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Die Deutschen und das Christentum

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Man möch­te gern wis­sen, was von Staat und Kir­che ge­sch­ah, um die Sach­sen zu be­keh­ren, wie die Be­keh­rung wirk­te, was für ein Chris­ten­tum es war, das ge­lehrt und das auf­ge­nom­men wur­de. Ein schö­ner Brief des An­gel­sach­sen Al­kuin an Kai­ser Karl gibt zu ver­ste­hen, dass die Be­keh­rer haupt­säch­lich for­dernd auf­tra­ten, in­dem sie den Zehn­ten zur Er­hal­tung der Kir­che auf­er­leg­ten, der, wie es scheint, mit Här­te ein­ge­trie­ben wur­de. Es sei bes­ser, mein­te Al­kuin, den Zehn­ten als den Glau­ben zu ver­lie­ren, es sei auch nicht er­wie­sen, ob die Apos­tel ge­wollt hät­ten, dass der Zehn­te ge­ge­ben wer­de. Wä­ren die Neu­ge­tauf­ten spä­ter reif im Glau­ben ge­wor­den, möge man ih­nen ein so schwe­res Ge­bot zu­mu­ten, zu­nächst sol­le man sie die Heils­wahr­hei­ten leh­ren und ih­nen mit Wer­ken der Barm­her­zig­keit nä­her­zu­kom­men su­chen. Ohne Zwei­fel hat­te Al­kuin ge­hört, wie die Sach­sen sich be­klag­ten, dass die Re­li­gi­on des Got­tes der Lie­be für sie nur Be­drückung be­deu­te; wuss­te er, dass für die Pre­digt nicht ge­nü­gend ge­sorgt war. An den Erz­bi­schof Arn von Salz­burg schrieb er, der Kai­ser habe den bes­ten Wil­len, aber er habe nicht ge­nug Leu­te, die von der Lie­be zur Ge­rech­tig­keit be­seelt wä­ren, es gäbe eben mehr Die­be als Pre­di­ger, und mehr Men­schen such­ten das Ihre als das Gött­li­che.

Über­all und zu al­len Zei­ten sind von den Men­schen, die ein Ge­setz aus­füh­ren sol­len, vie­le, ja die meis­ten vol­ler Män­gel und Schwä­chen, so­dass der Wil­le des Ge­setz­ge­bers sel­ten rein zur Gel­tung kommt. Das­sel­be un­güns­ti­ge Ver­hält­nis von Gu­ten, Min­der­gu­ten und Schlech­ten be­steht na­tür­lich in al­len Schich­ten des Vol­kes und be­stand bei den zu Be­keh­ren­den wie bei den Sie­gern. Der Art der Be­keh­rung ent­sprach die Ge­sin­nung, mit wel­cher die Tau­fe emp­fan­gen wur­de, wie die fol­gen­de An­ek­do­te er­zählt. Als ein­mal um Os­tern fünf­zig Hei­den zu­gleich sich zur Tau­fe mel­de­ten, wa­ren am Hofe des Kai­sers nicht so vie­le lei­ne­ne Ge­wän­der vor­rä­tig, mit de­nen man die Täuf­lin­ge zu be­schen­ken pfleg­te, und die feh­len­den wur­den schnell aus gro­bem Stoff zu­sam­men­ge­näht. Ent­rüs­tet sag­te der eine der Hei­den, als man ihm einen sol­chen Kit­tel reich­te: »Zwan­zig­mal schon habe ich mich hier ge­ba­det und im­mer habe ich gu­tes neu­es Ge­wand be­kom­men; die­ser Sack passt höchs­tens für einen Sau­hir­ten, nicht für einen Krie­ger. Wenn ich mich nicht mei­ner Nackt­heit schäm­te, könn­tet ihr das Kleid mit­samt dem Chri­sam be­hal­ten.«

Seit ih­ren An­fän­gen hat­te die Kir­che eine we­sent­li­che Ver­än­de­rung er­fah­ren: als der Glau­be des herr­schen­den Vol­kes ge­hör­te sie nicht mehr in ers­ter Li­nie den Ar­men und Skla­ven, son­dern den Gro­ßen. Bei al­len ger­ma­ni­schen Stäm­men wur­den die Kö­ni­ge und Her­zö­ge zu­erst Chris­ten, und ih­nen schloss sich der Adel an; was sie zum Über­tritt be­wog, war die Hoff­nung, dass der Chris­ten­gott ih­nen Sieg ver­lei­hen wer­de. In den ers­ten Jahr­hun­der­ten hat­te man die Ar­men be­schenkt, wenn man die Kir­che be­schenk­te; was der Kir­che ge­hör­te, ge­hör­te den Ar­men, die Tä­tig­keit der christ­li­chen Kir­chen­vor­ste­her be­stand haupt­säch­lich in der Ar­men­pfle­ge. All­mäh­lich, wie der Auf­ga­ben­kreis der Kir­che sich er­wei­ter­te, wur­de es üb­lich, dass die Bi­schö­fe ihr Ver­mö­gen in vier Tei­le teil­ten und da­von einen Teil für sich, einen für die Ka­no­ni­ker, einen für die In­stand­hal­tung und Ver­schö­ne­rung ih­rer Kir­che und einen für die Ar­men ver­wen­de­ten. Al­mo­sen wur­den noch im­mer reich­lich ver­teilt, und Al­mo­sen­ge­ben von der Kir­che drin­gend emp­foh­len; aber die Ar­men wur­den doch als un­ter­ge­ord­ne­te Leu­te und ge­wiss oft mit Ge­ring­schät­zung be­han­delt. Es wur­de er­zählt, Wi­du­kind habe als Ge­fan­ge­ner Karls, wäh­rend sie, ein je­der an ei­nem be­son­de­ren Tisch, speis­ten, ge­gen Karl be­merkt: »Euer Chris­tus sagt, in den Ar­men wer­de er selbst auf­ge­nom­men. Mit wel­cher Stirn re­det denn ihr uns zu, dass wir un­se­re Na­cken beu­gen sol­len vor dem, wel­chen ihr so ver­ächt­lich be­han­delt und dem ihr nicht die ge­rings­te Ehr­er­bie­tung be­weist?« Der Kai­ser, so heißt es wei­ter, er­schrak und er­rö­te­te; denn die Ar­men sa­ßen de­mü­tig am Bo­den.

Das Miss­ver­hält­nis zwi­schen Ide­al und Wirk­lich­keit, das im­mer be­steht, dräng­te sich si­cher ge­ra­de den Hei­den auf, die der neu­en Leh­re zwei­felnd ge­gen­über­stan­den. In­des­sen die Ar­men und Skla­ven wa­ren nur ein Teil des Vol­kes, und die Be­zie­hung zur Ar­mut ist nur ein Teil des Chris­ten­tums. Er­schüt­tert durch das un­ge­heu­re Er­leb­nis des mehr als drei­ßig­jäh­ri­gen Kamp­fes beug­ten sich die Be­sieg­ten, wie Wi­du­kind ge­tan hat­te, dem frem­den Gott, der sei­ne Über­macht an ih­nen be­wie­sen hat­te. Von ihm er­war­te­ten sie nun Sieg im Kamp­fe, Ge­dei­hen der Äcker, Glück und Ge­lin­gen in al­len An­ge­le­gen­hei­ten, be­reit, ihm da­für mit gren­zen­lo­ser Er­ge­ben­heit zu die­nen. Der alte Göt­ter­glau­be, ob er nun dem nor­di­schen ähn­lich war, wie er sich in der Edda dar­stellt, oder ob er bei den deut­schen Stäm­men sich an­ders ent­wi­ckelt hat­te, si­cher­lich hat­te er nicht mehr die quel­len­de Fri­sche ei­nes neu­en oder er­neu­er­ten Glau­bens. Man weiß aus den Kla­gen des Bo­ni­fa­ti­us, dass sich die Re­li­gio­si­tät der heid­nischen Deut­schen haupt­säch­lich in aber­gläu­bi­schen Bräu­chen und Be­schwö­run­gen äu­ßer­te, im Wäh­len glück­brin­gen­der Tage, im Los wer­fen, im Zwin­gen des Wet­ters oder mensch­li­chen Wil­lens; in sol­chen For­meln war der einst sinn­vol­le, le­ben­di­ge Glau­be er­starrt. An dem christ­lich ab­ge­wan­del­ten Aber­glau­ben fest­zu­hal­ten, ge­nüg­te dem re­li­gi­ösen Be­dürf­nis vie­ler. Wei­se Päps­te ord­ne­ten an, dass so viel wie mög­lich der christ­li­che Kult an heid­nische Fes­te, Ge­bräu­che, Ge­wohn­hei­ten an­ge­knüpft wer­de; so tra­ten denn Hei­li­ge an die Stel­le der Göt­ter, und die das Le­ben Chris­ti und der Hei­li­gen be­zeich­nen­den Fes­te an die Stel­le der heid­nischen, die den Son­nen­lauf, das Er­wa­chen und Hinster­ben der Na­tur be­glei­ten. Un­ter den Sach­sen und Frie­sen, den zu­letzt be­kehr­ten Stäm­men, wa­ren wohl vie­le Bau­ern, die, wenn sie sich auch an die neu­en Na­men ge­wöhn­ten, doch der Kir­che und den Pries­tern im Her­zen feind­lich blie­ben auf eine ver­bis­se­ne, schweig­sa­me, ge­fähr­li­che Art. Aber auch bei die­sen schwand die Erin­ne­rung an den al­ten Glau­ben, selbst wenn sich die al­ten Zau­ber­sprü­che im Ge­dächt­nis er­hiel­ten. Die, wel­che die Pfaf­fen hass­ten, fühl­ten sich trotz­dem als gute Chris­ten.

Ein gan­zes Volk kann sich nicht plötz­lich we­sent­lich ver­än­dern. Für die große Men­ge än­der­ten sich zu­nächst nur die Na­men und die For­meln. Ein­zel­ne re­li­gi­ös Be­gab­te er­fuh­ren durch die Berüh­rung mit dem Chris­ten­tum ein er­schüt­tern­des Er­leb­nis und eine Wand­lung, und von sol­chen ging all­mäh­lich um­bil­den­der Ein­fluss auf das Volk aus. Es war nicht so, dass das Chris­ten­tum sei­ne Be­ken­ner so­fort auf eine hohe mo­ra­li­sche Stu­fe ge­ho­ben hät­te; aber das un­er­gründ­li­che Bi­bel­wort riss Schluch­ten in ih­rer See­le auf, aus de­nen her­aus sie glü­hen­der leb­ten. Al­tei­li­ge Vor­stel­lun­gen ver­schmol­zen mit dem neu­en Got­tes­bil­de. Je­ho­va war dem al­ten nor­di­schen Him­mels­gott ver­wandt; wie die­ser durch­stürm­te er die Nacht auf weißem Blitz, Dich­ter­wor­te, Zau­ber­wor­te auf den über­schweng­li­chen Lip­pen. Sie be­grif­fen ihn als den Herrn, die furcht­ba­re Ma­je­stät, un­nah­bar in ewi­ge Glut gehüllt, als den Ur­ton, der die Welt durch­summt. Sein Weg war un­er­reich­bar hoch, sein Wil­le un­er­forsch­lich, un­wi­der­steh­lich. Und die­ser All­mäch­ti­ge wur­de des Men­schen Freund, schloss einen Bund mit ihm, und aus ei­nes mensch­li­chen Mäd­chens Schoß zeug­te er wun­der­bar sein Eben­bild, den Früh­lings- und Lie­bes­gott, des­sen Tod Dun­kel und un­end­li­che Trau­er über die Erde aus­brei­tet. Den Mit­tel­punkt des Kul­tes und des Glau­bens bil­de­te das Sa­kra­ment des Abend­mahls. Man fei­er­te dar­in ein hei­li­ges Ge­heim­nis, die Ver­mäh­lung von Gott und Na­tur, die Ent­zün­dung des ele­men­ta­ren Stof­fes durch die Flam­me Gott. Das Zau­ber­wort des Ma­giers am Al­ta­re press­te die durch das Wel­tall er­gos­se­ne in einen elek­tri­schen Punkt zu­sam­men und lei­te­te sie zu Se­gen oder Fluch auf die Lip­pe des sterb­li­chen Men­schen. Die we­nigs­ten hat­ten das Be­dürf­nis, das Wun­der zu ver­ste­hen, da sie es er­leb­ten. Die Hos­tie war ne­ben den Re­li­qui­en der Mit­tel­punkt der Wun­der­sucht, das schau­er­lichs­te Mit­tel der Zau­be­rei. Die Ver­eh­rung der ir­di­schen Über­res­te von Hei­li­gen, ein ed­ler Brauch, ver­misch­te sich bald mit teils heid­nischen, teils welt­li­chen Vor­stel­lun­gen, die von we­ni­gen Hoch­ste­hen­den be­nutzt, von den meis­ten ge­teilt wur­den. Jahr­hun­der­te hin­durch wa­ren Re­li­qui­en ein Zau­ber­mit­tel, das von den Be­sit­zen­den ge­sam­melt, er­jagt, wenn es nicht an­ders ging, ge­stoh­len wur­de. Als im 14. Jahr­hun­dert Bi­schof Ger­hard von Hil­des­heim ge­gen meh­re­re mäch­ti­ge Fürs­ten in die Schlacht ging, ver­sprach er erst der Mut­ter Got­tes ein gol­de­nes Dach auf ihre Kir­che für den Fall sei­nes Sie­ges, wäh­rend sie sonst mit ei­nem Stroh­dach sich be­gnü­gen müs­se, au­ßer­dem steck­te er Re­li­qui­en in sei­nen Är­mel. »Leve Ke­rel, tru­ret nich, hie heb­be ek du­send Mann in mi­ner Mau­en«, rief er sei­nen Leu­ten zu, um sie ge­gen die Über­zahl be­herzt zu ma­chen, und er­rang einen ge­wal­ti­gen Sieg. Wenn sich viel Ab­ge­schmack­tes und Ro­heit in die Auf­fas­sung des Gött­li­chen misch­te: was wäre eine Re­li­gi­on, die nicht auch Ma­gie wäre? Teil­ha­ben an der Got­tes­kraft, das ist es doch, was alle Gläu­bi­gen wol­len, die einen um der ro­he­s­ten, an­de­re um der sub­lims­ten Zwe­cke wil­len. Bei al­ler der­ben Sinn­lich­keit ver­senk­ten sich die Deut­schen mit Lei­den­schaft in das Über­sinn­li­che. Die er­ha­be­ne Ge­walt­sam­keit, mit der das Chris­ten­tum den ei­gent­li­chen Schau­platz der Men­schen­ge­schich­te von der Erde hin­weg in ein jen­sei­ti­ges Geis­ter­reich ver­legt, ge­ra­de die­se Um­wäl­zung, die der Epo­che, die man Mit­tel­al­ter nennt, die gran­dio­se Span­nung, die ge­heim­nis­vol­le Tie­fe ver­lieh, das Le­ben in ein Him­mel und Erde über­brücken­des Dra­ma ver­wan­delt, ent­sprach ei­ner Geis­tes­kraft, die dem Deut­schen be­son­ders ei­gen ist, der Fan­ta­sie. Der Sinn für das Un­sicht­ba­re, der viel­leicht mit der Be­ga­bung des deut­schen Men­schen für Mu­sik zu­sam­men­hängt, öff­net sein Ohr den Stim­men von drü­ben. Li­ud­ger, der ers­te Bi­schof von Müns­ter, der, weil er selbst Frie­se war, leich­ter Zu­gang zu sei­nem Vol­ke fand als die frü­he­ren Mis­sio­na­re, be­kam einen wert­vol­len Ge­hil­fen in dem san­ges­kun­di­gen Bern­laf. Ihn hat­te die Schön­heit der Psal­men für das Chris­ten­tum ge­won­nen, und da er über­all be­liebt war, weil er von den Ta­ten der Vor­fah­ren sin­gen und sa­gen konn­te, wehr­te man ihm auch nicht, als er für sei­nen Glau­ben warb. Die­se Ge­sän­ge über­zeug­ten un­mit­tel­bar, auf Zau­ber­art. Nicht nur der frie­si­sche Sän­ger, nicht nur Mön­che, son­dern auch Kö­ni­ge wuss­ten vie­le Psal­men aus­wen­dig und führ­ten eine Psal­men­samm­lung auf Rei­sen mit sich. Karl der Gro­ße lieb­te die Mu­sik und pfleg­te in der Kir­che mit ge­dämpf­ter Stim­me die Psal­men mit­zu­sin­gen. Kei­ne Kunst ist so wie die Mu­sik Ver­kün­de­rin des Über­sinn­li­chen, dop­pelt so, wenn sie sich mit der Wir­kung der Archi­tek­tur ver­bin­det. Die Fei­er­lich­keit des Got­tes­diens­tes in den Chö­ren der ka­ro­lin­gi­schen und ot­to­ni­schen Kir­chen mö­gen mehr als die Pre­digt die Her­zen dem drei­ei­ni­gen Got­te zu­ge­führt ha­ben.

In­des­sen, wenn auch die neue Re­li­gi­on haupt­säch­lich als Him­mels­zau­ber auf die See­le wirk­te, so herrsch­te sie doch auch als sitt­li­che Macht. »Du sollst hei­lig sein, denn ich bin hei­lig.« Von al­len Göt­tern, zu de­nen die Völ­ker be­ten, hat­te noch nie ei­ner so zu sei­nem Vol­ke ge­spro­chen. Der Sinn des deut­schen Men­schen für Ge­rech­tig­keit ver­band ihn mit dem Gott, der der Ge­rech­te hieß, das Kämp­fe­ri­sche sei­ner Ge­sin­nung mach­te, dass er sich wil­lig in die Geis­ter­schlacht zwi­schen Gut und Böse hin­ein­rei­ßen ließ. Die Welt­über­win­dung durch As­ke­se, die der Mönch im Klos­ter führ­te, war zu­gleich ein rit­ter­li­cher Ge­dan­ke und den Ger­ma­nen nicht durch­aus fremd. Al­ler­dings wa­ren sie im All­ge­mei­nen zü­gel­los im Trin­ken und in der Frau­en­lie­be; sie be­durf­ten des Rau­sches. Den er­wähl­ten Frau­en ga­ben sie sich mit ei­ner fast kind­li­chen Ge­walt­sam­keit hin, und es kam zu er­bit­ter­ten Kämp­fen mit der Kir­che, wenn sie ein Lie­bes­ver­hält­nis we­gen zu na­her Ver­wandt­schaft zu lö­sen un­ter­nahm. An­de­rer­seits wur­de in der ger­ma­ni­schen My­tho­lo­gie Jung­fräu­lich­keit als Quell über­mensch­li­cher Kraft be­grif­fen, und im Ver­hal­ten zum Tode, den zu fürch­ten für den Frei­ge­bo­re­nen als Schan­de galt, lag Selb­st­über­win­dung. Karl der Gro­ße ver­ab­scheu­te Trun­ken­heit. Dass blo­ßes Sich­ge­hen­las­sen nichts Gro­ßes er­zeugt, wuss­te auch der heid­nische Deut­sche, und ge­ra­de weil der Freie kei­nen Zwang dul­det, muss­te er sich selbst zwin­gen. Ohne die­sen Selbstzwang gibt es kei­ne Ehre. Um an dem Kamp­fe des schaf­fen­den Got­tes ge­gen den zer­stö­ren­den Teu­fel teil­zu­neh­men, ström­ten Män­ner und Frau­en den Klös­tern zu.

Im Sü­den Deutsch­lands hat­ten schon vor Bo­ni­fa­ti­us Klos­ter­grün­dun­gen statt­ge­fun­den, so­wohl in Fran­ken wie in Schwa­ben und Bay­ern. In Schwa­ben grün­de­ten iro­schot­ti­sche Mön­che Rei­chenau und Sankt Gal­len, im from­men Bay­ern be­tei­lig­ten sich die Bi­schö­fe, die ein­hei­mi­schen Her­zö­ge und ad­li­gen Pri­vat­per­so­nen. So etwa wie die ers­ten eu­ro­päi­schen An­sied­ler in den wil­den Wes­ten Ame­ri­kas ein­dran­gen, so zo­gen glau­bens­star­ke, aben­teu­er­lus­ti­ge Leu­te in klei­ne­ren und grö­ße­ren Grup­pen dem Sü­den und Os­ten zu, dran­gen in die al­ten rö­mi­schen Pro­vin­zen ein, wo längs der großen Stra­ßen noch Ro­ma­nen, ab­seits in den Flus­stä­lern Sla­wen wohn­ten. Auch ein­zel­ne freie Bau­ern sie­del­ten und ro­de­ten, der Name man­ches küh­nen Man­nes ist in den Na­men al­ter Ort­schaf­ten er­hal­ten; aber die Klös­ter hat­ten grö­ße­re Mit­tel zur Ver­fü­gung und er­ziel­ten dement­spre­chend grö­ße­re Er­geb­nis­se. Ge­wöhn­lich wur­de den Mön­chen ein Stück Kul­tur­land und ein Stück Öd­land ver­lie­hen, da­mit sie von den Er­träg­nis­sen des einen leb­ten, wäh­rend sie das an­de­re ur­bar mach­ten. Ver­las­se­ne Rui­nen aus der Rö­mer­zeit lie­fer­ten oft das Ma­te­ri­al für die klös­ter­li­chen Bau­ten; die Trüm­mer des al­ten Iu­va­vum er­mög­lich­ten, dass gleich das ers­te Salz­bur­ger Klos­ter aus Stein her­ge­stellt wer­den konn­te. Kam eine aus­wan­dern­de Ge­sell­schaft an der Stät­te an, die zur Er­rich­tung ei­nes Klos­ters oder der Fi­lia­le ei­nes Klos­ters ge­eig­net schi­en, so wur­de zum Zei­chen der Be­sitz­nah­me ein Kreuz auf­ge­stellt und dann eine Zel­le ge­baut, wo­von das häu­fi­ge Vor­kom­men des Wor­tes Zell im Orts­na­men Kun­de gibt. Sie wur­de un­ter den Schutz der hei­li­gen Mar­ga­re­te oder des hei­li­gen Ge­org, des Dra­chen­über­win­ders, ge­stellt, wenn man in be­nach­bar­ten Wäl­dern die wil­den Tie­re fürch­te­te; freund­li­che Auen weih­te man der Jung­frau Ma­ria. Die stren­ge Re­gel des Bo­ni­fa­ti­us, wo­nach die Mön­che alle Ar­beit selbst tun soll­ten, wur­de in Bay­ern nie durch­ge­führt; die schwe­re Ar­beit der Ko­lo­ni­sa­ti­on wur­de von hö­ri­gen Knech­ten ge­leis­tet.

Passau, St. Flo­ri­an, Krems­müns­ter, Chiem­see, Staf­fel­see, Wes­so­brunn, Te­gern­see, Be­ne­dikt­be­u­ren, die bei­den letz­te­ren von zwei ad­li­gen Brü­der­paa­ren ge­stif­tet, wur­den in Bay­ern zu be­deu­ten­den Kul­tur­mit­tel­punk­ten, in Fran­ken Lorsch und Prüm, im El­saß Wei­ßen­burg, in Sach­sen Kor­vey und die be­rühm­ten Non­nen­k­lös­ter Gan­ders­heim, Qued­lin­burg und Nord­hau­sen. Die Schen­kun­gen, mit de­nen die Klös­ter über­häuft wur­den, mach­ten sie schnell au­ßer­or­dent­lich reich.

In den Vor­rats­häu­sern und Stäl­len des Klos­ters Staf­fel­see be­fan­den sich im Jah­re 812: 1 Pferd, 26 Och­sen, 20 Kühe, 1 Stier, 51 Stück Klein­vieh, 5 Käl­ber, 87 Ham­mel, 14 Läm­mer, 17 Bö­cke, 58 Zie­gen, 12 Böck­chen, 40 Schwei­ne, 50 Frisch­lin­ge, 63 Gän­se, 50 jun­ge Hüh­ner, 17 Bie­nen­stö­cke, 20 Speck­schwar­ten, 40 Käse, 127 Fett- und Schmalz­töp­fe. Dazu ka­men noch Ho­nig, But­ter, Salz und Malz. In den Mäg­de­kam­mern span­nen und web­ten 24 Mäg­de und ver­fer­tig­ten aus Wol­le und Lei­nen Wä­sche und Klei­dungs­stücke. Das Land wur­de teils ver­pach­tet, teils vom Klos­ter selbst durch Hö­ri­ge be­wirt­schaf­tet, die teils mit dem Land zu­sam­men ge­schenkt wa­ren, teils sich mit oder ohne Land dem Klos­ter frei­wil­lig er­ga­ben. Trotz des da­ma­li­gen Über­flus­ses an Land und Leu­ten be­darf der Wett­ei­fer des Schen­kens, der im 9. und 10. Jahr­hun­dert das deut­sche Volk er­griff, der Er­klä­rung, und er er­klärt sich haupt­säch­lich durch die Ge­walt des Glau­bens. Moch­te im­mer­hin noch man­cher säch­si­sche Bau­er in ein­sa­men Hö­fen sich an sei­nen al­ten Ru­nen und Sprü­chen ge­nü­gen las­sen, der Adel und die be­gü­ter­ten Frei­en wa­ren gläu­bi­ge Chris­ten, über­zeugt, das Heil ih­rer See­le nur durch die Ver­mitt­lung des Paps­tes in Rom emp­fan­gen zu kön­nen.

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