, Pil­ger wur­den auf­ge­nom­men und Kran­ke ver­pflegt, so wa­ren sie zu­gleich Ho­spi­ze und Ho­spi­tä­ler. Als Ver­sor­gungs­an­stal­ten nah­men sie die vie­len auf, die für den Kampf des Le­bens zu schwach wa­ren, die in­fol­ge ge­stör­ten Gleich­ge­wichts der Kräf­te, in­fol­ge ir­gend­wel­cher kör­per­li­cher oder geis­ti­ger Ge­bre­chen drau­ßen im rück­sichts­lo­sen Wett­kampf der Ar­beit und des Ehr­gei­zes schei­tern muss­ten, alle die un­schein­ba­ren, all­zu zar­ten Pflan­zen, die von acht­lo­sen Fü­ßen zer­tre­ten wer­den, aber un­ter ver­ständ­nis­vol­ler Pfle­ge er­blü­hen und Früch­te tra­gen kön­nen. Sie wa­ren Ge­fäng­nis­se, wo der Schuld­be­la­de­ne ver­hin­dert wur­de zu scha­den, wo er aber nicht aus der Ge­sell­schaft der Gu­ten und Ge­sun­den aus­ge­sto­ßen war, wo er Stra­fe er­litt, aber auch Zu­spruch, Läu­te­rung und Er­he­bung fin­den konn­te. Der edle Bi­schof Otto von Bam­berg sag­te ein­mal, als je­mand mein­te, es gebe schon zu viel Klös­ter, er sol­le nicht neue grün­den: die Welt sei für den Men­schen die Frem­de, dar­um müs­se es Her­ber­gen ge­ben, und sol­che Her­ber­gen sei­en die Klös­ter. Sie sei­en nicht für die­je­ni­gen da, die sich auf Er­den hei­misch fühl­ten, son­dern für die Frem­den. Den Fremd­lin­gen auf Er­den öff­ne­te sich die gast­li­che Pfor­te als ein Vor­hof der ewi­gen Ruhe.

Die al­ten Klös­ter mit ih­ren Kir­chen und Kreuz­gän­gen sind im Lauf der Jahr­hun­der­te ent­we­der ganz zer­stört oder um­ge­baut wor­den. Die Ab­tei Prüm in der Ei­fel, die Karl Mar­tells Schwes­ter Ber­tra­da zu An­fang des 8. Jahr­hun­derts stif­te­te, stammt in ih­rer jet­zi­gen Ge­stalt aus dem 18. Jahr­hun­dert, Ful­da ist vom Ba­rock be­herrscht, Sankt Gal­len vom Ro­ko­ko, eben­so fast alle bay­ri­schen und ös­ter­rei­chi­schen Klös­ter, im säch­si­schen Kor­vey, wo der Mönch Wi­du­kind die Ge­schich­ten sei­nes Vol­kes schrieb, muss man die ro­ma­ni­schen Über­bleib­sel des al­ten Baus auf­su­chen. Aber wenn man die In­sel Rei­chenau be­tritt, dann wird man in die Zeit der Erst­lin­ge des Glau­bens ent­rückt. Hier ist al­les fest um­grenzt, al­les schlicht ge­formt, al­les Sym­bol und Ge­heim­nis. Die Häu­ser sind klein, selbst die Kir­chen nied­rig, und den­noch, mit ih­ren di­cken Mau­ern, ih­ren fla­chen De­cken und kur­z­en Säu­len er­schei­nen sie ge­wal­tig und hau­chen über­ir­di­sche Schau­er aus. Die Göt­ter­ge­stalt Chris­ti, die wir von den halb­zer­stör­ten Wand­ge­mäl­den ab­le­sen, wie sie Kran­ke heilt und Tote er­weckt, steigt aus bo­den­lo­sen Ab­grün­den her­vor, Füh­rer durch Blut und Trä­nen in ein Reich jen­seits der Ster­ne. Er­drückend wäre die Hei­lig­keit die­ser Räu­me, wenn sie nicht Na­tur hold um­gä­be: um die Ge­mäu­er singt die Wel­le, flüs­tert das Schilf, blüht und rauscht die Lin­de. Der Gott, der hier an­ge­be­tet wird, liebt die Na­tur, sie ist sei­ne Toch­ter und at­met dicht an sei­nem Her­zen. An den Spa­lie­ren rei­fen Äp­fel und Bir­nen, Pfir­si­che und Trau­ben, nicht nur durch die Gü­ter, die Schif­fe ihr von weit­her zu­füh­ren, ist die­se Aue reich, son­dern durch das, was sie selbst her­vor­bringt. Hier sind alle Men­schen, die ho­hen und die nie­de­ren, die Her­ren und die Bett­ler, Kin­der der Erde, ein Volk von Bau­ern, ge­nüg­sam in sei­nen An­for­de­run­gen an das Ir­di­sche, maß­los in sei­nen Ah­nun­gen des Ewi­gen. Ihre Hei­mat ist eine In­sel, ums­aust von Stür­men, um­bran­det von Wel­len, aber hoch oben rol­len die Ster­ne aus der Hand des Herrn als ein Band, das die Erde und ihre klei­ne Hei­mat mit dem Him­mel ver­bin­det – A­do­re­mus Glo­rio­sis­si­mum.

Deutsche Geschichte

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