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Kapitel III

Am Rinah, Juno 772

So prahlerisch der Händler vom Rinah geklungen hatte, die Wirklichkeit war schlimmer: Wochen zuvor war eine tausend Kopf starke Sachsenhorde von ihren westfälischen Grenzfestungen aus am Rinah stromaufwärts marschiert. Sie mordeten was sich ihnen in den Weg stellte, sie raubten Pferde und Frauen und plünderten die Altargefäße der Kirchen. Was brennen konnte, zündeten sie an. Als der Frankenkönig Karl endlich den langen Weg von Burgund nach Kolna am Rinahufer zurückgelegt hatte, war der Feind längst abgezogen. Zunächst blieb dem zornigen Herrscher nichts, als einige Tage Fasten anzuordnen und Zwiesprache mit Gott im Gebet zu suchen. Dann nahm er mit seinem Gefolge im nahegelegenen Edelhof eines Vasallen Quartier, um das weitere Vorgehen zu beraten. Zunächst galt es, sich ein Bild von den angerichteten Verwüstungen zu verschaffen.

Einer der Gefolgsleute, die dabei mittaten, war ein schmächtiger, nicht mehr ganz junger Mann mit ernstem Gesichtsausdruck, gekleidet in graue und blaue Stoffe, die feiner waren als das fränkische Leinen. Er sprach ein Fränkisch fast ohne Akzent, und nur die Hofleute, die selbst am Moyn aufgewachsen waren, ahnten, dass Einhards Familie in jener Region beheimatet war.

„Einhard von …?“

„Einhard. Nichts weiter.“

Der Schreiber stutzte. Die Spitze des Federkiels schwebte über dem dicken Pergament, auf dem bereits das Zeichen des Königs mit seinem Siegel angebracht war.

„Soll ich Euren Vater dazusetzen, Herr?“

„Nein.“

Durch die geöffneten Fenster sah Einhard die Krieger im Hof auf die Pferde steigen. Aber der Schreiber gab noch nicht auf.

„Manche Consiliari lassen noch ihre Familie …“

„Werdet endlich fertig!“

Ein letztes Zögern, dann fuhr die Feder des Kanzleisekretärs abermals über das Schriftstück, das bei Amtleuten, Äbten und Grafen Einhards Zugehörigkeit zum königlichen Gefolge bestätigen würde.

„Schert Euch nicht um das Pergament, Consiliarius!“ Es war die scheppernde Stimme Graf Ruodberts, die vom Hof durchs offene Fenster drang. „Beim Bart von Petrus, Ihr braucht keinen Pass, wenn Ihr mit dem Befehlshaber der Scara reitet!“

Einhard verstaute beim Hinauseilen den Freibrief in seiner Schultertasche und stieg eilig in den Sattel seiner Stute.

„Ich hätte Euch rasch eingeholt, Graf!“

Ein Knurren kam aus Ruodberts Kehle; der dicke, grausilberne Haarbusch gab dem Führer der königlichen Leibwache etwas von einem alternden Löwen.

Neidisch verglich Einhard die Mähne mit seinem eigenen, immer dünner werdenden Haar: verdorrtes Gras im Spätsommer.

„Wer hat Euch überhaupt angewiesen mitzureiten? Bischof Fulrad?“

„Der König“, sagte Einhard schnell. Tatsächlich hatte der Herrscher ihn nach Einhards Rückkehr aus dem Süden einoder zweimal angehört, zwischen Bad und Jagd, mit halbem Ohr; viele vermeintlich kluge Ratgeber drängten sich um den Herrscher, und längst nicht jedem mochte der Herrscher zuhören. Wie weit man dem Papst entgegenkommen durfte oder musste, darum ging es immer wieder. Und als hätte Karl keine sonstige Verwendung für den so schmächtigen Diplomaten, ließ er ihm irgendwann den Auftrag geben, Ruodberts Erkundung am Rinah zu begleiten.

„Und warum glaubt der König, dass wir zum Zählen zerstörter Städte einen Ratgeber brauchen? Was?“ Das Wort, nichts anderes als die Übersetzung von ‚Consiliarius‘, klang in Ruodberts Mund wie ‚Hofnarr‘.

„Da sind einige Königshöfe zwischen Kolna und Sanctos, die mit ihren Abgaben im Rückstand sind. Der König will, dass sie Zaumzeug und Waffen herstellen und Reitpferde liefern. Das wird meine Botschaft an die Amtleute sein.“

„Falls sie noch am Leben sind!“ Ruodbert spuckte aus. „Die Sachsen haben alles abgefackelt.“

Schon setzte sich die Gruppe von einem halben Dutzend Offizieren in Bewegung, gefolgt von einer langen Doppelkette von Kriegern. Das erste Stück Weg war mit Steinen gepflastert, weithin war das Getrappel der Hufe zu hören. Doch schon am Ufer des Rinah endete die Römerstraße. Felder dehnten sich um sie herum, die sanft zum Fluss hin abfielen. Die Sonne hatte sich zwischen den Wolken hervorgearbeitet und beschien eine fast schon liebliche Landschaft – ein milder Frühsommertag stand bevor.

„Was habt Ihr da zwischen den Beinen, Consiliarius?“

„Wie?“

„Das Tier da.“ Unterdrücktes Gelächter kam von hinten; die Hauptleute schätzten den Humor ihres Anführers.

„Meine Stute? Sie hat mir über die Jahre treu gedient.“

„Das Fell ist stumpf wie bei einem toten Hund. Ihr braucht ein Ross, das zwölf Stunden Ritt durchhält ohne zu lahmen! Wir ziehen schließlich in den Krieg.“

„Nicht so schnell, Graf! Der König hat noch nicht über einen Feldzug entschieden.“

„Macht Eure Augen auf“, schnaubte Ruodbert unwillig, denn Einhards prompte Antwort gefiel ihm nicht. „Der Sachsenherzog Widukind hat die Engern- und Falenstämme geeint! Sie waren uns tributpflichtig. Ihr wisst, was das bedeutet!?“ Der Heerführer ritt jetzt schneller, fast schon im Galopp.

Einhard trieb sein Pferd an, um auf derselben Höhe zu bleiben. „Wenn wir nach Norden ziehen und Krieg gegen Widukind führen – wie schützt Ihr gleichzeitig Rom? Der König hat dem Papst Schutz versprochen gegen die Langobarden …“

„Hört auf mit Rom! Wir sind Franken, und dies ist fränkische Erde!“ Misstrauisch starrten Einhard graublaue Augen unter drahtig wuchernden Brauen an. „Wo kommt Ihr überhaupt her? Warum habe ich Euch noch nie im Gefolge gesehen?“

„Ich war lange in Italien. Mein Herr leitete die Gesandtschaft beim Heiligen Vater.“

Eine Art Grunzen entwich Ruodberts Kehle, ein Geräusch von urwüchsigem Zorn. „Ihr habt Euch das ausgedacht, dass wir dem alten Sack unsere Schwerter leihen sollen? Der Papst kann sich noch nicht mal gegen seine Römer wehren, bei allen Heiligen! Weil diese Stadt ein einziges Loch von Heuchlern und Meuchlern ist!“

„Drückt Ihr Euch gegenüber dem König auch so freimütig aus!?“

„Seid Ihr der König? Ihr seid nur ein Consiliarius mit zu viel Ehrgeiz …“ Ruodberts Reitpeitsche klatschte auf die Kruppe des Apfelschimmels, der in Galopp überging. Verunsichert drückte Einhard seiner Stute die Hacken in die Seite.

„Was habt Ihr da gesagt?“

„Gilerito nennen sie Euch, richtig? Ihr seid dieser Bücherleser!“

„Man wird nicht dümmer von Büchern.“

„Pah! Könnt Ihr Widukind mit Pergamenten Angst machen, ja? Habt Ihr jemals ein Schwert geführt?“

Schuldbewusst berührte Einhard das Kurzschwert an seiner Seite, das eigentlich nur ein langes Messer war. Keiner der Krieger hinter ihm, der nicht ein Langschwert am Gürtel hatte; niemand, der nicht schon das Blut eines Feindes vergossen hatte.

Der Gegenwind hatte Ruodberts Umhang zurückgeweht, und nun sah Einhard den goldenen Armreif am linken Oberarm. Der Kriegsmann tippte mit der rechten Hand auf eine zwei Zoll lange Verdickung auf dem Reif. „In dieser Kapsel ist eine Locke von Chlodwig dem Heiligen! Einer meiner Vorväter rettete ihm in der großen Alemannenschlacht das Leben. Chlodwigs Kinder haben Frauen meines Geschlechts zum Weib genommen. Aus welcher Familie seid Ihr?“

„Mein Vater war Amtmann eines Königsguts, am oberen Moyn.“

„Amtmann …?! Und dessen Vater?“

„Hufschmied“, sagte Einhard tonlos.

Ruodbert warf ihm einen ungläubigen Blick zu, wie ein Pferdehirt, der eine Ziege unter seinen Rössern entdeckt. Plötzlich ritt er nur noch im Trab, denn Fahrrillen von Wagenrädern zwangen sie zu langsamerer Gangart.

„Bei Gott, Ihr habt es weit gebracht, Einhard vom Moyn“, lachte der Heerführer krächzend.

„Was ist daran komisch?“, fragte Einhard eisig.

„Gar nichts.“ Ruodbert fuhr sich mit einer Hand über das kantige, graustopplige Kinn. „Aber Ihr werdet wenig Freude am Hof haben.“

„Was soll das heißen?“

„Wegen Bischof Fulrad. Der fette Vorbeter hat Karl mit seinen König-David-Geschichten so beeindruckt, dass er ihn zum Leiter der Hofkapelle und der Kanzlei gemacht hat.“ Er blickte Einhard spöttisch – oder mitleidig? – an. „Fulrads Gunst ist für Euch Consiliari wichtiger als der Allmächtige selbst, gilerito!“

„Ach ja? Ein kluger Mann kann mit jedem auskommen.“

„Ziegendreck!“, gab der Kriegsmann zurück. „Es gibt zwei Arten von Gefolgsleuten, die der Hofkapellan nicht duldet: Menschen, die klüger sind als er selbst, und Leute ohne Abstammung. Gehört Ihr zu einer dieser Gruppen?“

+ + + + +

Als die Scara-Hundertschaft unter Führung Graf Ruodberts schließlich wieder nach Kolna zurückkehrte, erfuhren sie, dass der König mit dem Gefolge nach Aquisgranum weitergezogen war; die Pfalz konnte mit warmen Bädern und anderen Annehmlichkeiten aufwarten.Diese letzte, in militärischem Tempo gerittene Etappe war noch einmal eine brutale Probe für Einhards Wirbelsäule. Er murmelte Dankgebete, als sie am Nachmittag endlich das gut gesicherte Tor der Pfalzanlage erreichten.

Um die Königshalle wucherten Baugerüste in die Höhe, und der Beginn eines mächtigen Runds wuchs einen Steinwurf weit von der Halle empor, wo eine Kapelle aus Sandsteinquadern entstand. Das lärmende Durcheinander von Steinmetzen und Mörtelmischern, von Lasten- und Wasserträgern verdrängte die Bilder von Trümmern und Toten, die sie mitbrachten. Die Pfalz wuchs!

Der Herrscher war nicht auf der Jagd, und er war auch nicht in der neu errichteten Badeanlage, sondern in seinen Gemächern. Doch dort prallte Einhard ab. Ein Empfangszimmer – das hatte es früher gar nicht gegeben!

„Zum König? Das will jeder … Haltet Euch an die Audienzstunden.“

Der Sekretär hinter dem Eichentisch hatte eine Mönchstonsur und Tinte an den Fingern – einer der Schriftkundigen der Hofkapelle also, die den Regierungsapparat des Königs bildete. Zwei breitschultrige Scarakrieger im Lederpanzer lehnten links und rechts des Tisches auf ihren Speeren. Der eine kaute stoisch auf einem Grashalm, wie ein Rind.

Einhard räusperte sich. „Hört zu, ich komme gerade vom Oberlauf des Rinah zurück. Wir sind bis Sanctos geritten! Der Herrscher selbst hat mich beauftragt …“

„Der König ist beschäftigt.“

„Dann bringt mich zum Bischof!“

Der Sekretär prüfte seine tintigen Fingernägel. „Das geht nicht.“

„Und warum nicht?“

„Weil er beim König ist.“

Einer von Fulrads Leuten reichte aus, Einhard den Zugang zur Macht zu verwehren. Schließlich war Einhard nur ein Consiliarius mit zu viel Ehrgeiz … dass selbst der Befehlshaber der Scara von diesem Prädikat gehört hatte war ein Warnzeichen: Einhard musste sich demütiger geben. Doch Ehrgeiz glomm in ihm wie ein Wurzelbrand. Er konnte nicht sagen, woher dieses Streben nach Höherem kam. Wenn es von Gott kam, warum hatte er ihn nicht in ein altehrwürdiges Geschlecht hineingeboren? Kam der Drang hingegen vom Leibhaftigen, dann … er dachte den Gedanken nicht zu Ende.

Vor seiner Kammer, die er im Unterkunftsgebäude der Kanzlisten bezogen hatte, wartete ein schlaksiger Kerl mit tief in die Stirn fallenden schwarzen Haarsträhnen. Die Daumen hatte der Jüngling lässig hinter den Gürtel gehakt. Er hatte lange Wimpern und schöne Augen, fand Einhard – sofern ein Mann schöne Augen haben kann.

„Mein Name ist Tristan, Herr. Der Leiter der Kanzlei hat mir erzählt, dass Ihr einen Schreiber braucht.“

„Einen schreibkundigen Diener, richtig …“ Er musterte den Empfohlenen mit einem kritischen Blick. „Nimm die Hände aus dem Gürtel, das sieht respektlos aus!“

„Der Gürtel war am Rutschen, Herr.“

„Ein loses Mundwerk hast du jedenfalls …“ Einhard zog einen Mundwinkel hoch. „Lass mich raten – du kommst aus Kolna?“

„Ja“, grinste der Jüngere. „Mein Vater ist Bierbrauer. Aber ich hab’ drei ältere Brüder.“

„Und dich haben sie auf eine Schule geschickt … Kennst du die Namen der dreißig wichtigsten Familien des Reiches?“

„Der wichtigsten fünfzig, Herr! Ich hab’ dem Erzbischof gedient.“

„Der hat dich wegen deiner Zottelhaare verjagt, was? Schneid’ sie ab, du siehst nichts mehr!“

„Ich sehe gut“, sagte Tristan unbeeindruckt. „Vorhin, da war zum Beispiel ein Offizier hier. Der hat nach Euch gefragt.“

„Wirklich?“ Einhard spürte wieder seine Rückenwirbel. „Was wollte er? Wissen, wie man das Wort ‚Wein‘ buchstabiert?“

„Er hat gesagt, Ihr sollt zum König kommen.“

Einhard schnappte nach Luft. „Das erzählst du jetzt erst?“

+ + + + +

Es war hell in der Königshalle, doch spürte Einhard keinen Luftzug. Glas – die Fensteröffnungen hatten Glaseinsätze! Was Einhard so oft in Rom und Ravenna gesehen hatte, breitete sich nun auch in den ersten Königspfalzen aus. Er fühlte frischen Mut.

Der Herrscher stand am Fuß seines mit blauem Tuch ausgeschlagenen Steinthrons und spielte mit einem großen Hund. Karl trug die einfache Tunika fränkischer Männer, frischer Dreck klebte an Schuhen und Beinriemen. Mit einem Kopfnicken nahm er von Einhard Kenntnis. Am Tisch stand der Befehlshaber der Scara und fuhrwerkte mit einem Stück Kohle auf einer gespannten Tierhaut herum. Die schwarzen Linien sahen in Einhards Augen wie eine Skizze von Rhina, Moyn und dem Verlauf der Sachsengrenze im Norden aus. Einhards Herz schlug schneller.

„Warum lasst Ihr mich warten, Einhard?“

„Heil, mein König! Ich bin vorhin abgewiesen worden. Einer von Fulrads Geistlichen …“

„Schon gut. Der Kapellan passt besser auf mich auf als meine Mutter.“ Ein Lächeln überflog die Züge des Königs. Das Gesicht wirkte voller, männlicher, fand Einhard – vielleicht lag es an dem sichelartigen Schnurrbart, der sich neuerdings breit die Wangen hinab zog. Karl richtete sich zu seiner ganzen hünenhaften Größe auf und stieß einen Knochen in den Rachen des Hundes. Der wollte mit der Beute verschwinden – doch der Herrscher ließ nicht los.

„Die Heidenstämme haben sich verbündet. Was nun, Einhard? Wollt Ihr immer noch die Scara nach Italien schicken? Meine besten Krieger?“

Einhard räusperte sich. „Nun, einerseits müssen wir dem Heiligen Vater …“

„Ha!“ Ruodbert lachte auf.

Der König entlockte dem Hund ein tiefes Knurren, als er am Knochen zog. „Graf Ruodbert hatte gewettet, dass Ihr mit einerseits-andererseits anfangt.“

„Ach ja?“ Einhard lächelte mühsam. „Soweit ich weiß, kann das Abwägen von Handlungsmöglichkeiten das Ergebnis positiv beeinflussen.“

„Also gut, weiter!“ Mit einer Hand hielt der König immer noch den Jagdhund hin, der nicht ohne Beute gehen wollte. Irritiert musterte Einhard das fließende Spiel der Muskeln unter dem kurzen Fell des Tieres. Warum jagt er den Köter nicht weg?

„Herr, Ihr werdet den Heerbann im nördlichen Reichsteil aufbieten und den Sachsenherzog zur Unterwerfung zwingen. Der Heilige Vater wird zunächst eigene Truppen aufstellen müssen.“

Der Blick des Königs erschien Einhard wohlwollend. „Wir werden die Frage heute Abend im Kronrat entscheiden.“ Karl machte eine kurze Pause und als er wieder anhob, war seine Stimme kalt. „Eine Sache noch … Ihr habt Widukinds Zerstörungen mit eigenen Augen gesehen. Was haben seine Leute in meiner Pfalz in Sanctos angestellt? Ihr seid in das Bad hinabgestiegen, sagte Graf Ruodbert …?“

„Ja, es war voll Blut.“

Die Erinnerung an die dunkelbraune Kruste, die die Marmorfliesen bedeckte, ließ Einhard schaudern. Die wackeren Krieger der Scara hatten heidnischen Zauber gefürchtet und sich nicht mit hinabgewagt.

„Was habt Ihr gesehen?“

„Sie haben einem Pferd die Kehle durchtrennt. An den Schweif des Rosses war ein Priester gebunden.“

„Die Bastarde! Hat er noch gelebt?“

„Nein … Sie hatten ihm ein Holzkreuz durch den Leib getrieben, Herr.“

Der König schloss die Augen, wie für einen Moment der Konzentration. „Dafür werden sie bezahlen.“ Er ließ den Knochen los und bekreuzigte sich. Der Hund blieb stehen, verwundert, dass das Spiel vorbei sein sollte.

„Da war noch etwas anderes, mein König. Das Pferd …“

„Was war damit?“ Zwei schräge Falten waren auf Karls Stirn erschienen, die in der Nasenwurzel zusammenliefen.

Einhard zweifelte plötzlich, ob er die brutale Wahrheit wirklich aussprechen sollte.

„Auf dem Pferdekopf steckte ein Reif aus Eisen. Es sah aus wie eine Krone.“

„Horkind!“

Ein Fuß Karls traf den Brustkorb des Hundes so kräftig, dass das Tier jaulend vor Einhards Füßen landete. „Dieser Hurensohn soll ans Kreuz geschlagen werden! Seine Krieger werden daran vorbeiziehen, gefesselt, gedemütigt und gebrochen … Wir werden diesen Heidenglauben ausbrennen, bei Gott!“

„Amen! Das wäre ein frommes Werk, das dem Allmächtigen gefallen würde!“

Ein untersetzter Mann von beachtlichem Umfang hatte den Raum betreten. Riesige, vorgewölbte Lippen dominierten sein Gesicht. Er trug eine helle Robe, die mit goldenen Borten besetzt war, und an seinen fleischigen Fingern glänzten Edelsteine.

„Gott mit Euch, Bischof!“, sagte Einhard höflich.

„Und mit Euch … Darf ich den Consiliarius für einen Augenblick entführen, Carolus Rex?“

Der König machte eine gleichgültige Handbewegung. „Ich nehme ein Bad. Der Kronrat soll eine Stunde vor Sonnenuntergang zusammenkommen. Denkt an die Landkarten!“

Der König und Ruodbert verließen die Halle. Zurück blieben nur zwei Diener an der Tür, die den Bischof und den Consiliarius respektvoll beobachteten.

Wie konnte Fulrad bleiben, wenn der König selbst ging?

„Ihr geltet als Mann mit politischer Fantasie, gilerito.“

Der mächtige Mund mit den nach unten zeigenden Mundwinkeln erinnerte Einhard an einen Fisch, den sein Vater einst aus dem Moyn gezogen hatte. Ein schwerer Leib hatte da am Ufer gezappelt …

„Ich diene dem König, so gut ich kann.“

„Irrtum, Einhard. Ihr dient mir. Ich bin der Hofkapellan des Reiches, ich berufe den Kronrat ein und mir untersteht die Hofkanzlei mit den Schreibern. Ihr habt dem Leiter der Gesandtschaft in Rom klug gedient, wie ich höre – auf dem Platz, der Euch zustand. Aber macht nicht den Fehler, Euch hier einen Platz neben dem König suchen zu wollen. Ihr entstammt einer Familie ohne Namen und ohne Besitz. Ihr lauft herum wie ein Nackter unter Bekleideten, also macht dabei bloß nicht so viel Lärm, verstanden?“

Einhard atmete tief ein und aus. Er hatte diesen Mann unterschätzt – diesen Wels. „Euer Gnaden, ich bin mir Eurer Stellung bei Hofe bewusst. Aber der König hatte nach mir geschickt …“

„Wenn Ihr von einer Mission zurückkehrt, gilerito, meldet Ihr Euch bei mir. Der König ist gutmütig, ich weiß, er spielt mit Hunden und hat noch für den letzten Schweinehirten ein freundliches Wort. Aber wenn Carolus Rex direkt nach Euch schickt, dann zieht Ihr mich hinzu, ist das klar?“

Einhard nickte. Sein Gesicht war wie steifgefroren.

„Gut!“ Plötzlich gingen die Winkel des Fischmauls nach oben. „Wir werden Euch als Königsboten losschicken. Ihr werdet Truppen für den Kriegszug sammeln, und zwar in den Gebieten nördlich von Franconofurt. Kennt Ihr den Hessengau?“

„Ein wenig.“ Er hatte sich wieder unter Kontrolle. „Wölfe im Herbst, Schnee im Winter, sagt man …“

„Und Sachsen im Sommer“, ergänzte Fulrad mit boshaftem Lächeln. „Die Hessen sind rau, für einerseits-andererseits haben die so wenig Sinn wie der Heilige Bonifatius mit seiner Axt: Der hat den Heiden nicht lange die Dreifaltigkeit erklärt, sondern einfach ihren Kultbaum umgeschlagen! Also zitiert dort oben keine alten Schriftsteller, gilerito, sonst landet Ihr in der Jauchegrube!“

Glucksend lachte der Bischof auf, die Vorstellung schien ihm zu gefallen; seine Edelsteinflosse berührte Einhards Schulter. Von Ferne hätte man sie für Freunde halten können.

Arnulf. Die Axt der Hessen

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