Читать книгу Ein Krankenhaus im Kongo - Robert Kösch - Страница 7

PROLOG

Оглавление

Ich konnte die Hand vor Augen nicht mehr sehen, so dunkel war es in dem Wald. Nur hin und wieder schien das fahle Mondlicht durch die Wolkendecke und ließ Äste und Büsche gespenstisch schimmern. Im Gebüsch raschelte es. War da jemand? War es nur ein harmloses Tier? Oder der Wind, der durch die Äste pfiff? Vom Dorfältesten waren wir vor einer knappen Stunde noch gewarnt worden, dass hier rivalisierende Rebellengruppen ihr Unwesen trieben und die Zivilbevölkerung in Angst und Schrecken versetzten. Und genau durch dieses Gebiet liefen wir jetzt. Also vermutlich. Meiner Meinung nach hatten wir uns hoffnungslos verirrt.

Eigentlich sollten wir in dieser Gegend wichtige Daten wie die Kindersterblichkeit ermitteln und die Trinkwasserqualität untersuchen. Und jetzt waren wir in einer nahezu aussichtslosen Situation, hatten uns verlaufen, und die Dunkelheit war längst hereingebrochen. Wie hatte es nur so weit kommen können? Erneut dieses Rascheln, aber das konnte unmöglich der Wind sein. Jemand war hinter uns her. Mein Puls beschleunigte sich, und ich hielt den Zeigefinger an die Lippen, um die anderen zu warnen. Doch was sollten wir tun? Wir wären jedem Angreifer schutzlos ausgeliefert.

Ich blickte zu meinen Mitstreitern. Rachel, die britische Kinderärztin, versuchte uns leise Mut zuzureden. Luca, der italienische Projektleiter, umklammerte die Karte und starrte auf Wege und Abzweigungen, die alle keinen Sinn ergeben wollten. Emilia, die Krankenschwester aus dem Senegal, schwieg wie ein Grab, und ich als Logistiker versuchte angestrengt, einen Ausweg aus unserer misslichen Lage zu finden. Wir alle hatten den Blick wachsam auf das Unterholz gerichtet und versuchten, uns so leise wie möglich fortzubewegen.

Mit vorsichtigen Schritten gingen wir weiter. Dann zerfetzte eine Maschinengewehrsalve die trügerische Stille. Ein ohrenbetäubendes Geratter in unmittelbarer Nähe. Das Mündungsfeuer ließ die Bäume riesig wirken. Scheiße, Scheiße, Scheiße! Wohin? Wie kopflose Hühner liefen wir durcheinander, rempelten uns gegenseitig an und suchten panisch Schutz in den nahen Büschen. Dann sahen wir sie. Zwei dunkle Umrisse kamen näher. Sie brüllten uns Wörter in einer unverständlichen Sprache entgegen. Wir waren paralysiert. Unfähig zu denken. Unfähig zu handeln. Auf einmal waren sie ganz nah.

Dann wurde alles schwarz. Man verband uns die Augen, und wir sollten unsere Uhren und Handys rausrücken. Dann fesselten sie uns die Hände mit einem dicken Seil und schubsten uns weiter die Böschung herauf.

»What do you want in forest? Our forest! Not your forest!« Die tiefe und bedrohlich nahe Stimme machte deutlich, dass sie nicht zum Scherzen aufgelegt war.

Wie kommen wir hier nur wieder raus?

Dann auf einmal zog man uns die Augenbinden ab, und das schwere Seil wurde gelockert. Mit einem lauten »Go away« wurden wir weggeschickt. Wir sahen uns überrumpelt an, aber es blieb keine Zeit zum Nachdenken. Wir liefen einfach nur fort. Weg von den dunklen Gestalten.

Vorsichtig warf ich einen Blick zurück und sah, wie sich die beiden vermeintlichen Entführer lachend unterhielten und sich einen warmen Kaffee aus einer Thermoskanne einschenkten. Ich musste schmunzeln. Wir befanden uns nicht etwa in einem brandgefährlichen Krisengebiet, sondern in einem schönen Waldgebiet am Südrand der Stadt Bonn. Hier fand die sechstägige Schulung statt, die die Teilnehmer auf die anstehenden Missionen mit Ärzte ohne Grenzen vorbereiten sollte. Rachel würde in Bangladesch arbeiten, Emilia in Sierra Leone, und für mich würde es Anfang Januar in den Kongo gehen.

Ein Krankenhaus im Kongo

Подняться наверх