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Me too: Rekorde und das vorläufige Ende in den USA

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Spätestens aber mit dem Triumph der gelungenen zweiten Transplantation von Philip Blaiberg mit einem Herzen des 35-jährigen farbigen Clive Haupt (1944 – 1968) waren alle Bedenken und Skrupel zerstreut. Die rassistische Regierung Südafrikas machte gute Miene zum bösen Spiel, obwohl bei der zweiten Operation das Herz eines farbigen Afrikaners in die Brust eines Weißen verpflanzt worden war. Barnards Ruhm löste bei amerikanischen Ärzten Neid aus, wie Barnard konsterniert feststellte, und auch einen »Me-too-Effekt«. Bereits drei Tage nach der ersten Herztransplantation – das Ad Hoc Commitee der Harvard Medical School hatte noch nicht seinen »Segen« erteilt – implantierte der New Yorker Adrian Kantrowitz einem zweieinhalbwöchigen weiblichen Baby ein Herz – mit tödlichem Ausgang wenige Stunden später. Das hinderte Kantrowitz vom Maimonides-Krankenhaus in New York nicht daran, sich als erster amerikanischer Transplanteur, gemeinsam mit Barnard, in der USweit ausgestrahlten TV-Show, »Face of the Nation« der CBS feiern zu lassen.

Den überstürzten Eingriff an einem wehrlosen Opfer bezeichnete der Düsseldorfer Kardiologe Forßmann als Mord. In Wirklichkeit aber war es ein Doppelmord, denn das wehrlose Opfer, dem das Herz entnommen wurde, war ein anenzephales neugeborenes Kind. Das sind Kinder, die nur mit Hirnstamm, aber ohne Großhirn geboren werden und spontan atmen können. Sie galten für manche amerikanische Ärzte als tot. Die schlichte und zugleich pragmatische Argumentation, vergleichbar mit der des Harvard Ad-hoc-Berichts, lautete: Angehörige von anenzephalen Kindern werden durch den herbeigeführten Tod entlastet, indem u. a. eine Organspende diesem noch einen Sinn gibt. Da diesen Kindern die »Personalität« von Geburt an fehle, galten sie in den USA als lebende Organbanken. Vorauseilend lieferten hier Ärzte Agumentationen, die später auch den »Hirntod« als Tod des Menschen legitimieren sollten. Dem ersten »Mord« folgten noch viele weitere. Ob vor der Organentnahme von anenzephalen Neugeborenen jeweils der Tod des Stammhirns abgewartet wurde, konnte bei Recherchen einer Arbeitsgruppe nicht immer festgestellt werden. Bei nur 29 von 80 explantierten anenzephalen Kindern war der Hirntod protokolliert worden.47

Einen Monat später zelebrierte Norman E. Shumway aus Palo Alto, der sich schon lange auf Herzimplantationen vorbereitet hatte, seinen ersten Auftritt. Bis Oktober 1968 transplantierte er fünf weitere Herzen. Der Texaner Cooley überbot Shumway mit siebzehn verpflanzten Herzen in acht Monaten. Sein Ziel hatte er damit aber noch nicht erreicht: Am Montagmorgen nach der ersten Operation in Kapstadt hatte er Barnard ein Telegramm geschickt: »Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer ersten Transplantation, Chris. Ich werde bald über meine ersten hundert referieren.«

Insgesamt 66 Herztransplantationen meldeten die Agenturen 1968 aus aller Welt. Vier Fünftel der Patienten starben vor Ablauf eines Jahres. Dann kehrte wieder Ruhe ein. Demotiviert von Misserfolgen, vertagten Herzchirurgen ihre Aktivitäten bis zur Einführung von Cyclosporin A48 der Firma Novartis (damals Sandoz), 1982, das die Abstoßung eines Organs verhindern soll. Als schließlich auch Blaiberg, Barnards zweiter Patient, der bis dahin die längste Überlebenszeit vorzuweisen hatte, im August 1969 einer chronischen Abstoßungsreaktion erlag, wendete sich die Stimmung. Die Transplantationsteams vereinbarten ein weltweites Moratorium, das erst nach 10 Jahren wieder aufgehoben wurde.

Die Hirntod-Falle

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