Читать книгу IM FADENKREUZ - Robert Blake Whitehill - Страница 10

Kapitel 4

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Ben Blackshaws Taxifahrt von New York City zur McGuire-Air-Force-Base verschlang beinahe zwei Stunden. Der Fahrer, Malik Qadeem, laut seinem Ausweis, war zu Anfang seiner Schicht glücklicherweise nicht sehr gesprächig, abgesehen davon, dass er wissen wollte, ob Ben bei dem ungewöhnlich hohen Fahrpreis genug Geld dabei hatte. Ben war früh dran, als das Taxi an das explosionsgeschützte Wachhäuschen heranfuhr. Er hielt ein Bündel Geldscheine bereit.

Der bewaffnete Wachposten wurde von einem Captain Michaels flankiert, weiß, Anfang dreißig, sportlich. Ben erkannte schnell, dass sein Rang für den Wachdienst zu hoch war. Ben kurbelte sein Fenster herunter, nicht sicher, wie er sein Erscheinen auf der Basis erklären würde, doch wie sich herausstellte, musste er das nicht.

Nach einem kurzen Blick auf ein Foto in seiner Hand sagte Captain Michaels: »Bitte steigen Sie aus dem Fahrzeug, Sir.«

Ben gehorchte und nahm seinen Fluchtrucksack mit. Er enthielt alles Notwendige für eine kurze Reise: Bargeld, Wechselsocken, eine zweite Identität und eine Zahnbürste. Er lag immer gepackt und bereit neben seiner Tür. Captain Michaels Tonfall gab ihm das Gefühl, als ob er beim Zuschnellfahren erwischt worden wäre, aber wegen etwas viel Schlimmerem unter Verdacht stand. Der Offizier verließ das Wachhäuschen und beugte sich zu Qadeem hinunter. Ohne einen Blick auf das Taxameter zu werfen, das sich im dreistelligen Bereich befand, reichte er einige Geldscheine herüber, die Qadeem die Augen herausspringen ließen.

Als er wieder sprechen konnte, sagte Qadeem: »Und die Maut?«

Captain Michaels reagierte nicht darauf. »Setzen Sie zurück, drehen Sie um und fahren Sie nach Hause. Verstanden, Sir? Was ich Ihnen gerade gegeben habe, sollte Ihre ganze Woche abdecken.«

Qadeem zuckte ›den Versuch wert‹ mit den Schultern und tat, wie ihm geheißen. Michaels wies mit einer Handbewegung vom Wachhäuschen weg. »Hier entlang, Sir.« Er führte Ben an einem Tor vorbei zu einem Humvee, der die graugrüne Highet-Kräcker-Digital-Tarnung trug, die ein paar Jahre zuvor so beliebt gewesen war. Der Captain hielt Ben die Tür auf, sah ihm aber nicht in die Augen.

Obwohl Michaels einen Umweg durch die weniger belebten Straßen der Basis fuhr, fühlte sich Ben entblößt. Er riskierte alles, indem er Fuß auf diese Basis setzte, und konnte nicht anders, als sich zu fragen, ob seine Identität allgemein bekannt war.

»Hat man Ihnen meinen Namen gesagt, Captain?«, fragte er.

Michaels hielt seine Augen stur geradeaus gerichtet. »Nein. Strikt nach Need-to-know-Prinzip.«

»Das heißt Mister Need-to-know für Sie.«

»Ja, Sir. Ich bringe Sie dorthin, wo Sie sein sollen. Das ist alles.«

Ben sagte nichts mehr. Die Basis füllte sich inzwischen langsam mit zivilen Angestellten, und wie es üblich war, widmete niemand dem Gefährt einen zweiten Blick oder gar einen ersten. Dies ähnelte der Anonymität, die er in Manhattan kultiviert hatte, aber irgendwann in absehbarer Zeit würde Ben eine Person treffen, die ihn sehr gut kannte. Jemand mit einem schwierigen Problem, bei dessen Lösung Ben behilflich sein sollte.

Die Hangars kamen in Sicht. Michaels hielt vor dem letzten an, stieg aus, lief vorne um den Wagen herum und öffnete Bens Tür. Ohne etwas zu sagen, reichte er Ben das Foto, das er zur Bestätigung seiner Identität benutzt hatte, und zeigte auf eine modulare Sicherheitsschleuse, bevor er in den Rest seines Tages fuhr.

Ben ging zur Sicherheitsschleuse, die von außen wie ein übergroßer Frachtcontainer aussah, etwa vier Meter breit und zwölf Meter lang, längsseits der Wand des Hangars ausgerichtet. Vermutlich eine explosionsgeschützte Ausgabe von Lion Industrial Buildings. Was zur Hölle erwartete ihn da drinnen? Die erste Welle der Angst, die er beim Anblick der Buchstaben an seiner Wand gespürt hatte, kehrte zurück.

Ein weiterer Wachposten musterte Ben von oben bis unten durch ein kleines, dickes Fenster am Ende des Gebäudes. Ben konnte sehen, wie er auf etwas hinuntersah, vermutlich ein weiteres Foto. Ohne nach einem Ausweis zu fragen, eine Anomalie in der Welt nach dem elften September, aktivierte der Wachmann die schwere Tür. Sie öffnete sich, angeschoben von einem elektrischen Motor, der stark genug war, um einen Mann zu zermalmen, wenn man sich nicht beeilte. Ben trat in einen drei mal drei Meter großen Raum. Er hatte immer noch keine Ahnung, mit wem oder was er es zu tun hatte, aber der Mangel an Abzeichen schrie Firma, die andere Regierungsbehörde, häufige Umschreibung der CIA, dem Auslandsgeheimdienst der Vereinigten Staaten. NSA war auch eine Möglichkeit.

Als die erste Tür hinter Ben zurollte, wurde die nächste aufgekurbelt. Er lief bis zum Ende des Schleusenraumes und bog nach rechts in einen weißen Flur, dessen Linoleumboden ein Muster aufwies, das Dreck und Blut verschleiern würde, falls das nötig wurde. Es gab nur eine fensterlose Tür am gegenüberliegenden Ende dieses Flurs, der innerhalb des Hangars lag. Die zweite Schleusentür schloss sich hinter ihm. Er wartete dort weniger als eine Minute.

Ein Mann Mitte zwanzig streckte seinen Kopf aus der Tür und sagte: »Äh, hi.« Ben war offensichtlich nicht, was er erwartet hatte; ein müder Mann, wie aus einem Müllcontainer gekleidet, der aussah, als wäre er nur einen halben Gehaltsscheck davon entfernt, im Winter auf Dampfabzügen zu nächtigen.

Ben sagte nichts. Der Junge war in ein weißes Hemd gekleidet, eine Panzeruhr im Stile des Zweiten Weltkriegs schaute unter seinem umgekrempelten Ärmel hervor. Kakihosen lagen auf bequem aussehenden, braunen Halbschuhen mit Kreppsohlen auf. Ein ziviles Äußeres, aber etwas an ihm flüsterte immer noch Geheimdienst und weit außerhalb jeglicher militärischer Hierarchie. Diese Jungs hatten ein impressionistisches Regelwerk, sehr dünn, selten geöffnet und ständig dabei, spontan umgeschrieben zu werden. Sie konnten so ziemlich jedem alles antun, was sie wollten. Kein gutes Zeichen. Ben hatte gehofft, dass die Air-Force-Base nur ein Ort war, um einen alten Freund zu treffen, aber dieses Treffen trug das Wasserzeichen der unregierbarsten Teile der Regierung.

Ben wartete, bis der Agent seine Gedanken beisammen hatte, was etwa zehn Sekunden dauerte.

Der Typ sagte wieder: »Hi«, und fuhr fort mit: »Treten Sie ein. Ich bin Tom.«

Ben folgte Tom durch die Tür in einen anderen Flur, der genauso war wie der vorherige, nur viel länger. Womöglich erstreckte er sich über die volle Länge des Hangars.

Tom blieb stehen. »Handy?«

Ben schüttelte den Kopf.

»Schusswaffe? Messer?«

Ben zuckte mit den Schultern.

Tom verdaute das für einen Moment und sagte: »Okay, nun, Sir, es scheint, als trügen Sie ein paar ziemlich schwere Dinge in Ihren Jackentaschen. Und etwas an Ihrer rechten Wade.«

Ben sagte: »Kleingeld. Persönlicher Besitz.«

Tom war sich nicht sicher, wie er das handhaben sollte. »Ich meine nur, die sehen sehr dick aus, wissen Sie? Nichts für ungut, aber würde es Ihnen etwas ausmachen, Ihre Taschen zu leeren?«

»Das würde mir allerdings etwas ausmachen. Tom

Ben wurde klar, dass er irgendwo in der Sicherheitsschleuse oder im ersten Flur einem Körperscan unterzogen worden war. Dieser hatte die vier kleinen, handgeschnittenen Goldstücke, die er zusätzlich zu seinem Bargeld mitgebracht hatte, entdeckt. Universalwährung. Nur für den Fall. Und der Scan hatte sein Messer enthüllt.

Tom grübelte einen Moment nach. Offenbar entschied er, dass es weit über seiner Gehaltsstufe lag, sich mit einem Typen wie Ben anzulegen.

»Okay. Würde es Ihnen etwas ausmachen, hier zu warten?« Tom öffnete eine Tür auf der linken Seite des Flurs. Der Raum hinter der Tür war mit Teppich in einer anstaltsmäßigen Schattierung von Beruhigungs-Grün ausgelegt. Darin standen vier braune Plüschsessel an einer Wand und ein Tisch bedeckt mit in Plastik eingepackten Sandwiches, Limos und Mineralwasserflaschen auf Eis nahm die andere Wand ein. Und ein Fernseher. »Bedienen Sie sich.«

Ben trat ein. Tom blieb im Flur und schloss die Tür hinter Ben. Obwohl es kein sichtbares Schloss an der Tür gab, war gleich ein schweres, mechanisches Scheppern zu hören. Ben versuchte, die Tür zu öffnen. Der Knauf drehte sich, aber die Tür rührte sich kein Stück. Ben war gefangen. Er spürte einen Anflug von Angst in seiner Brust, als Adrenalin seinen Herzschlag beschleunigte. Er kam sich äußerst blöd vor. Von der vertrauten Umgebung der Basis in ein wohlgefälliges Sicherheitsgefühl gelullt hatte Ben seine Deckung vernachlässigt. Er befand sich auf amerikanischem Boden. Angehörige des Militärs würden diese Art von Scheiße nicht aneinander verüben. Dann fiel ihm ein, dass Tom keinem regulären Zweig des Militärdienstes angehörte.

Ein Telefon ohne Tasten zwitscherte auf einem Beistelltisch zwischen den Sesseln. Ben nahm den Hörer ab, sagte aber nichts. Tom begann zu reden. »Sorry, ich will hier nicht den Hornochsen markieren. Es ist nicht so, dass wir Ihnen nicht trauen, aber wir kennen Sie nicht. Sie verstehen das. Sie sind eine unbekannte Größe, das ist alles. Ich meine, Sie sind sicherlich ein toller Kerl, aber die Sicherheitsvorkehrungen hier drinnen gehen uns allen auf den Keks. Wir können ja nicht jeden herumschnüffeln lassen. Halten Sie durch und wir melden uns, wenn alles bereit ist. Oh, und die Sandwiches werden hier auf der Basis gemacht. Sogar das Brot. Wirklich hervorragend. Versuchen Sie das Roastbeef. Okay? Okay, großartig.« Dann brach die Verbindung ab. Ben legte den Hörer wieder auf die Gabel.

Toms Anruf hatte Ben keinen Grund gegeben, sich zu entspannen. Er erkundete den Raum. Absolut dicht. Keine Fenster. Kein Luftschacht, durch den etwas Größeres als eine nasse Bisamratte passen würde. Dasselbe im Badezimmer, das hinter einer kleinen Tür lag. Die Rohrleitungen unter dem Unterschrank des Waschbeckens waren in die Wand gemauert. Keine Revisionsklappe, wie man sie in Wohnhäusern fand. Kein Ausweg in der Richtung.

Ben schaltete den Fernseher ein und bekam seinen ersten Blick auf die Welt, die er seit Monaten nicht gesehen hatte. Er aß ein Roastbeef-Sandwich. Nicht schlecht. Nichts, was er für sein letztes Mahl ordern würde, aber es würde seinen Körper nähren und seinen Verstand scharf halten, bis Tom und Konsorten ihren gemeinsamen Scheiß auf die Reihe kriegten.

Plötzlich seiner Freiheit beraubt und damit auch des Frondienstes seiner Arbeit begann Ben, seinen Gedanken an Smith Island nachzuhängen. Er hätte niemals gehen sollen. Er hätte einen Weg finden können, das Gold näher an seiner Heimat zu verarbeiten. Nach New York City zu fliehen, erschien im Nachhinein als drastischer Schritt, aber wo hätte er sich sonst verstecken sollen? Er hatte im Ersten Golfkrieg gedient. Er war ein Lokalheld, ganz zu schweigen von seiner Reputation als geschätzter Künstler. Es gab böse Menschen, die wegen des Verlusts des Goldes sauer waren. Sie wollten es zurück. Ben musste das Handtuch schmeißen. Der Preis stellte sich bereits jetzt als fürchterlich heraus, sogar noch vor der Nachricht des heutigen Morgens.

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