Читать книгу Der Auftrag - Robert Whitlow - Страница 10

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Kapitel 3

»Ms Abboud und ich haben uns auch den Rest des Videos angesehen«, erklärte der ältere Anwalt. »Ben und Sadie Neumann haben einen schlimmen Verlust erlitten und verdienen eine Chance auf Gerechtigkeit.«

»Sie wollen helfen?« Jakobs Überraschung war deutlich zu hören.

»Ich bin bereit, den Fall den Teilhabern der Kanzlei vorzustellen. Das wäre der nächste Schritt.« Lowenstein legte die Hand auf den schmalen Aktenordner auf dem Tisch. »Aber ich brauche mehr als das, was Sie hier zusammengestellt haben, um sie zu überzeugen, dass unsere Kanzlei Ihren Einsatz unterstützen sollte. Wie sind Ihre vertraglichen Absprachen mit Mr Neumann?«

»Ein Drittel Erfolgsbeteiligung, wenn der Fall vor dem Prozess beigelegt wird; vierzig Prozent, wenn wir den Fall verhandeln.«

»Das ist fair angesichts der Herausforderung, die der Fall darstellt. Wie viel wollen Sie und Ben Neumann in die Prozesskosten investieren?«

Jakob räusperte sich. »Mr Lowenstein, vor allem aus diesem Grund bin ich hier. Mein Mandant und ich können einen solchen Rechtsstreit nicht finanzieren.«

»Und Collins, Lowenstein und Capella ist eine Kanzlei, keine Bank. Ihre Seite wird die nötigen Mittel auf den Tisch legen müssen.«

Jakobs Hirn arbeitete fieberhaft. Eine Tür, die nur einen Spaltbreit offen stand, war besser als eine, die verschlossen war. Er sprach rasch und aufrichtig: »Ben Neumann ist Filialleiter bei einem Herrenausstatter und verfügt nicht über nennenswerte Geldmittel. Sadie ist auf einer Privatschule. Angesichts der Kosten für Schule, Kinderbetreuung und Arztbesuche sind wohl nicht mehr als ein paar Tausend Dollar möglich.«

»Hat er nach Glorias Tod etwas von einer Lebensversicherung erhalten?«

Jakob war froh, dass er Ben bei ihrem letzten Treffen danach gefragt hatte. »Ja, davon konnte er die Beerdigung bezahlen, Glorias Studiendarlehen zurückzahlen und ein neues Auto kaufen.«

»Ich möchte trotzdem vorschlagen, dass er mindestens 40 000 Dollar für notwendige Auslagen beisteuert. Natürlich könnte Ihre Kanzlei das auch tun. Wir würden zunächst diesen Fonds aufbrauchen, bevor die Kanzlei die Finanzierung des Falles übernimmt.«

Jakob schluckte. Er hatte noch seinen Studienkredit abzuzahlen, besaß vier Kreditkarten, mit deren Kontoständen er jonglierte wie ein Zirkusclown mit brennenden Fackeln, und eine neue Wohnung. Er hatte praktisch keine Reserven, aber ein aussichtsreicher Fall stand kurz vor dem Abschluss und würde ein Honorar im Bereich von 20 000 Dollar einbringen. Vielleicht könnten Ben und er jeweils dieselbe Summe beisteuern.

»Wenn wir das tun, wie viel würde Ihre Kanzlei über die 40 000 hinaus dazugeben?«

»Ich würde meinen Partnern eine Summe von 250 000 Dollar vorschlagen. Bei einer Aufteilung des Anwaltshonorars von siebzig zu dreißig.«

Jakob nickte. »Ich denke, das ist fair. Ich wäre zufrieden mit siebzig Prozent.«

»Nein. Das heißt siebzig Prozent für uns und dreißig für Sie.«

»Aber ich würde die ganze juristische Arbeit machen!«, protestierte Jakob.

»Mr Brodsky«, erwiderte Lowenstein ungerührt, »wenn wir zustimmen, den größten Teil der Kosten für den Fall zu übernehmen, werden wir auch an jedem Aspekt dieses Falles beteiligt sein, von der Recherche über die Verhandlung bis hin zu eventuellen Berufungen.«

»Dieser Fall ist meine Sache«, sagte Jakob. »Das ist keine Abtretung.«

»Sie werden Ihren Teil des Honorars verdienen. Aber es wäre unfair, eine Honoraraufteilung vorzunehmen, die nur darauf beruht, dass Sie uns den Fall zugespielt haben.«

»Sie würden mit entsprechenden Kollegen aus meinem Team zusammenarbeiten«, fuhr Lowenstein fort. »Und ich hätte die Gesamtleitung des Falles.«

Jakob hatte nur einen mittelmäßigen Studienabschluss vorzuweisen; eine Kanzlei wie Collins, Lowenstein und Capella würde ihn daher niemals einstellen, denn sie nahmen nur die Besten jedes Jahrgangs. Mit jemandem wie Leon Lowenstein zusammenzuarbeiten und zu sehen, wie seine Kanzlei einen großen Fall anpackte, wäre nicht nur gut für Ben Neumann, es wäre auch für Jakob eine unschätzbare Erfahrung, egal, was er dabei verdiente.

»Das ist eine Menge wert«, gab er zu, presste die Lippen zusammen und erwog rasch seine Optionen. Es gab keine.

»Einverstanden.«

»Vorbehaltlich der Genehmigung durch unsere Teilhaber.«

»Ja, natürlich. Und natürlich der Zustimmung von Mr Neumann.«

»Sie machen Ihren Job, wir machen unseren«, sagte Lowenstein. »Ben und Sadie Neumann haben die bestmögliche juristische Vertretung verdient.« Er warf Jakob einen stählernen Blick zu. »Und ich meine das mit jeder Faser meiner Existenz. Sonst würden wir dieses Gespräch nicht führen. Glorias Leben war wichtig, und ihre Mörder müssen zur Verantwortung gezogen werden.«


Hana speicherte den Übernahmevertrag einer Investmentfirma aus dem Silicon Valley für ein israelisches Softwareunternehmen mit Sitz in Ra'anana, einer Stadt etwa zwanzig Kilometer nördlich von Tel Aviv. Das Hin- und Herspringen zwischen Englisch und Hebräisch bei einem so komplexen Text war anstrengend. Hana brauchte eine Pause; sie stand auf und ging zu Janets Schreibtisch.

»Und, ging es nun um Piraterie?«, fragte Janet.

»Nein, viel schlimmer.«

»Kannst du es mir sagen, oder soll ich besser nicht fragen?«

Hana zögerte. Janet war eine gute Seele, die es nicht verdient hatte, unnötig mit dem belastet zu werden, was auf dem Hurva Square geschehen war.

»Ich erspare dir die Details vorerst«, sagte sie daher. »Mr Lowenstein muss mit den Teilhabern über den Fall sprechen.«

»Wow!« Janet machte große Augen.

Hana bedauerte sofort, dieses Detail verraten zu haben. »Das bleibt aber unter uns!«

»Aber natürlich. Gehst du wieder allein essen?«

»Ja.«

»In Mr Capellas Gruppe gibt es ein paar Kolleginnen, die öfter zusammen zu Mittag essen. Warte, ich kläre das mit Thalia Botts, die in diesem Team ist. Ich wette, die würden sich freuen, wenn du …«

»Danke, aber nein«, sagte Hana mit einem Lächeln. »Was ich jetzt vor allem brauche, ist Entspannung. Eine Frauenrunde wäre gerade keine Erholung für mich.«

»Wie du meinst«, sagte Janet achselzuckend. »Aber du brauchst dringend jemanden, der dein Sozialleben auf Vordermann bringt. Ich war kaum ein halber Mensch, bis ich Donnie kennenlernte. Und er war nur ein Bruchteil dessen, was seitdem aus ihm geworden ist. Zusammen sind wir jetzt fast ein ganzer Mensch.«

Hana gluckste. »Ich bin im Lauf der Woche noch zum Abendessen verabredet.«

»Mit einem Mann?« Janets Augenbrauen schossen in die Höhe.

»Ja, mit einem Mann. Ich war vor ein paar Wochen mal in einer großen Gemeinde zum Gottesdienst, und dort habe ich ihn kennengelernt. Er möchte gern mehr über die arabische Kultur erfahren.«

»Ja, das möchte ich wetten.« Janet nickte vielsagend und fügte hinzu: »Besonders von jemandem wie dir.«

Hana entfernte sich kopfschüttelnd und nahm den Aufzug zum Parkdeck. In Israel, wo praktisch jeder Zentimeter des kleinen Landes mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar war, hatte sie nie ein Auto besessen. Doch kurz nach ihrem Umzug nach Atlanta hatte sie einen dreijährigen Leasingvertrag für einen kleinen deutschen Importwagen abgeschlossen.

Es gab fünf oder sechs Restaurants in der Nähe, in denen Hana regelmäßig zu Mittag aß. Heute entschied sie sich für einen kleinen Feinkostladen mit Mittagstisch. Der Inhaber war ein Araber, dessen Familie aus dem Libanon in die USA eingewandert war. Der Feinkostladen war überfüllt, die Leute standen Schlange vor dem Tresen. Hana trat ein und begrüßte Mahmoud Akbar in fließendem Arabisch.

»Hana, tun Sie mir das nicht an«, antwortete der kahlköpfige Mann um die fünfzig auf Englisch. »Ich bin mit dreizehn aus Beirut nach Baltimore gezogen. Alles, was ich gerade verstanden habe, war irgendwas davon, dass die Sonne für mich scheint. Dabei war es den ganzen Morgen bewölkt.«

Arabisch ist eine komplexe Sprache. Selbst für eine schlichte Begrüßung gab es unzählige Varianten.

»Ziemlich nah dran«, erwiderte Hana auf Englisch. »Es war ein Gruß und ein Segen: ›Möge die Sonne über dir aufgehen und ihre Wärme deinen schmerzenden Knochen guttun.‹«

Akbar lächelte. Er schnitt gerade Streifen von einer großen Fleischrolle, die sich auf einem Spieß vor einem vertikalen Grill drehte, während sein Mitarbeiter das geschnetzelte Fleisch rasch in aufgeschnittenes Fladenbrot schaufelte. Die Schawarma-Sandwiches waren das bei Weitem beliebteste Mittagsangebot im Laden. Akbar wischte sich die Stirn mit dem kleinen Handtuch, das in seiner Schürze steckte.

»Was darf’s sein?«, fragte er.

»Frühstück und Mittagessen, bitte«, antwortete sie. »Aber nur eine kleine Portion. Ich muss heute Nachmittag arbeiten und kann mir kein Nickerchen leisten.«

»Labneh und Makanek?«

Hana nickte. »Ja, gern.«

Der Besitzer reichte das lange Messer weiter an seinen Sohn Gadi, einem mürrischen jungen Mann, der nie Interesse daran zeigte, sich mit Hana zu unterhalten, egal in welcher Sprache. Akbar löffelte Labneh-Dip, einen mit fein gehackten Gurken, Dill, Knoblauch und Salz gewürzten Frischkäse, in eine Schüssel und gab ein paar Streifen frisch geschnittener Gurke dazu. Hana tauchte einen Gurkenstreifen in den Dip und wartete, während der Ladeninhaber ein paar der kleinen Makanek-Würstchen, einer Kombination aus Lamm- und Rindfleisch, auf den Grill legte.

»Rusty! Mehr Pommes frites in die Fritteuse, bitte«, rief Akbar einem Mitarbeiter zu. »Man sollte meinen, dass sie es merken, wenn die Pommes frites knapp werden«, schimpfte er und wandte sich wieder Hana zu.

Dann drehte er die Miniaturwürstchen auf dem Grill, und wenige Augenblicke später legte er sie in eine Schüssel und beträufelte sie mit Granatapfelsirup. Hana legte einen Zwanzigdollarschein auf den Tresen. Während sie auf ihr Wechselgeld wartete, nahm sie einen Bissen von der Wurst, deren herzhaften Geschmack der süße Sirup noch verstärkte.

»Ihre Makanek sind köstlich«, sagte Hana und wischte sich die Lippen mit einer dünnen Papierserviette ab. »So gut wie die, die ich im Libanon gegessen habe. Ich war dort einmal an einer amerikanischen Schule, um an einem Debattierwettbewerb teilzunehmen.«

Akbar beugte sich vertraulich zu ihr hinüber. »Ihr Vater war sicher sehr stolz auf Sie, damals wie heute«, sagte er leise. »Aber ich mache mir Sorgen um Gadi. Er geht abends zu irgendwelchen Meetings und will mir nicht sagen, worum es dabei geht. Und ich habe ihn dabei erwischt, wie er sich auf dem Handy religiöses Zeug ansah. Dinge, die mir nicht gefallen und mit denen ich nicht einverstanden bin.«

»Was denn für Dinge?«, fragte Hana. Ihr wurde das Herz schwer.

»Nichts Gutes.« Akbar warf über die Schulter einen Blick zu seinem Sohn. »Ich weiß, diese Inhalte stammen aus dem Wahhabismus. Als ich es ansprach, bestand er darauf, dass ich es Salafismus nenne. Vor der Öffnung heute Morgen hatten wir deshalb einen heftigen Streit.«

Hana schaute zu Gadi hinüber, der gerade sehr geschickt Schawarma-Fleisch abschnitt. Nachdem sie erst vor Kurzem das Neumann-Video angesehen hatte, ließ der Anblick des scharfen Messers in seinen Händen sie erschaudern.

»Er sagt, die Saudis glauben an diese Lehre. Und Allah hat sie so sehr gesegnet, dass sie das reichste Volk der Welt sind.«

»Ja, sie verfügen über die reichsten Ölvorkommen der Welt.«

Akbar wies nach oben. »Wer hat das Öl unter das Land gebracht, auf denen der Prophet lebte?«

Hana hatte Akbar noch nie anvertraut, dass sie Christin war. Sie wusste, dass er sie für eine weltliche Muslimin hielt, wie er selbst einer war. Sie zögerte.

Rusty, der Junge, der die Pommes frites zubereitete, rief etwas herüber.

»Ich werde für Sie und für Ihren Sohn beten«, sagte Hana schnell.

Akbar warf ihr einen verwirrten Blick zu und huschte davon. Hana trug nie eine Kopfbedeckung, und im Islam durfte keine Frau beten, ohne ein Kopftuch zu tragen. Er konnte sich daher keinen Reim darauf machen, wieso sie ihm anbot, für ihn zu beten.

Hana beendete ihre Mahlzeit, während ihr Blick weiter auf Gadi lag.

Ihr Kopf mochte unbedeckt sein, aber ihr Herz war weit geöffnet, und sie betete zum Gott des Himmels und der Erde für diesen Vater und seinen Sohn.

Der Auftrag

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