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KAPITEL 4

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Bucky schmeckte ganz okay nach Timon Pardues Einschätzung, aber trotzdem würden Chili-Pferdesteaks niemals an die Köstlichkeiten von Sammys Hot Dog Company an der Bundesstraße 92 herankommen. Seine Feldflasche voller Jack Daniels half ihm beim Herunterspülen. Im Exil, auch im selbstauferlegten Exil, waren Annehmlichkeiten zu genießen und gewisse Standards dennoch aufrechtzuerhalten.

Er hatte sich gut ausgerüstet, bevor er in die Wildnis gezogen war, und hatte sich deshalb nicht neu bevorraten müssen. Der Mangel an menschlichem Kontakt, selbst so geringem, wie er einem beim Schnapskaufen widerfuhr, machte sich mit der Zeit deutlich bemerkbar. Pardue redete mittlerweile schon mit seinen schwindenden Tieren und dachte sich nichts weiter dabei. Mit genug Jack Daniels würde es nicht mehr lange dauern, bis er seine Hosen hochkrempelte und die Sterne anschrie, überzeugt davon, den ungesehenen Massen undokumentierter Eindringlinge aus dem Süden Angst einzujagen. Bevor er das Bewusstsein verlor, murmelte er etwas an die undankbaren Bürger von Cochise County und widmete ihnen ein Gebet, in dem er ihnen die Beulenpest und andere Demütigungen an den Hals wünschte.

Da das übliche Ziel des Abends schon fast in Reichweite war, brauchte Pardue ein paar Sekunden, um zu begreifen, dass diese neue Stimme nicht seine eigene war, und auch um seine Glock zu ziehen.

Auf nichts Bestimmtes zielend, lallte er mürrisch: »Wer ist da? Zeig dich gefälligst!«

Die Antwort, gedämpft von dazwischenliegenden Felsen, die der Sprecher wohlweislich zwischen sich und den bewaffneten, betrunkenen Pardue platziert hatte, kam sofort. »Ich bin’s, Timon. Sam Wimble. Nicht schießen, bitte! Nimm die Waffe runter, okay?«

»Zeig mir deine Hände«, knurrte Pardue. »Und komm schön langsam ins Licht, wo ich dich sehen kann.«

Es war beinahe Schlafenszeit für Pardue. Er hatte das Feuer deshalb runterbrennen lassen. Wimbles Wampe und die staubigen Spitzen seiner Cowboy-Stiefel waren das Erste, was Pardue zu Gesicht bekam, der Rest seines alten Freundes folgte kurz darauf.

»Bist du allein?«, fragte Pardue.

»Nur Lobo und ich.« Wimbles Bluthund trottete jetzt hinter ihm in den Schein des Feuers. »Ich schwör’, du liest zu viel Louis L’Armour Westernkrimis.«

Pardue holsterte daraufhin seine Waffe. »Zuviel Louis L’Armour Westernkrimis gibt’s gar nicht. Willst du ‘n Drink?«

»Wenn du mich schon so fragst«, sagte Wimble. »Was ist das denn für ein Geruch?«

Als Pardue Whiskey in eine Blechtasse goss, sagte er: »Schätze mal, das ist Bucky. Hab‘ wohl vor dem Braten nicht das ganze Fell abgekriegt.«

Wimble nahm sich einen Moment, um das zu verdauen, und nutzte die Zeit, um aus seiner Tasse zu nippen. Pardue war dankbar für die Gesellschaft, aber Wimble, oder Deputy Wimble, der diensthabende Polizist und erstes Opfer des Richterin-Vasquez-Fiaskos, wäre nicht seine erste Wahl gewesen. Er schaffte es noch nicht mal in die Top 100, was das anging. Aber ein anderes menschliches Wesen war immer noch besser als nichts und sie hatten zusammen gearbeitet und waren beide im Namen der Political Correctness geopfert worden.

»Du hast mich gefunden«, sagte Pardue nach einer Weile. »Willst du dann jetzt die ganze Nacht nur dasitzen oder hast du mir auch was mitzuteilen?«

In Anbetracht der Mühen, die sich Wimble offensichtlich gemacht hatte, um ihn aufzuspüren, erwartete Pardue mindestens eine Entschuldigung für den dümmlichen Schlamassel, der ihn seinen Job gekostet hatte, das war jedoch nicht das, was er bekam.

»Da gibt’s ‘n paar Leute, die nach dir suchen, Timon.«

Das war unerwartet. Pardue hatte nämlich kaum Freunde. Er war seit neun Jahren geschieden und seine Frau hatte sich so schnell und erfolgreich neu verheiratet, dass es ihn immer noch maßlos ärgerte. Er und seine beiden Kinder sprachen auch nicht mehr miteinander. Er war ein strenger und manchmal sogar grausamer Vater gewesen und heutzutage, da Kinder neu definierten, was als Familie galt, und Blutsverwandtschaft offenbar nicht mehr zu zählen schien, wurde Disziplin nicht mehr geschätzt. Pardue gab verweichlichten TV-Psychologen und überladenen Selbsthilfe-Sektionen in Buchläden die Schuld für den Zerfall seines kleinen Clans.

Pardue sagte: »Geht mich nichts an und du sagst lieber keinem, wo du mich gefunden hast. Absolut niemandem. Ich zieh’ sowieso alle paar Tage weiter, nur, dass du’s weißt.«

»Ein richtiger Gesetzloser, vogelfrei. Also bist du morgen Abend hier oder einen Tagesritt weit entfernt?« Wimble war ein richtiger Klugscheißer, aber leider nicht sehr klug. Er hielt Pardue seine Tasse entgegen.

»Sam, was willst du hier?« Pardue wägte bereits die nachlassende Freude an Wimbles Gesellschaft gegen den beträchtlichen Schwund seines Whiskey-Vorrats ab. Wimble war fett, zweifellos, aber eine vergrößerte Leber machte den Großteil seines Bauches aus.

»Ich bin’s nicht allein, Timon. Du bist irgendwie berühmt geworden, nach allem, was passiert ist.«

Pardue schnaubte. »Ich hab’ die Abstimmungsergebnisse gesehen. Wer auch immer behauptet hat, es gäbe keine schlechte Publicity, ist ein verdammter Idiot.«

»Schätze schon, meistens jedenfalls. Aber wenn sich eine Tür schließt, geht woanders ein Fenster auf.«

Pardue strafte seinen früheren Hilfssheriff mit einem ungeduldigen, stechenden Blick. »Danke für deinen Besuch, Sam. Ist schon spät, du gehst jetzt besser.«

»Klar, Timon. Daheim schläft sich’s schließlich am besten.« Wimble nahm daraufhin Anlauf und kam endlich zur Sache. »Aber wie gesagt, es gibt Leute, die nach dir suchen. Die sind stinksauer, dass man dich den Löwen zum Fraß vorgeworfen hat. Haben die Nase voll vom CBP, das ständig groß ‘rumtönt, es würde was getan werden, und dann passiert wieder nix. Wie sie Teile der Grenze absichern und wir uns allein mit vier oder fünf Mann durchschlagen müssen, wenn wir fünfzig bräuchten. Wir sind jetzt der Flaschenhals. Cochise ist das weit offene Loch im Zaun und die ganzen Illegalen wissen das ganz genau.«

Wimble hielt ihm wieder seine Tasse hin. Pardue wollte sie nicht auffüllen, tat es aber doch. Die Feldflasche wurde immer leichter. Neugier, in Kombination mit Jack Daniels, machte Wimble nun schon beinahe interessant.

Nach einem weiteren großen Schluck sagte Wimble: »Diese Leute, von denen ich rede, die sind sauer, aber die gehören nicht zu denen, die ums Gurkenfass sitzen und rummeckern. Die wollen aktiv werden.« Wimble hatte aktiv besonders betont, auf die gleiche Weise, wie Personalverantwortliche Bewerber mit gepflegter Ausdrucksweise bevorzugten und damit eigentlich keine Ausländer meinten. »Timon, du bist schon so lange hier draußen, dass du gar nicht weißt, dass man dich inzwischen für einen richtigen Helden hält.«

»Ich werde mich ganz bestimmt nicht noch einmal zur Wahl aufstellen lassen.«

Wimble sah für einen Augenblick verwirrt aus, dann setzte er wieder diesen verschwörerischen Blick auf. »Niemand hat gesagt, dass du wieder für das Sheriff-Amt kandidieren sollst. Diese Leute, von denen ich rede, die haben keine Zeit für diesen Quatsch, genauso wenig wie du. Himmel, die Hälfte von denen glaubt, dass es überhaupt kein politisches Amt mehr gibt, das noch einen Pfifferling wert ist. Die glauben noch nicht einmal an Politik. Die sind eher proaktiv. Die handeln selbstbestimmt.«

Pardue konnte sich nun nicht mehr zurückhalten, deshalb fragte er: »Wer sind die

»Rancher, Viehzüchter hauptsächlich. Sogar welche, deren Farmen nicht an die Grenze stoßen.«

Pardue verstand das Ganze jetzt langsam besser. »Ach du Scheiße, Wimble. Die Kerle haben ‘nen Hass auf die Illegalen, aber die wollen genauso sehr Rabatz machen, weil sie ihre Weidegebühren nicht zahlen wollen. Die hören den ganzen Tag America, Why I Love Her, als wär’s die Gettysburg-Ansprache.«

Wimble plusterte sich empört auf. »Mach‘ dich bitte nicht über den Duke lustig, Timon. Nicht vor diesen Jungs. Ich meine, John Wayne ist für die ein Held. Aber er ist nicht hier, um jemanden anzuführen, Gott hab’ ihn selig. Und es sind nicht nur Kerle. Es gibt auch ‘ne Frau im Komitee.«

»Adele Congreve.« Pardue spuckte ins Feuer.

Wimble schaute ihn überrascht an. »Das stimmt.«

Pardue kannte Miss Adele, wie sie sich gern nennen ließ, ziemlich gut. Eine dynamische, wohlhabende, ordinäre Frau, die von ihrem Ehemann, dem Viehzüchter und Ölmagnaten Ricky-Ray Congreve, beerbt worden war. Sie war irgendwo in den Fünfzigern, wahrscheinlich für immer, und gehörte zur festen Einrichtung des Stadtrats. Davor hatte sie bei allen Meetings in der ersten Reihe gesessen und ihre diversen preisermäßigten Schönheitsreparaturen und -operationen, Einspritzungen und Absaugungen zur Schau gestellt. Die Frauen der Rancher hatten ihrer Double-R-Ranch die Bezeichnung Doppel-D gegeben. Sie wusste das und es war ihr herzlich egal. Die Frau kontrollierte ihre Zäune immer noch selbst und packte mit an, soviel war sicher.

Congreve reiste immer von ihrer Ranch zu den Ratstreffen in Bisbee in einem Konvoi aus nicht weniger als drei geschwärzten, gepanzerten Chevy Suburban. Die Einheimischen tauchten immer bei den Meetings auf, um darauf zu wetten, welcher der drei Wagen sie letzten Endes ausspucken würde, da sie aus Angst vor Kidnappern jedes Mal in einem anderen Wagen fuhr.

An heiteren Tagen, wenn Adele Congreve nicht so sehr nach einer Parade war, flog sie mit dem Hughes OH-6 Cayuse ihres verstorbenen Mannes zum Helikopterlandeplatz des Copper Queen Hospitals. Es war eine ausrangierte Version des AH-6 Kampfhubschraubers, den Ricky-Ray in Vietnam geflogen hatte, und er hatte seiner Frau beigebracht, ihn ebenfalls zu fliegen. Mit Adeles bewaffnetem Bodyguard auf dem linken Sitz erinnerte es noch mehr an das Killer-Ei, das ihr Mann auf seinen Missionen geflogen hatte. Sie landete normalerweise auf dem Dachlandeplatz der neuen Notaufnahme, für den sie bezahlt hatte, um ihr Oxycodon-Rezept abzuholen, was sie nur in ihrer Freizeit nutzte oder wenn Ricky-Rays Abwesenheit ihr besonders zusetzte.

Mit dem Rezept in der Hand verließ sie die Notaufnahme immer in einem der drei Suburban, die vor der Tür auf sie warteten. Adele verabscheute die illegalen Einwanderer, die von der Grenze aus über ihr Grundstück wanderten. Dies kam einigen Leute reichlich verlogen vor, da die Mutter ihres geliebten Ricky-Rays selbst aus Chiapas stammte.

Auf die Erwähnung ihres Namens hin dachte Timon Pardue nicht zum ersten Mal darüber nach, dass Adele Congreve eine komplexe und vielleicht missverstandene Frau war.

»Und was will sie von mir?«, fragte Pardue nun.

»Sie will sich nur mal mit dir treffen. Sie und ein paar andere«, erklärte Wimble.

»Mir gefällt’s hier aber ganz gut.«

»Dann trefft euch doch hier. Timon, die meinen’s ernst. Du bist ihr Mann. Lass sie doch einfach mal reden.«

Timon war inzwischen gelangweilt und einsam genug, um intelligente, verständnisvolle und bemitleidende Gesellschaft nicht einfach abzulehnen. Jetzt den Schüchternen zu spielen, würde nur bedeuten, den durstigen Wimble noch länger hierzuhaben, als Pardue lieb war.

»Sam, mir ist wirklich egal, was diese Leute vorhaben. Wenn sie sich hier rausschleppen wollen, um mit mir zu reden, kann ich sie nicht davon abhalten. Das ist schließlich ein freies Land.«

»Damit hast du verdammt recht, Timon. Und wir wollen sicherstellen, dass es das auch bleibt.«

IM AUGE DES FEUERS

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