Читать книгу IM FADENKREUZ - Robert Blake Whitehill - Страница 11
Kapitel 5
ОглавлениеDas Wartezimmer war großzügig mit Essen ausgestattet, also war Ben nicht überrascht, dass Stunden anstatt von Minuten ohne jeglichen Kontakt zu Tom oder sonst irgendwem vorübergingen. Er hatte reichlich Zeit zu überlegen, was hier vor sich ging. Die Nachricht heute Morgen war ein für das Militär typischer Fall von Beeilen und Abwarten. Tom hatte gesagt, dass es Dinge gab, die man für ihn vorbereiten wollte. Tom war zaghaft, beinahe verunsichert gewesen. Ben hielt ihn für einen schlechten Lügner, falls er dazu aufgefordert werden sollte. Egal. Das Essen war nicht mit Drogen versetzt. An den Verschlüssen der Wasserflaschen war nicht herummanipuliert worden. Und sie waren von einer Marke, die ihm bekannt war. Alles prima. Er war sich ziemlich sicher, dass er nicht für Folter oder Tod vorgesehen war. Aber wofür dann?
Die einzigen für ihn verfügbaren Informationen kamen aus dem Fernseher und er wäre durchaus auf dem aktuellen Stand gewesen, wenn er ein eigenes Gerät oder ein Radio besessen oder hin und wieder eine Zeitung gekauft hätte. Aber die Arbeit ließ ihm nicht die nötige Zeit, um sich über globale Ereignisse in auch nur annähernd regelmäßigen Abständen zu informieren.
Nachrichten hatten Bens Leben nie tangiert. Sogar, als er in der Navy diente, hatten nur seine Befehle gezählt. Es gab keine Kriege. Da waren nur Ecken und Kanten von Kriegen, für deren strafrechtliche Verfolgung er persönlich verantwortlich war.
Ben wusste, dass viele sagen würden, dass große und kleine Ereignisse auf der Welt sie auf einer persönlichen Ebene berührten, aber ihm kam es so vor, als wären sie gelangweilt oder würden sich etwas vormachen mit diesem fehlgeleiteten Sinn für Selbstherrlichkeit, den heutzutage jeder haben sollte. Oder sie waren von einem drückenden Verlangen nach Selbstbestätigung befallen.
Die Nachrichten berührten auch sie niemals wirklich, es sei denn ein Unglücksfall irgendeiner Art brachte ihnen das Scheinwerferlicht für ihre persönlichen fünfzehn Minuten des Warhol-Ruhms ein. Damit waren sie dann zufriedengestellt. Für Ben waren die Nachrichten dieser Tage nur ein weiteres Genre der Unterhaltung, zurechtgeschnitten aus Tratsch, Hörensagen und Blut, gesammelt von Journalisten und von Redakteuren und Produzenten zum Verkauf abgepackt. Ben fand, die einzige Wahrheit von Wert war, was vor ihm lag; seine Arbeit, seine wenigen guten Freunde und sein Zuhause. Momentan hatte er keinen Kontakt zu diesen drei Pfeilern seines Lebens. Er war allein, weit weg von Smith Island und nicht am Arbeiten, obwohl man einwenden könnte, dass Warten für manche eine Art von Arbeit war. Also aß er ein Sandwich und sah fern.
Ben hatte seine Vermutung, welchen Fehler er in den letzten Monaten begangen hatte. Er hatte spartanisch gelebt, den Keller so nackt wie möglich gehalten, um sich härter zur Arbeit anzuspornen. Es gab keinerlei Annehmlichkeiten. Er hatte sich bewusst dafür entschieden, es sich nicht bequem zu machen. Je eher das Gold zu Geld gemacht war, umso früher würde er nach Hause entlassen. Wenn er den Keller weniger trostlos gestaltet hätte, wäre er sich vielleicht weniger elend vorgekommen und wäre weniger dazu bereit gewesen, sich auf diese wahnwitzige Mission einzulassen. Seine Frau LuAnna hätte den Keller in einen Ort der Schönheit verwandeln können, aber sie war mit ihm gestorben. Sie war nicht in New York, konnte nicht helfen.
Ben hätte einen CD-Player kaufen können, um sich die heißen, elenden Stunden damit zu vertreiben, Chester River Runoff zu hören, seine Lieblings-Newgrass-Band. Er ahnte, dass sein Exil und seine Gefangenschaft in New York nicht nur eine taktische Notwendigkeit war. Es war eine Form der Selbstbestrafung. Wie lautete die Anklage? Ben wusste nicht, aufgrund welcher Beweise er verurteilt worden war. Als Ankläger, Richter und Jury hätte er das alles verstehen sollen. Und doch war er hier, seit Stunden auf einer Mission, über die er nichts wusste. Hatte er sich selbst zu Tode verurteilt? Er hatte keine Ahnung.
Jeder Bissen des Sandwiches schmeckte so ziemlich genauso wie der vorherige und jeder Sender leierte leicht variierende Reportagen über den Mord an einer Sängerin in Los Angeles herunter. Obwohl er von Luz gehört hatte, kannte er ihre Musik nicht. Die Songschnipsel in den kurzen Konzertrückblicken waren recht eingängig. Ihre Moves in den Videos waren sexy. Ihre Bemerkungen in den Interviews quollen über vor Lobgesängen auf ihre Fans.
Laut O-Ton hysterischer Mädchen auf der Straße war eine Heilige in ihrer Blüte zu Fall gebracht worden. Es war nicht so, dass diese tränenreichen Menschen die Sängerin persönlich gekannt hätten, aber sie glaubten, dass es so war, denn ihre Gefühle waren stark und schienen dadurch real. Gefühle waren keine Fakten, dachte Ben, egal wie intensiv. Es war nicht so, dass es heute Abend einen leeren Platz an ihren Esstischen gäbe, jetzt, wo die Sängerin gestorben war. Ihre Alben waren immer noch erhältlich, oder nicht? Und es würde vermutlich für eine Weile noch neue Musik herauskommen, indem unveröffentlichte Aufnahmen für den Verkauf zusammengestellt wurden, da ihr Tod deren Wert nur gesteigert hatte. Ben nahm an, dass die Konzertgänger am härtesten betroffen waren, aber auch nicht wirklich. Es würde keine Livekonzerte mehr geben, richtig, aber man versuche mal, einen Fan dazu zu bringen, zuzugeben, dass seine Aufmerksamkeit bei diesen Veranstaltungen meistens tatsächlich auf den Großbildschirmen lag und nicht auf der erbsengroßen Figur auf der Bühne, Hunderte von Metern unterhalb seines billigen Platzes im Rang.
Die Berichterstattung war monoton, hypnotisch, mit den gleichen Konzertausschnitten, die unaufhörlich wiederholt wurden, und den immer gleichen Bildern vom Tatort, wo Rettungspersonal versuchte, diejenigen, die an Leib oder Seele verletzt worden waren, zu behandeln oder einfach nur zu beruhigen. Es war klar, dass der Mord vor aller Augen geschehen und gewalttätig war, aber jeder, der sich vor Ort und in den Nachrichtenredaktionen damit befasste, war frustriert, dass die genaue Todesursache ungeklärt blieb.
Die Sängerin schien auf dem Rücksitz ihres Wagens explodiert zu sein, gerade als sie der Premiere eines Films beiwohnen wollte, in dem sie eine wichtige Rolle spielte. Wie explodiert? Keine noch so clevere Formulierung der Reporter konnte die Informationsbeauftragten und Pressesprecher des LAPD dazu bringen, Spekulationen zu Protokoll zu geben. Sie waren Profis und konnten die kleine Sammlung von Fakten auf zehn verschiedene Arten aufsagen, ohne neuen Aufschluss zu geben. Die sprechenden Köpfe waren offensichtlich zwiegespalten, ob sie die Behörden wegen dieses Mangels an Details zur Rede stellen oder sie aufmuntern sollten, um ihre Story auszudehnen. Die Reporter wollten keine Zuschauer an Langeweile verlieren, aber sie wollten auch den vollen Schockeffekt der Story nicht vor ihrem natürlichen Ende auf den Tisch legen. Die meisten der Journalisten vor der Kamera gaben sich damit zufrieden, die nächste Pressekonferenz aufzubauschen, womit sie die Last, die Geschichte fortzuführen, gerne den Behörden auferlegten.
Das Telefon auf dem Tisch zwitscherte erneut. Ben nahm ab. Tom sagte: »Hey, ich bin's. Wir sind nahe dran. Also machen Sie sich bereit, sich bereitzumachen.«
Ben schloss seine Augen und massierte seine Nasenwurzel. Tom fragte: »Haben Sie Kopfschmerzen? Da sind Aspirin und Ibuprofen im Badezimmer.«
Natürlich gab es eine versteckte Kamera im Raum. Ben hätte damit rechnen sollen und ging schnell die vergangenen Stunden durch, ob er seinen Aufpasser mit irgendwelchem eigenartigen Verhalten amüsiert hatte. In letzter Zeit, nach Monaten der Isolation, hatte er festgestellt, dass er zu Selbstgesprächen neigte. Es gab nichts, was er deswegen unternehmen konnte.
Ben sagte: »Nein, keine Kopfschmerzen. Von wie lange reden wir hier?«
»Tut mir leid, ich kann's nicht genau sagen. Aber es wird langsam dunkel, also darf ich wohl vorschlagen, ohne speziellen Grund natürlich, dass Sie sich von den Wasserflaschen fernhalten und unbedingt das Badezimmer benutzen.« Die Verbindung wurde beendet.
Ohne speziellen Grund folgte Ben Toms Anweisungen. Danach sammelte er das Ibuprofen und das Aspirin ein, nur für alle Fälle. Anstelle von Plastikdöschen gab es zwei Blisterstreifen von jedem im Medizinschränkchen des Badezimmers, was gut war, weil sie so nicht wie Maracas in seinen Taschen rasseln würden. Er steckte außerdem ein Sandwich in jede Jackentasche, gemeinsam mit zwei Packungen Erdnuss-M&Ms. Er würde bald irgendwo hingehen.
Zwei Stunden später war Ben kein bisschen schlauer, was den Mord an der Sängerin anging. Vielleicht hatte es neue Entwicklungen gegeben, aber er hatte den Fernseher abgeschaltet, teilweise aus Frustration über den Mangel an Bewegung in der Story, aber hauptsächlich um ein Nickerchen in einem der Sessel zu machen.
Er wurde vom schweren Schnappen der internen Türschlösser aus seinem Traum über ein Crab-Cake-Gelage geholt.
Tom steckte seinen Kopf durch die Tür. »Oh, hi«, sagte er, als wäre er aufrichtig überrascht, Ben dort immer noch vorzufinden. »Wir wären dann bereit für Sie. Sind Sie, Sie wissen schon… ein letztes Mal?«
Ben sagte: »Keine Kamera in der Latrine? Eine Minute.« Kurz darauf folgte Ben Tom aus dem Wartezimmer.
Nach einem umständlichen Weg durch ein Labyrinth aus Fluren und zwei weiteren Sicherheitsschleusen blieb Tom vor einer Metalltür stehen. Er wandte sich Ben zu und sagte: »Was würde ich geben, um zu tun, was Sie gleich tun werden. Aber Sie dürfen mit niemandem darüber sprechen. Falls Sie das tun, wäre das ein Verstoß gegen die nationale Sicherheit und Sie werden …«
»Ich werde gar nichts«, unterbrach Ben. »Du hast keine Ahnung, wer ich bin, und du wirst mich nie wiedersehen. Und falls du jemals jemandem meine Beschreibung gibst, ist das ein Verstoß gegen meine persönliche Sicherheit und ich weiß, wo du arbeitest, ich kenne deinen Namen und ein Hangar ist kein guter Platz, um sich zu verstecken. Verstanden?«
Der Junge wurde blass, fing sich aber wie ein Idiot. »Ach ja? Tom ist gar nicht mein richtiger Name.«
»Ach, sag bloß.«
Der Junge fischte einen Ausweis, der an einem Schlüsselband um seinen Hals hing, aus seinem Kragen und zog ihn durch das Schloss neben der Tür. Als die Karte den magnetischen Kartenleser verließ, passierten zwei Dinge. Das Türschloss schnappte auf und Ben schnappte sich die Karte in Toms Hand, wobei er hart am Schlüsselband zerrte und am Hals seines Trägers noch dazu.
Ben las die Karte laut und deutlich vor. »Tach auch, Winstedt, Samuel J.«
Winstedt alias Tom würgte ein leises »Scheiße« hervor.
»Also, Sam, verstehen wir uns, du und ich?«, fragte Ben.
»Ich schätze schon.«
Ben versuchte, ernst zu klingen, klang am Ende aber nur genervt. »Ernsthaft, Junge, kennst du meinen Namen oder weißt du, wie ich aussehe?«
»Ich habe keine Ahnung, ich schwöre.«
»Guter Junge. Gehen wir.« Ben ließ die Karte los.
Winstedt richtete sich auf und rieb seinen Nacken, wo das Schlüsselband einen roten Streifen hinterlassen hatte. Entmutigt öffnete er die Tür und Ben folgte ihm in die gewaltige Flugzeughalle.
Die Halle wurde von Deckenlampen in einem Maße beleuchtet, das Tageslicht übertraf, und deren Leuchtkraft eher eines OP-Saals angemessen war. Zu jeder Stunde konnte hier Wartung an militärischen High-Tech-Fluggeräten mit chirurgischer Präzision durchgeführt werden. Ben fiel auf, dass die Werkzeuge alle verstaut waren. Es lagen keine LRUs, modulare Flugzeugelektronik, herum. Alles sauber, ordentlich und einsatzfähig. Niemand hier außer Winstedt und ihm selbst und ihre Schritte hallten unter dem leichten Surren der Lampen.
Es gab nur ein einziges Flugzeug im gesamten Hangar. Ein Northrop Grumman RQ-4 Global Hawk UAV. Ein unbemanntes Luftfahrzeug. Die meisten Menschen nannten sie Drohnen oder, fälschlicherweise, Predators, was die bewaffnete Variante war.
Nun war Ben an der Reihe, »Scheiße« zu murmeln. Der Anblick des Flugzeugs ließ ihn erschauern und überspülte ihn mit unschönen Erinnerungen.
Sam Winstedt verstand ihn falsch und sagte: »Ich weiß. Großartig, oder nicht?«
Der Global Hawk war ein hochfliegendes Langstrecken-Aufklärungsflugzeug mit langen, schmalen Verbundtragflächen, geformt wie die einer alten U-2 und mit einer Spannweite von fünfunddreißig Metern. Ben wusste, ein Rolls-Royce Mantelstromtriebwerk mit einem Schub von zweiunddreißig Kilonewton konnte das Fluggerät auf eine Reisegeschwindigkeit von dreihundertfünfzig Knoten bringen, bei einer Dienstgipfelhöhe von fünfundsechzigtausend Fuß. Beeindruckende Daten, wenn der Vogel richtig funktionierte.
Winstedt lächelte Ben an. »Wissen Sie, was das ist? Schon mal eine gesehen?«
»Ich hab gesehen, wie ein paar davon ohne beschissenen Grund aus dem Himmel gefallen sind. Musste für die Wracks hinter feindlichen Linien in der Wüste den Babysitter spielen, bis die Transport-Helis und deine Spitzelbrüder kamen, um sie zu bergen. War das ein Spaß.«
Winstedt verteidigte das Flugzeug, als wäre es seine Liebste. »Die waren aus der ersten Produktionsreihe! Das waren praktisch Prototypen, Gott noch mal. Die hatten da draußen nichts zu suchen, bevor sie vollständig getestet und ausgewertet waren, aber sie wurden nun mal dringend gebraucht.«
Ben fragte: »Winnie, warum bin ich hier?«
»Hab ich schon gesagt, ich habe keine Ahnung, warum oder sogar wer Sie sind. Aber wir haben den ganzen Tag damit verbracht, große Teile der integrierten Sensoreinheit, des Überwachungspakets, auszubauen, weil jemand mit einer Menge Einfluss das befohlen hat. Für Sie.«
Ben zögerte zu fragen: »Was habt ihr dafür eingebaut?«
»Das PTM.«
»Deutsch, Winnie.«
»Personal-Transport-Modul.«
»Personaltransport. In dem Ding? Ich?«
Winstedt geriet ins Schwärmen und begann, schneller auf das Flugzeug zuzulaufen. »Ich habe drin gesessen und es ist wirklich bequem. Der Sitz ist von Oregon Aero. So weich, wie's nur geht. Es gibt ein Leselicht und ein SiriusXM-Radio sowie ein volles Komm-Paket nach Militärstandard. Airconditioning und Heizung. Das lenkbare Gesamtrettungssystem stößt einen großen Fallschirm in zwei Sekunden aus im unwahrscheinlichen Fall, dass etwas schiefläuft, zum Beispiel, wenn Sie sich eine Flugabwehrrakete einfangen. Ich meine, wenn Sie irgendwo hinwollen und es keiner merken soll, dann ist das genau das Richtige. Schlägt eine C-130 um Längen. Aber keine Toilette in der Generation. Hat nicht reingepasst. Daher bekommen sie eine GEMA. Gefäß zur Evakuierung menschlicher Abfälle. Auch bekannt als Pinkelflasche. Der Deckel ist manchmal nicht dicht, also bitte nicht herumschlenkern, wenn sie voll ist.«
Ben kam es wie eine Ewigkeit vor, bis sie den Hangar durchquert hatten, und das Flugzeug wurde immer größer. Sicherlich war dies das größte UAV, dass er je in einem Stück gesehen hatte. Die Gehäuseklappe am Bug stand offen und enthüllte eine signalgrüne Kapsel von der Größe eines Smarts. Die Kapsel besaß eine Einstiegsluke wie eine kleine Autotür und ein Bullauge. Er stieg bestimmt nicht in dieses Ding.
Ben fragte: »Wo genau soll es eigentlich hingehen?«
»Das ist Need-to-know«, antwortete Winstedt. »Kenntnis nur bei Bedarf. Sie fliegt autonom. Ich habe mich persönlich davon überzeugt, dass der codierte Flugplan per Satellitenverbindung hochgeladen wurde, kurz bevor ich kam, um Sie zu holen, aber ich bin nicht befugt, ihn zu entschlüsseln. Unser Operator wird den Start per Fernsteuerung handhaben und die Landung wird von jemand anderem irgendwo anders durchgeführt. Pensacola vielleicht, aber das ist nur geraten. Ihr Signal wird verfolgt werden, denke ich mir, aber alles dazwischen läuft automatisch ab, die Wegpunkte, die Höhenlevel, die Grundgeschwindigkeit, all das. Sie werden da oben bei den Engeln schweben, frei wie ein Vogel. Ich verrate Ihnen ein Geheimnis und jetzt kommt's dick. Ben, in Zeiten nationaler Notstände ist dies Air Force Two. Es ist eigentlich das Reservefahrzeug des Vize-Präsidenten.«
»Und kein Lokus? Na, das passt. Kann euer Operator was?«
Winstedts Schamesröte war im grellen Licht deutlich zu sehen. »Sie ist die Beste, die es gibt. Tatsächlich gehen wir zurzeit miteinander aus. Ich meine, als ich sie vor ein paar Monaten um eine Verabredung bat, hat sie nicht gerade Nein gesagt, oder? Wir warten nur darauf, dass unsere Schichtdienste zusammenpassen.«
Ben sagte: »Um Himmels willen, Winnie. Du machst mich fertig.«
Ben bekam mit, dass es noch jemand anderes durch den Hangar geschafft hatte. Er wandte sich um. Es war ein Mann, ähnlich wie Winstedt gekleidet, aber mit rötlichen Haaren und einem schlanken, drahtigen Körperbau, etwa eins-achtzig. Als er näherkam, bemerkte Ben ein kleines Muttermal an seinem Kinn. Er trug einen Aluminium-Aktenkoffer.
Der Typ hielt offensichtlich genauso viel von Bens Äußerem wie Winnie heute Morgen. Er übersprang das Händeschütteln und die Bekanntmachung. »Sie sind ganz schön schwer aufzutreiben.«
»Aber nicht unmöglich«, entgegnete Ben.
»Nein. Nicht unmöglich. Nicht für uns, so viel steht fest. Hier.« Der Mann mit dem Muttermal reichte Ben den Aluminiumkoffer. Es war mit einem Zahlenschloss verriegelt. »Sie bekommen die Kombination, wenn Sie in der Luft sind. Kriegen Sie das hin, Sportsfreund?«
»Oje, ich denke schon. Aber ich wollte noch etwas fragen.«
Das Gesicht des Mannes mit dem kleinen Muttermal am Kinn erhellte sich bei der Aussicht darauf, entweder nützlich oder nervig zu sein, oder vielleicht beides. »Klar. Was denn?«
»Heute Morgen sind Sie, glaube ich, einer Freundin von mir begegnet?«
Der Agent lächelte verschlagen. »Glaub schon. Irgendwie sexy, in so 'ner Ghetto-Art.«
Ben riss den Aluminiumkoffer schnell und heftig nach oben, direkt in das kleine Muttermal. Der Aufprall hallte durch den Hangar wie der Knall einer Pistole. Mister Muttermal tanzte rückwärts, mit Armen und Beinen rudernd wie ein menschlicher Windpark. Dann verlor er endgültig das Gleichgewicht und knallte unsanft auf den Boden.
Winstedt war sprachlos, die Augen aufgerissen.
Ben ging auf Muttermal zu und beugte sich über ihn. »Nur unter uns, du wirst sie niemals wiedersehen. Falls doch, werde ich dich finden.«
Ben zerrte so fest am Ausweis des Mannes, dass das Schlüsselband riss. Ben las die Karte laut vor. »O'Connor, Brian C. Hast du verstanden, Brian? Noch wach?« Ben wuchtete zweimal seinen Stiefel in O'Connors Rippen. »Ich möchte nicht, dass irgendwelche Zweifel bestehen, was das angeht. Bestätige!«
O'Connor rollte auf seine unverletzte Seite, während seine Zunge lockere Zähne hinter seinen blutigen, aufgeplatzten Lippen abtastete und herumschob. Er nickte, reichlich sauer.
Ben ließ den Ausweis fallen und wischte mit seinem Ärmel eine Schliere Blut vom Koffer. Er drehte sich zu Winstedt, dessen Augen immer noch so groß wie Golfbälle waren. »Okay, Winnie. Sag deinem Mädel, der Start sollte besser sanft werden, denn offen gesagt bin ich nicht in Stimmung. Los geht's.«