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Der 500-Euro-Schein

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„Post für dich!“, rief ihm einer zu. An der Schrift erkannte er gleich, von wem der Brief stammte. Er hatte ihn kaum geöffnet, da steckte er ihn auch schon in seine Jackentasche.

Eilig verließ er den Treffpunkt für Obdachlose. Die anderen sollten nicht sehen, dass er Geld erhalten hatte. Er befürchtete, der eine oder andere unter ihnen könnte es ihm sonst stehlen.

Auf einer abgelegenen Parkbank zog er endlich den Schein aus dem Briefumschlag. Als er die aufgedruckte Zahl sah, schnellte er von der Bank in die Höhe.

Noch einmal blickte er auf den Schein. Er hatte sich tatsächlich nicht getäuscht: sein Bruder hatte ihm einen 500-Euro-Schein geschickt. „Zum Fünfzigsten“, stand auf dem beiliegenden Zettel.

„Nach all dem Bier erst einmal eine Flasche Whiskey“, sagte er laut zu sich selbst. „Alles andere erst danach.“

Beschwingten Schrittes ging er los. Nicht weit von ihm gab es eine kleine Spirituosenhandlung. Als er sie schließlich betrat, musterte ihn der Besitzer misstrauisch.

Einen Augenblick lang sah er sich mit dessen Augen. Die Haare und sein schon ergrauter Bart waren ungepflegt. Seine Jacke, die Hose und die Schuhe verschlissen und verschmutzt. Auf dem Rücken trug er einen kleinen, abgewetzten Rucksack.

Beim Anblick des 500-Euro-Scheins machte der Inhaber des Geschäfts einen Schritt zurück. „Kann ich leider nicht wechseln“, hörte er ihn sagen.

Enttäuscht steckte er den Schein wieder ein und ging zur nächstgelegenen Bank. Vor fünf Jahren hatte er zum letzten Mal eine betreten. Er erinnerte sich noch genau. Damals hatte er den Rest seiner Abfindung vom Konto abgehoben.

Sowie er jedoch jetzt vor dem Bankeingang einen Mann vom Sicherheitsdienst erblickte, verließ ihn plötzlich aller Mut.

Doch schon bald schöpfte er wieder Hoffnung. In einem Supermarkt, dachte er, würde man sicher genug Wechselgeld haben.

Kaum hatte die Kassiererin eines nahegelegenen Supermarkts den Schein entgegengenommen, hob sie überrascht den Kopf. „Einen Moment bitte!“, sagte sie, verschwand und kam mit dem Filialleiter wieder.

Das Geld habe er von seinem Bruder bekommen, sagte er im Büro des Supermarkts. Der Filialleiter schaute ihn darauf nur ungläubig an. Was tun? Schnell nahm er das Geld vom Schreibtisch des Filialleiters und eilte davon.

Zwei Straßen weiter setzte er sich bekümmert auf eine Bank, wo ihm schon bald ein gut gekleideter Mann eine Zigarette anbot. Dankbar ergriff er sie und erzählte dem Mann wenig später von seiner Notlage. Zu seiner großen Freude bot sich dieser darauf an, den Schein in einer Bank zu wechseln.

Während er auf seine Rückkehr wartete, stellte er sich vor, was er sich außer der Flasche Whiskey sonst noch kaufen würde.

„Erst“, sagte er sich, „werde ich mich neu einkleiden und mir ein Paar festere Schuhe kaufen. Dann einen größeren Rucksack und auch noch einen wärmeren Schlafsack.“

Er beschloss außerdem, einmal in einem guten Restaurant zu essen. Was genauer? Darüber war er sich noch nicht im Klaren. Jedenfalls sollte es etwas ganz Besonderes sein.

Nach einer halben Stunde war der Mann immer noch nicht zurück. Als noch weitere fünfzehn Minuten vergangen waren, wusste er: man hatte ihn bestohlen. Er sei auf der Durchreise, hatte der Mann zu ihm gesagt.

Mit einem grimmigen Lachen zog er eine Flasche Bier aus dem Rucksack. Er hob sie hoch empor und schrie: „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!“

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